Kamerun: Zehntausende auf der Flucht vor Boko Haram

«L’explosion des admissions est un signal d’alerte», affirme Hassan Maiyaki, chef de mission MSF.

Kamerun3 Min.

MSF verstärkt die medizinischen Hilfstätigkeiten für die Flüchtlinge und die einheimische Bevölkerung im Norden Kameruns.

Zehntausende Menschen sind nach Übergriffen von Boko Haram in Nigeria in den Norden Kameruns geflohen und benötigen humanitäre Hilfe, liess heute die internationale medizinische Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) verlauten. Die Organisation verstärkt nun die Hilfstätigkeiten für die Flüchtlinge und die einheimische Bevölkerung.
Täglich treffen zwischen hundert und zweihundert Flüchtlinge aus Nigeria im Lager Minawao im Norden Kameruns ein, wo laut offiziellen Zahlen bereits 45’000 Nigerianer untergekommen sind. Die ständigen Überfälle und gewaltsamen Angriffe von Boko Haram haben auch gegen 90‘000 Kameruner aus dem Grenzgebiet zu Nigeria in die Flucht getrieben.
«Die Mitglieder von Boko Haram brannten unser Haus nieder und stahlen unsere Kühe und unseren gesamten Besitz», erzählt der 45-jährige Samuel aus Nigeria. «Sie entführten meine Frau und zwei meiner Kinder und hielten sie in einem ihrer Gefängnisse fest. Meine Frau konnte fliehen und probiert nun, mir nach Minawao zu folgen, aber von meinen Kindern habe ich nichts gehört. Ich weiss nicht einmal, ob sie noch leben.»

Regenzeit, Malaria und Mangelernährung

Wochen oder Monate nach ihrer Flucht sind viele Flüchtlinge oder Vertriebene sehr geschwächt. Sie haben keine richtige Unterkunft, nicht genügend Nahrung und kaum Zugang zu medizinischer Pflege.
Die schlechten Lebensbedingungen stellen eine weitere Bedrohung dar in einer Region, die regelmässig von Ernährungsunsicherheit betroffen ist und in der die Menschen nur begrenzt Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Mit dem Beginn der Regenzeit haben die medizinischen MSF-Teams vermehrt Patienten mit Malaria. Auch in den Ernährungsprogrammen der Organisation wurden deutlich mehr Menschen aufgenommen, da die Menschen nach ihrer Flucht nicht in ihren Feldern arbeiten können und dadurch weder anbauen noch ernten können. Seit Mai hat sich die Zahl der mangelernährten Kinder im therapeutischen Ernährungszentrum von MSF mehr als verdreifacht.
«Die steigenden Zahlen in unseren Ernährungsprogrammen sind ein erstes Warnsignal», sagt Hassan Maiyaki, Landeskoordinator von MSF. «Wir bauen unsere Kapazitäten im Spital in Mokolo weiter aus, damit wir mehr mangelernährte Kinder behandeln können. Wir werden auch im Spital in Kousseri intensive Ernährungshilfe anbieten.»

Gross angelegte Impfkampagne gegen Cholera

Fast jedes Jahr kommt es in Kamerun zu Choleraausbrüchen, aber die Flüchtlinge sind wegen der engen Lebensbedingungen und des mangelnden Zugangs zu sauberem Wasser besonders gefährdet. Am 18. August startete MSF in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium deshalb eine Massenimpfkampagne gegen die über das Wasser übertragene Krankheit. Während dieser Kampagne, die einen Monat laufen wird, sollen ungefähr 58‘000 nigerianische Flüchtlinge und Kameruner, die in und um Minawao leben, geschützt werden. Gleichzeitig werden die 28-köpfigen Teams auch etwa 14‘600 Frauen im gebärfähigen Alter gegen Tetanus impfen und alle Kinder unter fünf Jahre auf akute Mangelernährung untersuchen.
Das Lager Minawao liegt in einer wüstenähnlichen Region, in der Wasser Mangelware ist. MSF stellt ungefähr 55 Prozent der Wasserversorgung im Lager sicher. Die Organisation transportiert das Wasser mit speziellen Wasserlastwagen aus der rund 40 Kilometer entfernten Stadt Mokolo. Die Flüchtlinge haben derzeit im Schnitt 16 Liter Wasser pro Tag zur Verfügung, doch aufgrund der steten Ankunft von neuen Flüchtlingen aus Nigeria werden immer höhere Wassermengen benötigt.
MSF arbeitet seit 1984 in Kamerun. Im Norden des Landes bietet die Organisation medizinische Grundleistungen, die Behandlung von Mangelernährung und psychologische Betreuung im Lager Minawao, kinderärztliche Leistungen und Ernährungshilfe im Spital in Mokolo sowie chirurgische Unterstützung, Ernährungshilfe und kinderärztliche Leistungen im Regionalspital in Kousseri. Nach zwei Selbstmordattentaten im Juli 2015 in Maroua unterstützte MSF auch die lokalen Behörden bei der Behandlung der Verletzten. In Batouri, im Osten Kameruns, bietet die Organisation Flüchtlingen aus Zentralafrika und der einheimischen Bevölkerung die Behandlung von Mangelernährung an. Gegenwärtig sind für MSF in Kamerun insgesamt 574 internationale und kamerunische Mitarbeiter im Einsatz.