"Mein Enkel ist ein Kämpfer!" – Behandlung von Kindern mit medikamentenresistenter Tuberkulose in Swasiland

«Je déteste ces médicaments, ils sentent très mauvais et certaines des pilules sont vraiment grosses.»

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Senzo ist sieben Jahre alt und lebt allein mit seiner Grossmutter in Mgazini, in der Region Matsanjeni, im südlichen Swasiland. Er ist HIV-positiv und seit gut fünf Monaten im Spital “Our Lady of Sorrows” im Distrikt Shiselweni in Behandlung wegen multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB).

Jeden Morgen nimmt der siebenjährige Senzo den Bus zum örtlichen Spital, wo er seine tägliche Injektion erhält. Die Injektion ist Bestandteil der komplexen, zwei Jahre andauernden Behandlung, die Senzo auf sich nehmen muss, um die medikamentenresistente Form von Tuberkulose zu bekämpfen.
Zusätzlich zur Injektion nimmt Senzo jeden Tag 14 Tabletten ein. Es ist nicht leicht für ihn, sie alle zu schlucken, denn einige riechen sehr unangenehm.
„Ich hasse die Medikamente, sie schmecken widerlich und viele sind ausserdem sehr gross. Ich musste immer weinen, wenn es wieder Zeit war, eine dieser Tabletten zu schlucken. Ich nehme sie nur, weil ich gesund werden will”, sagt Senzo.
Die Medikamente führen manchmal auch zu unangenehmen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall. Das macht es für viele Kinder noch schwieriger, sich in ihrer Not mitzuteilen.

Keine kindgerechten Medikamente erhältlich 

Die Behandlung von medikamentenresistenter Tuberkulose (DR-TB) ist auch bei Erwachsenen sehr komplex. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht für Senzo jedoch darin, dass es keine speziell für Kinder entwickelte Medikamente gibt. So müssen Betreuungspersonen zu den Rezepturen für Erwachsene greifen und die Dosierung für die Kinder anpassen, indem sie die Tabletten zerkleinern. Das alles macht die Herausforderung noch grösser, wie Senzos Grossmutter erzählt:
„Es ist schwierig, die Tabletten zu zerteilen. Ich lege sie jeweils auf mein Schneidebrett und zerstückele sie einzeln mit meinem grossen Messer. Einige der Medikamente haben einen sehr unangenehmen Geruch. In der Selbsthilfegruppe habe ich jedoch gelernt, was man dagegen tun kann: Ich schäle eine Orange, gebe meinem Enkel die Schale in die Hand und lege die Tabletten drauf – so werden sie problemlos geschluckt. Bevor ich das so machte, musste er ständig erbrechen.“
Die bis zu zwei Jahre andauernde Behandlung, die Komplexität und die starken Nebenwirkungen stellen zusammen eine gewaltige Herausforderung dar, sowohl für das Kind als auch für die Betreuungsperson. Die Ärztin Marcella Tomassi ist für MSF im TB-Projekt in der Region Shiselweni im Einsatz. Für sie ist klar, dass bei den Behandlungsmethoden für Kinder noch viel Handlungsbedarf besteht:
„Mein Wunsch für Kinder mit DR-TB wäre es, auf die täglichen Injektionen verzichten zu können und Medikamente zu haben, die speziell für Kinder entwickelt wurden. Längerfristig brauchen wir zudem neue Strategien wie etwa eine kürzere Behandlungsdauer. Das würde die Situation für die Kinder sehr erleichtern.“

Diagnose von medikamentenresistenter Tuberkulose problematisch

Die Anzahl Kinder, die zurzeit wegen MDR-TB in Behandlung sind, ist relativ niedrig. Ein Hauptgrund liegt darin, dass die Diagnose der Krankheit bei Kindern sehr schwierig ist. Für die Diagnosetests werden Sputumproben benötigt, die tief aus den Lungen kommen. Für kleine Kinder ist es schwierig, solchen Auswurf auszuhusten. Stattdessen spucken sie meist nur wässerigen Speichel aus. Das medizinische Personal muss daher für eine aussagekräftige Probe zu anderen Methoden greifen, wie Yvonne Madwabarara, Pflegefachfrau im TB-Spital, beschreibt:
„Es ist schwierig, von Kindern eine Sputumprobe zu bekommen. Häufig sind wir deshalb zu einer Magenspülung gezwungen. Das heisst, wir schieben einen Schlauch bis in den Magen des Kindes vor, um Sputum entnehmen zu können. Das ist sehr unangenehm und führt manchmal dazu, dass das zum Pflegepersonal aufgebaute Vertrauen wieder verloren geht.“
Auch mit dieser und anderen Techniken ist es bei vielen Kindern noch immer nicht möglich, zu einer verwertbaren Sputumprobe zu gelangen. Das bedeutet unter Umständen, dass sie nicht behandelt werden. Die vielfältigen Probleme bei der Diagnose und der Behandlung von medikamentenresistenter Tuberkulose führen insgesamt dazu, dass viele Kinder nicht angemessen versorgt werden. Dies muss sich ändern.
Senzo ist derweil fest entschlossen, seine Behandlung zu Ende zu bringen, damit er danach seine Träume verwirklichen kann. Er möchte Automechaniker werden und seine Grossmutter unterstützen, die sich so gut um ihn gekümmert hat. Diese will Senzo, mit Hilfe des MSF-Betreuungspersonals, während dieser schwierigen Zeit nach Kräften unterstützen. Die Grossmutter und ihr Enkel sind ein starkes Team:
„Meinem Enkel steht noch ein langer und beschwerlicher Weg bevor. Aber er ist ein Kämpfer. Bis zum Behandlungsende sind es noch etwa 18 Monate. Senzo ist ein schlauer Junge. Er ist es, der mich daran erinnert, dass es Zeit für die Medikamente ist, wenn der Wecker klingelt oder wenn am Radio die Nachrichten kommen. Er ist ein verantwortungsbewusster Junge.“
MSF behandelt in Swasiland zurzeit 26 Kinder mit medikamentenresistenter Tuberkulose. Seit November 2007 wurden fast 300 Patienten ins DR-TB-Programm in Shiselweni aufgenommen. Gemäss den Tests, die 2009 und 2010 in Swasiland durchgeführt wurden, leiden rund 20 Prozent der TB-Patienten an einer medikamentenresistenten Form der Krankheit.