Jahresberichte
Das unvorstellbare Leid, das durch die brutalen Konflikte im Sudan, in der Demokratischen Republik Kongo, dem Gazastreifen und in der Ukraine verursacht wird, stellt uns weiterhin vor grosse Herausforderungen – hinsichtlich unserer medizinischen Arbeit, unserer Berichterstattung und unserer Prinzipien. Unsere Fähigkeiten, flexibel und innovativ zu sein und mit anderen zusammenzuarbeiten, sind wichtiger denn je. 2023 waren der Teamgeist und das Engagement unserer Teams an der Front eine grosse Inspiration. Ob in den geschäftigen Strassen von Honduras, in Geflüchtetencamps in Kenia oder in entlegenen Winkeln Myanmars – unser Bestreben, Menschen in Not zu helfen, kennt keine Grenzen. Bei einer externen Überprüfung des Strategieplans 2020-2023 der Einsatzleitstelle Genf wurde der Plan als ambitionierter, aber solider Aktionsrahmen erachtet. Es zeigte sich, dass bereits bedeutende Fortschritte erzielt wurden und der Plan eine klare Richtung und Empfehlungen für die kommenden Jahre enthält.
Unsere letzten Jahresberichte
Ausgaben
Das Jahr 2023 war einmal mehr von zahlreichen humanitären Krisen weltweit geprägt. Nach den rekordhohen Ausgaben 2022 war 2023 ein Jahr der Konsolidierung. Wir betrieben über 112 Projekte in 33 Ländern. Die Gesamtausgaben beliefen sich auf CHF 339,7 Millionen, CHF 254,7 Millionen davon für Programme in unseren Einsatzländern. Diese Beträge blieben im Vergleich zum Vorjahr relativ stabil. Während Ärzte ohne Grenzen Schweiz 2022 ein Defizit von CHF 14,7 Millionen verzeichnet hatte, konnten wir 2023 dank der Grosszügigkeit der Spender:innen mit einem Plus von CHF 12,6 Millionen abschliessen. Dies ermöglicht es uns, die Reserven auf fast dem gleichen Niveau zu halten wie Ende 2022.
Für den Nahen Osten war 2023 ein besonders schwieriges Jahr. Nach den schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien leisteten die Teams von Ärzte ohne Grenzen Schweiz und von anderen Sektionen ab Februar Hilfe. In den besetzten palästinensischen Gebieten sind die Sektionen MSF Spanien, MSF Frankreich und MSF Belgien im Einsatz. Der Krieg im Gazastreifen infolge der Ereignisse vom 7. Oktober 2023 in Israel erschwerte die Tätigkeiten der Organisation vor Ort deutlich. Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage und des mangelnden Zugangs kann Ärzte ohne Grenzen derzeit nicht befriedigend auf die enormen Bedürfnisse der Bevölkerung eingehen. Die Einsatzzentrale Genf ist auch im Jemen tätig, wo sich die Situation ebenfalls weiter zuspitzt, vor allem wegen des Konflikts im Gazastreifen, aber auch im Iran, im Irak und im Libanon. Die Ausgaben von Ärzte ohne Grenzen Schweiz im Nahen Osten beliefen sich auf CHF 53,9 Millionen, was 21% der Gesamtausgaben entspricht.
Wie schon 2022 befanden sich die meisten unserer Projekte auf dem afrikanischen Kontinent, mit Ausgaben von CHF 158,2 Millionen (62% der Gesamtausgaben). Im April 2023 kam es im Sudan zu einem Staatsstreich, was im ganzen Land zu einer humanitären Katastrophe führte. Daraufhin mussten wir die meisten unserer Projekte einstellen. Neue Noteinsätze wurden gestartet, insbesondere von Port Sudan aus in den Süden und Westen des Landes sowie vom benachbarten Tschad aus. Dort befinden sich auch hunderttausende sudanesische Geflüchtete, die unter katastrophalen Bedingungen leben. Für unsere Aktivitäten im Sudan und im Tschad hatten wir Ausgaben von insgesamt CHF 33,6 Millionen. Was den Rest des afrikanischen Kontinents betrifft, so fanden die grössten Einsätze wie schon 2022 in der Demokratischen Republik Kongo (CHF 26,7 Millionen) und im Südsudan (CHF 20,2 Millionen) statt.
