Impfkampagne Tschad: Im Schatten der Mangobäume
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Vom 23. März bis 2. April 2011 hat MSF 204'000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene gegen Meningitis geimpft. Im Bezirk Kélo im südlichen Tschad wird Meningitis aufgrund der Körperhaltung der Erkrankten auch „die Affenkrankheit“ genannt. Sie führt jedes Jahr bei vielen Betroffenen zum Tod oder zu bleibenden Behinderungen.
Bereits im Januar 2011 wurden in Kélo einzelne Fälle von Meningitis registriert. Erst seit Anfang März wird jedoch von einer Epidemie gesprochen, nachdem innerhalb von einer Woche über 45 Fälle gemeldet worden waren. MSF setzte in einem ersten Schritt bei der Unterstützung der Gesundheitseinrichtungen vor Ort an und belieferte diese mit Medikamenten und Material. Da der enorme Andrang von Patienten die Kapazitäten der lokalen Einrichtungen bald einmal überstieg, eröffnete MSF neben dem Hauptspital in Kélo eine weitere Station zur Behandlung der Krankheit. Meningitis ist eine folgenschwere bakterielle Krankheit, die unbehandelt in 50 Prozent der Fälle tödlich endet. Umso wichtiger ist es, die Behandlung so früh wie möglich zu beginnen, um bleibende neurologische Schäden, wie etwa körperliche Behinderungen oder Taubheit, zu verhindern.
Ferner hat MSF in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium eine Kampagne zur Massenimpfung lanciert, um die weitere Ausbreitung der Epidemie zu stoppen. Zwanzig Impf-Teams des Gesundheitsministeriums waren unter Anleitung von drei MSF-Pflegefachkräften unermüdlich im Einsatz, um 204'000 Personen in nur elf Tagen zu impfen. „Die Teams waren hochmotiviert“, erzählt Fanny, eine der Pflegefachfrauen, „und die Bevölkerung war begeistert über unsere Ankunft. Sie warteten jeweils beim vereinbarten Treffpunkt, um sich impfen zu lassen, und oft rannten uns die Kinder freudig entgegen und hiessen uns willkommen. Die Menschen hier haben grosse Angst vor Meningitis.“
Zuerst wurde die Zielbevölkerung der Stadt Kélo geimpft. Danach fuhren die Teams von Dorf zu Dorf um sicherzustellen, dass alle Personen im Alter von zwei bis dreissig Jahren die Impfung erhalten: Bei unter Zweijährigen verleiht der Impfstoff lediglich eine schwache Immunität und bei über Dreissigjährigen treten nur selten Fälle von Meningitis auf. Die Älteren in den Dörfern verstanden nicht immer, warum sie nicht geimpft wurden: „Und wir?“, fragten sie, „Wir wollen auch gegen die Krankheit geschützt sein!“ Aber wenn man ihnen erklärte, weshalb nur die Jungen geimpft werden, hatten sie Verständnis dafür. Sie setzten sich dann auf eine Bank im Schatten der Mangobäume und unterstützten uns bei der Impfung ihrer Kinder. Sie halfen mit, dass alles reibungslos ablief, dass sich die Menschenmengen ruhig verhielten und dass alle geimpft wurden.
Manchmal entdeckten die Teams im Zuge der Impfungen ein Kind, das bereits erkrankt war: Die einfacheren Fälle wurden sofort ambulant behandelt. In sehr komplizierten Fällen, wenn ein Kind schon an Krämpfen litt oder im Koma lag, organisierte MSF den Transfer zur nächsten auf Menigitis spezialisierten Station. Dort werden die Schwerkranken rund um die Uhr medizinisch überwacht. Im Durchschnitt können die Patienten die Meningitis-Station nach rund vier Tagen wieder verlassen. Einige müssen jedoch länger bleiben. Das ärztliche Personal achtet darauf, dass die Patienten vor der Entlassung 48 Stunden fieberfrei sind.
Auf der Meningitis-Station hat es nur wenige Erwachsene. Mehrheitlich sind es Kleinkinder und Jugendliche wie Bryght und Fatima, zwei zwölfjährige Kinder, die seit einigen Tagen in Begleitung eines Familienmitglieds hier sind, welches sie umsorgt. Beide erkrankten kurz nachdem sie geimpft wurden. Ihre Familien fragen sich deshalb, ob die Impfung nicht gewirkt hat.
Die Erklärung dafür ist einfach: Für die beiden kam die Impfung zu spät. Sie hatten sich schon davor angesteckt, denn der Impfstoff ist erst nach rund zehn Tagen wirksam. Glücklicherweise wurde die Krankheit aber schon früh erkannt und konnte rechtzeitig behandelt werden. Die beiden sind, obwohl noch schwach, auf dem Weg der Besserung und haben keine bleibenden neurologischen Schäden zu befürchten.
Seit der Eröffnung der Meningitis-Station am 22. März 2011 wurden hier 47 Patienten behandelt. Bis zum 3. April konnten 27 von ihnen nach Hause zurückkehren. Zwei Patienten sind an den Folgen der Krankheit gestorben.
Die Impfaktion in den 23 Zonen des Einzugsgebiets von Kélo wurde am 2. April abgeschlossen. Das Behandlungszentrum wird jedoch noch für einige Zeit weiterbestehen, um die Erkrankten weiterhin bis zu ihrer Entlassung aus dem Spital zu pflegen und um sicherzustellen, dass die Impfungen den gewünschten Effekt haben und der Epidemie Einhalt gebieten.
Nach zwei arbeitsintensiven Wochen sind die Teams erschöpft, aber glücklich über die vollbrachte Leistung. Sie hoffen, dass die Gegend für die nächsten drei Jahre (Wirkdauer der Impfung) von Meningitis verschont bleibt.
Bis zum 6. April 2011 hat MSF über 607'000 Personen in den Bezirken Laokassi, Moundou, Melfi, Kélo, Benoye und Kroumla geimpft.