Buruli-Ulkus: «Wir schreiben ein Stück Medizingeschichte»
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In Akonolinga, in Kamerun, behandelt Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) seit zwölf Jahren Patienten, die an Buruli-Ulkus leiden. Nun wurden einige Aufgaben an das kamerunische Gesundheitsministerium übergeben. Der Pavillon, der eigens zur Behandlung dieser Krankheit eingerichtet wurde, ist in dieser Form einzigartig. Daher konnten mehrere Partner für das Projekt gewonnen werden. Dazu zählt auch das Universitätsspital Genf (HUG), das die medizinischen Fachkräfte und das Pflegepersonal in der Behandlung chronischer sowie vom Buruli-Ulkus verursachter Wunden schult.
Gespräch über die Zukunft des Projekts mit dem ehemaligen medizinischen Leiter von MSF, Éric Comte, und Hubert Vuagnat, Chefarzt für rehabilitative Medizin am HUG.
Wie sehen Sie die Zukunft des Projekts zur Behandlung von Buruli-Ulkus in Akonolinga?
Eric Comte: Als ich 2005 bei MSF angefangen habe, kannten wir Buruli-Ulkus nicht. Wir können auf unsere bisherige Arbeit stolz sein. Dank des Engagements der kamerunischen Mitarbeiter und der Zusammenarbeit mit dem Team des HUG können Wunden in Akonolinga nun sehr gut behandelt werden. Wir haben das Programm auch auf die Versorgung von chronischen Wunden ausgeweitet, sodass wir noch mehr Patienten behandeln konnten. Es ist wirklich hervorragend, ein motiviertes Team zu haben, das auf diese Behandlung spezialisiert ist. Unser Team vor Ort hat die Zusammenarbeit mit den Universitäten in Yaoundé weiter ausgebaut, sodass diese heute stark in die Wundbehandlung einbezogen werden.
Hubert Vuagnat: Die erste Schulung über Buruli-Ulkus und chronische Wunden wurde 2008 von der Hochschule für Gesundheit in Genf angeboten. Seitdem haben wir zwei weitere Veranstaltungen organisiert unter der Federführung der Universität von Yaoundé, die sich hauptsächlich an kamerunische Lehrkräfte richteten.
Wir planen drei weitere Schulungen, eine in diesem Jahr und zwei weitere 2015. Wir richten unser Augenmerk dabei in erster Linie auf die Behandlung der chronischen Wunden und danach auf Buruli-Ulkus. Letzteres ist in Akonolinga und anderen endemischen Herden zwar problematisch, doch die Anzahl der Fälle ist im Vergleich zu den chronischen Wunden in Kamerun und anderswo jedoch gering. Die Zusammenarbeit zwischen der Universität von Yaoundé und die Unterstützung des Universitätsspitals Genf, der European Wound Management Association (EWMA) sowie der Schweizerischen Gesellschaft für Wundbehandlung haben es uns ermöglicht, einen Hochschulabschluss anzubieten, den das Pflegepersonal in Kamerun und der Region erwerben kann. Wir haben festgestellt, dass Pflegekräfte, die chronische Wunden behandeln, nicht immer wissen, wie sie richtig damit umgehen.
Inwiefern unterscheidet sich diese Ausbildung von der, die bereits an der Universität von Yaoundé angeboten wird?
HV: Die Wundbehandlung wird bei der Ausbildung in Kamerun derzeit nicht thematisiert. Meines Wissens wird in der Region nur ein Wundbehandlungsprogramm angeboten und zwar in Südafrika. Wir möchten einen Hochschulabschluss mit mehreren Modulen anbieten. Ein erstes Modul wird in Französisch unterrichtet und befasst sich mit der Grundpflege. Darauf folgt ein siebentägiges Modul, in dem weitergehende Kompetenzen in der Wundbehandlung vermittelt werden. Unabhängig davon, welches Modul belegt wird, sind immer auch fünf Praxistage in Akonolinga vorgesehen. Das Zentrum ist anders als alle anderen in der Region, da hier sogenannte «moderne» Wundbehandlungsmethoden angewendet werden. Die Studierenden arbeiten im Pavillon unter realen Bedingungen und können das Gelernte so besser umsetzen.
Was versteht man unter «moderner Wundbehandlung»?
HV: Bei der modernen Wundbehandlung wird die Wundheilung je nach dem, wie die Wunde aussieht, in verschiedene Phasen eingeteilt. Auch die Grunderkrankung wird dabei berücksichtigt. Sogenannte «moderne» Verbände erleichtern uns die Arbeit, sie können einfach angelegt werden und müssen nicht täglich gewechselt werden. Das Problem sind jedoch die Kosten. Wir hoffen, dass die Preise sinken werden, denn für ein Land mit beschränkten Ressourcen sind diese Verbände schlicht zu teuer.
EC: Normalerweise verfügt der Organismus über alles, was er braucht, um eine Wunde zu säubern und zu schliessen. Bei einer chronischen Wunde wird der Körper aber oft durch verschiedene Faktoren an der Wundheilung gehindert. Hier ist viel Erfahrung mit Wunden gefragt.
Wie gestaltet sich Ihr weiterer Einsatz in Kamerun?
HV: Aufbauend auf den Schulungen, die wir bereits organisiert haben, und dank der verschiedenen Finanzierungsanträge, insbesondere bei der Schweizerischen Gesellschaft für Wundbehandlung und der humanitären Kommission des HUG, können wir die Schulungen weiterhin anbieten, während wir gleichzeitig langfristige Finanzierungsmöglichkeiten suchen. So kann ein Teil des bestehenden Teams die Wundbehandlung im gesamten Gesundheitsbezirk weiterführen.
Wir hoffen, dass die Mitglieder der vor Kurzem gegründeten Kamerunischen Gesellschaft für Wundbehandlung als Sprachrohr für unsere Anliegen im Land aktiv werden.
EC: Unser Ziel ist es, die Schulungen sowie Weiterbildungen weiter anzubieten. Die Kurse sind dynamisch und interaktiv und werden von anerkannten Lehrkräften gegeben.
HV: Das Interesse an der Wundbehandlung steigt stetig, sie entwickelt sich zu einem Fachgebiet. Es wird zusehends festgestellt, dass die Wunde nicht nur ein Nebeneffekt einer Krankheit ist: Nur 20 Prozent aller Wunden werden von einer bestimmten Krankheit verursacht.
Ich bin überzeugt, dass wir ein Stück Medizingeschichte schreiben. Wir werden zwar nie einen Nobelpreis oder eine Auszeichnung dafür erhalten, aber wir beteiligen uns an der Entwicklung der globalen Gesundheit, insbesondere dank dem wachsenden Interesse an Wundbehandlungstechniken, die auch von der Weltgesundheitsorganisation übernommen worden sind.