Flüchtlingslager in Tansania: «Die Menschen hier sind sich nichts anderes gewohnt»

Tanzanie: plus de 118 000 Burundais se sont réfugiés dans des camps de l’autre côté de la frontière.

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Der mexikanische Arzt Alfonso Apollinar ist Teil des MSF-Notfallteams, das den Menschen in tansanischen Flüchtlingslagern Hilfe leistet. Über 115‘000 Burunder sind über die Grenze dorthin geflohen.

«Ich bin seit Mai in Tansania, als erstmals Flüchtlinge aus Burundi über die Grenze kamen. Sie flohen vor den politischen Unruhen und der Gewalt in ihrem Land. Im Verlauf von nur drei Monaten trafen rund 100‘000 Menschen ein.
Als Erstes kamen diejenigen, die genügend Mittel hatten, um beim Ausbruch des Konflikts leicht fliehen zu können. Hauptsächlich Frauen und Kinder, die meistens ein paar Kleider und Kochtöpfe dabei hatten und in Schulgebäuden unterkamen. Die Schulen mussten den Unterricht einstellen.
Als in den Schulen kein Platz mehr war, wurden die Menschen der zweiten Flüchtlingswelle in Massenunterkünften im Flüchtlingslager Nyarugusu untergebracht. Dieses beherbergt schon seit Jahren Flüchtlinge aus der Demokratischen Republik Kongo.
Als wir hörten, dass es an der Grenze Cholera-Fälle gab, begannen wir sofort, die Menschen zu impfen, um eine Ausbreitung bis ins Lager zu verhindern. Wir errichteten auch ein Cholera-Behandlungszentrum. Unsere Bemühungen waren erfolgreich, und im Lager selbst gab es keinen Ausbruch. Wir behandelten auch mangelernährte Kinder und boten den Flüchtlingen mit mobilen Kliniken medizinische Grundversorgung an.
Die Landschaft ist wunderschön. Das Lager ist von bewaldeten Hügeln und üppiger Vegetation umgeben. Gegenwärtig ist Regenzeit – es regnet jeden Tag, die Einheimischen pflanzen das Getreide an und überall grünt es. Doch die Lebensbedingungen im Lager Nyarugusu sind deswegen nicht weniger hart.
Die Massenunterkünfte bestehen aus Baumstämmen bedeckt mit Plastikplanen und messen je etwa vierzig auf zehn Meter. In jeder dieser Unterkünfte sind rund zweihundert Menschen untergebracht – viele Leute auf wenig Raum. In Wirklichkeit leben die Menschen tagsüber draussen und gehen nur nachts zum Schlafen in die Unterkünfte, wo sie auf dem Boden auf ihren Matten liegen. Unter solchen Bedingungen ist es schwierig, Moskitonetze zu verwenden und Malaria ist ein grosses Problem.
Unser medizinisches Personal hat es auch häufig mit Atemwegsinfektionen zu tun. Ich kam während der Trockenzeit an und da war das ganze Lager mit einer dichten Staubschicht bedeckt. Das machte sowohl den Flüchtlingen als auch unseren Teams zu schaffen.
Wegen der schlechten Hygiene haben wir auch viele Patienten mit Durchfallerkrankungen. Die Latrinen sind ein grosses Problem – sie werden von so vielen Menschen benutzt, dass sie sehr schnell schmutzig werden. Einige kommen auch mit Hautproblemen zu uns, und schliesslich haben wir auch sehr viele schwangere Frauen.
Als sich Nyarugusu immer mehr zu füllen begann, wurden auch Wasser und Nahrungsmittel langsam knapp. Es kam zu Spannungen zwischen den neu angekommenen Burundern und den Kongolesen, die schon seit Jahren dort leben.
Anfang Oktober wurde zwei Stunden entfernt ein neues Lager namens Nduta eröffnet. Bis Ende Dezember soll es noch ein drittes geben.
Nduta nimmt die Flüchtlinge auf, die mit der dritten Welle kamen. Wir sehen vermehrt alleinstehende Mütter, deren Männer in Burundi gefangengenommen oder getötet wurden. Die Ausreise wird immer schwieriger, deshalb hat es unter den Flüchtlingen weniger ältere Menschen.
Die Bedingungen in Nduta sind etwas besser als in Nyarugusu, es hat mehr Familienzelte und die Leute haben mehr Platz. Aktuell leben etwa 30‘000 Menschen hier, das Lager ist aber für die Aufnahme von 50‘000 geplant.
MSF ist die einzige medizinische Organisation in Nduta. Wir haben mobile Kliniken eingerichtet und sind nun dabei, ein Spital aufzubauen. Bis jetzt verfügt dieses über eine ambulante Abteilung, eine Notaufnahme und eine Krankenstation mit 14 Betten und zwei Betten für Intensivpflege – die alle bereits belegt sind.
Von den stationären Patienten leiden die meisten unter schwerer Lungenentzündung, Malaria oder Dehydrierung, es hat aber auch schwangere Frauen mit Infektionen. Soeben haben wir auch eine Entbindungsstation und eine Krankenstation für Frauen eröffnet, diejenige für Männer und Kinder ist auch bald bereit. Wenn der Bau abgeschlossen ist, wird das Spital über 50 Betten verfügen und kann bei Bedarf auf 80 aufgestockt werden.
Vergangene Woche hatten wir ein zwei Monate altes Baby, bei dem Verdacht auf eine Lungenentzündung bestand. Wir fanden heraus, dass es auch einen Herzfehler hat, der eine Operation erfordert. In Europa wäre das ein relativ einfacher Eingriff, aber hier haben wir weder die Ausrüstung noch die chirurgische Kapazität, um diesen durchzuführen. Wir sind nun auf der Suche nach einem Spital, das das Baby behandeln kann.
Wir führen auch Impfungen bei Kindern durch und sind im Bereich Wasser und Abwasser tätig. So bereiten wir das Wasser aus einem nahe gelegenen Fluss auf und stellen sicher, dass genügend sauberes Wasser zur Verfügung steht.
Das Lager Nduta wurde von Grund auf neu gebaut. Dort hatte es zwar bereits ein Flüchtlingslager gegeben, doch das war vor zehn Jahren geschlossen worden. Eine traurige Tatsache ist, dass viele dieser Menschen den Grossteil ihres Lebens Flüchtling waren und immer wieder von einem Land ins andere umzogen. Einige der Neuankömmlinge in Nduta erzählen mir, dass sie schon hier geboren wurden. Die Leute kommen mit diesen harten Lebensbedingungen zurecht, weil sie häufig gar nichts anderes kennen.»