Libanon: Flüchtlingsstrom aus Syrien und Verschärfung des lokalen Konflikts in Tripoli
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In Tripoli unterstützt MSF mehrere medizinische Einrichtungen, die wegen dem Krieg in Syrien und den Auseinandersetzungen zwischen zwei Stadtteilen überlastet sind.
Tripoli, die zweitgrösste Stadt des Libanon, nur 30 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, sieht sich mit einem bedeutenden Flüchtlingsstrom aus Syrien konfrontiert. Über 42‘000 Syrer haben in der Stadt Zuflucht gefunden. Sie leben hier mit 500‘000 Libanesen und palästinensischen Flüchtlingen der Lager Baddawi und Nahr el-Bared.
Seit Beginn der Krise in Syrien werden im staatlichen Spital von Tripoli zahlreiche verwundete Syrer behandelt. „Dieses Spital ist sehr wichtig, um die medizinischen Notfälle unter der libanesischen Bevölkerung, den Palästinensern und den syrischen Flüchtlingen abzudecken. Der Bedarf ist enorm“, erklärt Dr. Rachid Khaldoun, Notfallarzt von Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF). Seit Mai 2012 unterstützt MSF den Notfalldienst mit Geräten und medizinischem Material sowie mit Arbeitskräften und bei der Personalausbildung.
Zurzeit werden im Spital durchschnittlich 1’730 Personen pro Monat aufgenommen, darunter jeweils ungefähr 20 verwundete Syrer und mehr als 340 Flüchtlinge wegen medizinischer und pädiatrischer Notfälle. Zudem herrscht in den Vierteln Bab el-Tabbaneh und Jabal Mohsen seit mehreren Jahrzehnten ein Konflikt zwischen Sunniten und Alawiten, der sich in den letzten zwei Jahren durch den Krieg in Syrien weiter verschärft hat. Nach den neusten Auseinandersetzungen wurden zwischen dem 19. und 28. Mai insgesamt 102 Verwundete im Spital aufgenommen.
Wachsende medizinische Bedürfnisse
Die am meisten benachteiligten Viertel von Tripoli, Jabal Mohsen und Bab el-Tabbaneh, verfügen nur über einen eingeschränkten Zugang zur Versorgung. Aus diesem Grund führt MSF dort in zwei Kliniken Sprechstunden im Bereich der Grundversorgung durch, bietet technische Unterstützung an und liefert Medikamente und medizinisches Material.
Im Spital Dar al-Zahraa in einem anderen Stadtteil hat MSF im Februar 2012 eine Klinik eröffnet, um die medizinischen Bedürfnisse der Flüchtlinge sowie der bedürftigsten Libanesen abzudecken. Ein Arzt und zwei Pflegefachleute bieten dort kostenlose Behandlungen an. Durch den wachsenden syrischen Flüchtlingsstrom im Norden des Libanon kann die Zahl der täglichen Konsultationen bisweilen bis auf 70 steigen.
„Die Mehrheit der syrischen Patienten kommt wegen chronischer oder akuter medizinischer Probleme“, erzählt Dr. Maha Naja von MSF. „Die Medikamente sind teuer und schwer zugänglich für die Flüchtlinge, deren Gesundheit durch den Krieg zweitrangig geworden ist. Vorrang haben noch dringendere Bedürfnisse wie Wasser oder Nahrung. Wir haben viele Patienten mit chronischen Krankheiten, deren Zustand sich stark verschlechtert hat, weil sie ihre Therapien unterbrechen mussten.“
Andere Erkrankungen wie etwa dermatologische oder ernährungsbedingte sind auf die schlechten Lebensbedingungen zurückzuführen. Auch die engen Wohnverhältnisse und die finanziellen Nöte der Flüchtlinge tragen dazu bei.
„Die medizinischen und sozialen Bedürfnisse der Flüchtlinge sind gross. Wir beobachten vermehrt Inkontinenz bei Kindern und andere Krankheiten, die mit der psychischen Verfassung der Patienten zusammenhängen. Familien, die engste Angehörige verloren haben, sind traumatisiert, was sich auf ihre Krankheiten auswirken kann. Für eine Mutter, die ihren Sohn verloren hat, ist das Einnehmen von Medikamenten gegen ihre chronische Krankheit zweitrangig.“
Depressionen und Angststörungen
In einigen Fällen werden Patienten an die psychologische Klinik von MSF im staatlichen Spital in Tripoli überwiesen. Ein Psychiater und eine Psychotherapeutin bieten den Opfern des lokalen Konflikts sowie den syrischen und palästinensischen Flüchtlingen Beratungen und bei Bedarf medikamentöse Behandlungen an. Sozialarbeiter von MSF besuchen libanesische Haushalte sowie syrische Familien, die in Kellern, Läden und Garagen Unterschlupf gefunden haben und unter schwierigen Bedingungen leben.
„Die Mehrheit unserer Patienten haben Symptome einer Depression oder Angststörung“, berichtet Layal Rahhal, Psychotherapeutin von MSF. „Der lokale Konflikt übt einen enormen Druck auf die Menschen aus. Sie haben Angst aus dem Haus zu gehen. Einige weigern sich hierher zu kommen, obwohl wir direkt um die Ecke sind, weil sie Angst haben, dass auf sie geschossen wird.“
Die Aktivitäten von MSF in Zahlen
MSF ist seit Januar 2012 in Tripoli im Einsatz. Das Team besteht aus 42 Personen, darunter 37 nationale und fünf expatriierte Mitarbeiter. Bis Ende April 2013 hatte MSF 16‘991 Konsultationen durchgeführt. Diese umfassten Behandlungen von akuten und chronischen Krankheiten, Impfungen und die perinatale Versorgung sowie 1’582 psychosoziale Betreuungen.