Auch in Zentral- und Südamerika stiegen die Ausgaben auf CHF 16 Millionen, was rund 6% des Gesamtbetrags entspricht. Bei den Einsätzen von Ärzte ohne Grenzen in Mexiko, Honduras und Guatemala lag der Schwerpunkt auf der Migrationskrise und den Auswirkungen von sexualisierter Gewalt. In Honduras startete die Organisation ein innovatives Projekt. Dabei werden Mücken freigesetzt, die ein natürliches Bakterium in sich tragen. Dieses verringert ihre Fähigkeit, Viren wie das Dengue-Fieber zu übertragen.
In Europa erreichten die Ausgaben CHF 14,5 Millionen, also rund 6% der Gesamtausgaben. Wegen des anhaltenden Kriegs in der Ukraine reduzierten wir unsere Tätigkeiten vor Ort im Vergleich zu 2022. Die Ausgaben beliefen sich hier auf rund CHF 8,1 Millionen.
In Asien bezifferten sich unsere Auslagen auf CHF 11 Millionen, was 5% der Gesamtausgaben entspricht. 2023 blieb die Situation für unsere Teams komplex, insbesondere in Myanmar, wo es 2021 zum Militärputsch gekommen war. Die grössten Hindernisse waren der schwierige Zugang zur Bevölkerung und die Visabeschaffung.
Wie schon 2022 setzte die Einsatzzentrale Genf sich dafür ein, ihren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. So wurden im Niger und im Tschad innovative Generatoren installiert, die mit Solarpanels bedeckt sind.
In allen Einsatzländern von Ärzte ohne Grenzen stiegen die Preise und Personalkosten. Im Bereich Güter- und Personentransport zogen sie besonders stark an. Somit konnte die Organisation mit einem vergleichbaren Budget weniger Aktivitäten finanzieren als im Jahr zuvor. Ein Teil der steigenden Preise konnte jedoch durch günstige Wechselkurse ausgeglichen werden.
Ärzte ohne Grenzen Schweiz finanzierte zudem Projekte von anderen Sektionen der Organisation in Höhe von CHF 14,5 Millionen, insbesondere, um den Wünschen der Spender:innen zu entsprechen. Dies betraf vor allem das Erdbeben in der Türkei und Syrien, den Sudan, den Konflikt in Gaza sowie Projekte in Afghanistan, Brasilien und dem Jemen.
Einnahmen
Die Erträge von Ärzte ohne Grenzen Schweiz stiegen 2023 um 14,6% auf CHF 360,7 Millionen, gegenüber CHF 314,8 Millionen im Jahr 2022. Dieser Anstieg ist in Teilen auf die zunehmende Grosszügigkeit der Spendenden zurückzuführen, vor allem als Reaktion auf das Erdbeben in der Türkei und Syrien sowie auf den Konflikt im Gazastreifen. Die in der Schweiz gesammelten Privatspenden beliefen sich auf CHF 169,9 Millionen (47% der Gesamterträge) und blieben damit im Vergleich zum Vorjahr (49%) recht stabil. 50% unserer Erträge stammten aus Privatspenden, die von unseren Partnersektionen weltweit gesammelt wurden. Institutionelle Spenden machten 3% der Gesamterträge aus. Dazu gehören unter anderem Zuwendungen des Kantons Genf (CHF 2,6 Millionen), der DEZA (CHF 7 Millionen) und der kanadischen Regierung (CHF 1,6 Millionen).
Ergebnis
2023 verzeichnete das Finanzergebnis von Ärzte ohne Grenzen ein Minus von CHF 8,4 Millionen. Dies liegt vor allem an der Entwertung mehrerer Währungen gegenüber dem Schweizer Franken zum Jahresende, vor allem des US-Dollar und des Euro. Die Einkommen unserer Partnersektionen werden zu einem durchschnittlichen Jahreswechselkurs verbucht, aber hauptsächlich am Jahresende ausgezahlt; dies führte zu grossen Buchverlusten. Insgesamt schlossen wir somit das Jahr 2023 mit einem Plus von CHF 12,6 Millionen ab. Dieser Betrag, der rund 14 Tagen operativem Betrie entspricht, wird den freien Reserven der Organisation zugewiesen. Unsere Reserven decken nun 6,8 Monate operativen Betrieb ab, ein als ausreichend erachtetes Niveau, das etwas über dem Vorjahr (6,6 Monate Ende 2022) liegt. Mit den vorhandenen Reserven kann Ärzte ohne Grenzen – in den extremsten Szenarien innerhalb von 48 Stunden – auf Notfälle reagieren.
Wir möchten allen Spendenden, Mitarbeitenden, Freiwilligen und Partner:innen, die weltweit die Arbeit unserer Organisation ermöglichen, unsere tief empfundene Dankbarkeit aussprechen.
- Nicolas Joray, Leiter Finanzen
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