Ebola: Alle, die mit Infizierten Kontakt hatten, müssen weiter überwacht werden
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Obschon die Zahl der Ebola-Fälle rückläufig ist, müssen weiterhin alle, die Kontakt mit einer an Ebola erkrankten Person hatten, überwacht werden. Nur so besteht Hoffnung, dieser Epidemie endgültig ein Ende zu setzen. Amanda Tiffany arbeitet derzeit in Sierra Leone für Epicentre, der epidemiologischen Forschungsstelle von MSF.
«Die Ebola-Epidemie nahm ihren Anfang in Guinea, in der Stadt Guéckédou. Nur einige wenige Fälle waren nötig, um die bislang grösste Epidemie auszulösen. Die Ebola-Ausbrüche in den vergangenen Jahrzehnten waren örtlich jeweils sehr begrenzt gewesen, doch Guéckédou liegt in einem Dreiländereck Westafrikas, das als Durchgangs- und Handelsort genutzt wird, wodurch sich das Virus rasch ausbreiten konnte. Wenn man im März 2014 – als in Guinea die Ebola-Epidemie gemeldet wurde – die Leute nach dem Aufenthaltsort der Menschen befragte, die Kontakt mit Ebola-Infizierten gehabt hatte, erhielt man Antworten wie, «Oh, er ist nach Sierra Leone gegangen» oder «Er ist gerade in Liberia».
Um zu erreichen, dass es keinen einzigen Fall mehr gibt, müssen sämtliche Personen, die engen Kontakt mit einem Ebola-Infizierten hatten, identifiziert werden. Auch heute wissen wir in Freetown bei mehr als der Hälfte der Patienten nicht, wie sie sich angesteckt haben. Selbst wenn wir herausfinden, dass es in einem Haushalt infizierte Familienmitglieder gab, wissen wir nicht unbedingt, bei wem der Ursprung der Infektion war. Es geht also nicht nur darum, betroffene Haushalte aufzusuchen und zu fragen, wer krank ist: Wir müssen das Vertrauen der Familien gewinnen, Zeit mit ihnen verbringen, damit sie verstehen, dass wir ihnen helfen wollen und dass jene, die Kontakt mit der kranken Person hatten, nicht bestraft werden.
Ausgangssperre als letzten Ausweg?
Wenn dieses System zur Kontaktnachverfolgung von Beginn weg wirksam angewendet worden wäre, hätte es keinen Grund gegeben, Leute unter Quarantäne zu stellen. In Guinea griff die Regierung nie auf diese Massnahme zurück. In Sierra Leone hingegen, wo die Epidemie in der überbevölkerten Hauptstadt Freetown lange Zeit ausser Kontrolle schien, sahen die Behörden in einer Ausgangssperre wohl den einzigen Ausweg.
Was wir bei unseren Besuchen feststellten, war, dass gewisse Familien unter Quarantäne nur sehr wenig Unterstützung erhielten. Manchmal fehlte es ihnen gar an Nahrung, Trinkwasser oder medizinischer Versorgung. Ich persönlich befürworte die Quarantäne nicht, verstehe aber, weshalb Sierra Leone diese Massnahme ergriffen hat. Man wollte verhindern, dass die Leute umherreisen und weitere Menschen ansteckten. Tatsächlich ist die grosse Mobilität der Menschen einer der Hauptgründe, weshalb sich diese Epidemie so schnell ausbreiten konnte.
Ewig unter Quarantäne
Gestern habe ich ein Haus besucht, das unter Quarantäne gestellt wurde. Fünf Familienmitglieder sind bereits in unser Ebola-Zentrum eingewiesen worden. Als die vierjährige Tochter krank wurde, rief die Familie die Ebola-Hotline an, und eine Ambulanz kam, um das Mädchen zu holen. Obschon die Familie darum bat, dass das Mädchen ins MSF-Zentrum gebracht wurde, wo bereits andere Familienangehörige waren, hatten die Ambulanzfahrer Anweisung, es in ein anderes Zentrum der Stadt zu bringen.
Seit da hat die Familie nichts mehr von dem Mädchen gehört und macht sich grosse Sorgen. Sie machen sich auch Gedanken, was das für sie bedeutet. Sie sagten zu mir: «Wenn das Mädchen positiv auf Ebola testet, sind wir dann wiederum 21 Tage unter Quarantäne? Und wenn ihre Mutter zehn Tage später auch krank wird, beginnen die 21 Tage dann von vorne? Wir können doch nicht ewig unter Quarantäne bleiben…»
Die Slums von Freetown sind so dicht besiedelt und die Behausungen liegen so nah beieinander, dass man gut in einer Seitenstrasse verschwinden kann – und somit der Quarantäne entgeht. In gewissen Quartieren jedoch, ist der Druck auf Familien, die unter Hausarrest gesetzt wurden, hoch. Denn jeder weiss, wer sie sind, man kennt sich.
Besser vorbereitet im Falle eines neuen Ausbruchs
Natürlich ist der Rückgang von Ebola-Neuinfektionen in Liberia, Guinea und Sierra Leone eine gute Nachricht. Das Verhalten der Menschen scheint sich geändert zu haben. Die Leute sind es leid und wollen, dass Ebola aus ihrem Leben verschwindet. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Organisationen, die Ebola-Zentren betreiben, Massnahmen zur Infektionskontrolle umsetzen oder Aufklärungsarbeit leisten.
Dass die Epidemie noch nicht eingedämmt werden konnte, ist der viel zu langsamen Reaktion von uns – der internationalen Gemeinschaft – zuzuschreiben. Wenn es nochmals zu einem Ausbruch kommt, muss deshalb vor allem die Reaktionsfähigkeit verbessert werden. Im Gegensatz zur laufenden Epidemie sollten die Länder aber nicht mehr im gleichen Mass «überrumpelt» werden. Denn nun gibt es ausgebildetes Personal, Behandlungszentren, ein System für den Krankentransport und auch die Triage wird verbessert. Ich hoffe, dass man aus der jetzigen Situation etwas lernt und dass die nächste Ebola-Epidemie nicht so ausser Kontrolle gerät.»