Dr. Ali Al-Ani Orthopädischer Chirurg, MSF-Projekt für rekonstruktive Chirurgie
3 Min.
„Jeder neue Fall ist eine neue Herausforderung, und jeder verwundete Patient ist anders.“
Können Sie uns etwas über Ihre Rolle in dem Programm in Amman erzählen?
Mein Name ist Dr. Ali Al-Ani, und ich stamme aus dem Irak. 2005 bin ich aufgrund der desolaten Sicherheitslage mit meiner Familie aus dem Irak nach Amman gekommen, weil wir kein normales Leben mehr führen konnten. 2007 bin ich dann als orthopädischer Chirurg zum Projekt gestossen.
Welche Arten von Patienten behandeln Sie?
Alle unsere Patienten sind Opfer des Konflikts in dieser Region. In den ersten zwei Jahren des Programms kamen nur Patienten aus dem Irak zu uns. 2008 haben wir die Aktivitäten ausgeweitet und damit begonnen, auch Patienten aus anderen Konfliktgebieten aufzunehmen. Seitdem kommen Menschen aus Gaza, dem Jemen und Syrien zu uns. Die meisten von uns behandelten Fälle erweisen sich als hoch komplex.
Welche Fälle können in das Programm aufgenommen werden?
Wir decken drei Spezialgebiete ab: orthopädische Chirurgie, plastische Chirurgie und Kieferchirurgie. Bei vielen unserer Patienten ist es zu Knocheninfektionen gekommen, so dass sie langfristige Behandlungen benötigen. Es kommen aber auch Patienten zu uns, deren gebrochene Knochen nicht wie gewünscht zusammengewachsen sind und die Weichgewebedefekte aufweisen. Es gibt Patienten mit Knochenschwund, Nervenschäden und körperlichen Fehlbildungen, wie sie nach unbehandelten Traumata auftreten können.
Bei kriegsbedingten Verletzungen ist es so, dass jeder neue Fall eine neue Herausforderung darstellt; kein verwundeter Patient ist gleich wie der andere.
Wie schwierig ist die Arbeit für Sie persönlich?
Natürlich bin ich in erster Linie Chirurg, trotzdem bin ich auch ein menschliches Wesen. Die schlimmen Dinge, die mir in meiner Arbeit begegnen, lassen mich nicht unberührt. Es schmerzt mich, wenn ich unschuldige Kinder oder alte Menschen vor mir habe, deren Leben durch den Konflikt für immer verändert wurde. Als Chirurg kann ich diesen Menschen jedoch helfen. Ich kann ihnen eine gewisse Unabhängigkeit verschaffen und sie manchmal auch dazu bringen, wieder zu lächeln. Ich bin sehr stolz darauf, dass dieses Programm das Leiden vieler Patienten erleichtert hat, indem wir ihre versehrten Körper rekonstruiert und ihnen geholfen haben, bestimmte Funktionen wiederzuerlangen. Die hierhin überwiesenen Menschen hätten sich eine solche Behandlung an anderer Stelle vermutlich niemals leisten können.
Jeder Patient wurde auf andere Weise vom Krieg getroffen. Besonders berührt hat mich jedoch die Geschichte eines siebenjährigen irakischen Jungen, der 2009 in das Programm aufgenommen wurde. Wael wollte gerade seine Grosseltern besuchen, als am Strassenrand eine Bombe explodierte. Seine Mutter wurde getötet und Wael schwer verletzt. Er verlor sein rechtes Bein, das linke war stark verletzt. Trotz der Komplexität der Eingriffe gelang es dem Operationsteam nach mehreren Operationen, das verletzte Bein so zu rekonstruieren, dass der Junge es wieder belasten konnte. Anschliessend wurden für ihn Prothesen angefertigt, so dass Wael wieder gehen konnte.
Welche Schwierigkeiten warten auf die Patienten bei ihrer Rückkehr in den Irak?
Am schwierigsten nach der Rückkehr ist sicherlich der Zugang zur Nachbehandlung. Dazu gehören übrigens auch psychosoziale Unterstützung und Physiotherapie. Auch wenn wir uns bemühen, die Behandlung in Amman zu Ende zu führen, erfordern diese Verletzungen jedoch häufig eine postoperative Betreuung, und dies stellt eine grosse Herausforderung dar.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft des Programms?
Das Programm wurde seit 2006 stark ausgebaut, und wir haben grosse Pläne für die Zukunft. Wir werden bald in ein neues Gebäude umziehen, wodurch sich die Behandlungsqualität stark verbessern wird. Auch die technischen Kapazitäten und der Umfang des Projekts werden steigen. Möglicherweise können wir dann auch neue Operationsarten in unser Programm aufnehmen.