Libanon: Die Geschichte des jungen Mahmud, der allein nach Tripoli kam
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Die MSF-Ärztin Afoie Doran berichtet von ihrer Arbeit aus Tripoli im Libanon. Ihr Einsatzort befindet sich ungefähr dreissig Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, wo sich Zehntausende Syrer nach der Flucht aus ihrem Land niedergelassen haben.
Die Familien, die aus Syrien eintreffen, haben enorme soziale und finanzielle Bedürfnisse. Eine andere Gruppe von Opfern dieses tragischen, gnadenlosen Krieges sind junge Männer, die allein auf der Flucht sind. Viele von ihnen gerieten in eine Spirale der Gewalt und mussten sich aus Angst um ihr Leben in den Libanon retten. Sie suchen einen Zufluchtsort und brauchen häufig dringend medizinische Hilfe. Einer dieser Männer ist Mahmud, fünfundzwanzig Jahre alt und eigentlich sehr lebensfroh. Er führte in Syrien ein normales, aktives Leben, bis er in die Kämpfe hineingezogen wurde.
Spital unter Beschuss
Eine Kugel traf Mahmud ins Bein und zerschmetterte seinen Oberschenkelknochen. In einem Spital in Syrien wurde ihm gesagt, dass er eine langwierige Behandlung mit einer grossen Operation benötigte. Doch kurz nach seiner Aufnahme gerieten das Spital und die Umgebung unter Beschuss. Das Spital wurde sofort geschlossen und die Patienten evakuiert. Glücklicherweise gelang es Mahmud, den Libanon zu erreichen. Dort erhielt er aber nicht die medizinische Versorgung, die er benötigte. Fortbewegen konnte er sich nur mithilfe eines Gehrahmens. Er suchte Zuflucht in der Stadt Tripoli und mietete ein kleines Zimmer in einem baufälligen Haus. Um Geld zu verdienen, begann er als Strassenhändler Schrauben und Muttern zu verkaufen.
Da er starke Schmerzen hatte und kaum gehen konnte, suchte er das staatliche Spital in Tripoli auf und wurde dort in der Notaufnahme untersucht. Sein Zustand hatte sich erheblich verschlechtert: Die Infektion hatte sich im Knochen und im Muskelgewebe des Beins ausgebreitet. Eine Operation war dringend nötig.
Intensive Nachbetreuung nötig
MSF organisierte die Aufnahme ins Spital für die dringend notwendige Behandlung. Als Mahmud mit dem Sozialdienst von MSF sprach, brach er in Tränen aus. Es war das erste Mal seit der Schiesserei in Syrien, dass er weinen konnte.
Er erzählte von zu Hause und sagte, dass er sich vor allem Sorgen um seine Mutter macht, die noch immer inmitten der anhaltenden Gewalt lebt. Er sprach auch von seinem Bruder, der von Milizen irgendwo in Syrien gefangen gehalten wird. Seit Monaten hat niemand mehr etwas von ihm gehört. Mahmud erzählte uns, dass er nach seiner Entlassung aus dem Spital wieder Schrauben und Muttern in den Strassen von Tripoli verkaufen will. Er kann nicht weiter vorausplanen, denn seine Zukunft ist völlig ungewiss. Sicher ist nur, dass er sehr intensive psychologische und medizinische Betreuung benötigen wird, wenn er aus dem Spital kommt. Und MSF wird sich dafür einsetzen, dass er diese erhält.