Mogadischu: ein neues Spital entsteht

Les déplacés ont construit des huttes collées les unes aux autres avec ce qu’ils trouvaient.

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Der Schweizer Patrick Hafner berichtet von seinem Noteinsatz mit MSF in der somalischen Hauptstadt Mogadischu, wo die Organisation auf den Zustrom von Vertriebenen reagierte.

Aufgrund des enormen Bedarfs der somalischen Bevölkerung beschloss MSF Anfang August, die Aktivitäten in Mogadischu zusätzlich zu verstärken. Die humanitäre Nothilfeorganisation war schon seit mehreren Jahren in der somalischen Hauptstadt aktiv, doch seit 2008 arbeiteten keine internationalen Mitarbeiter mehr vor Ort. Der Logistiker Patrick Hafner flog zusammen mit drei weiteren Kollegen nach Mogadischu, mit dem Ziel, ein neues Spital aufzubauen. Bei seiner Rückkehr Ende August erzählte er von seinen Erfahrungen.

Wie sah es bei Ihrer Ankunft in Mogadischu aus?

Patrick Hafner: Am Sonntag 31. Juli erhielt ich einen Anruf von MSF, am nächsten Tag sass ich schon im Flugzeug nach Kenia. Am 3. August landeten wir auf dem stark bewachten Flughafen von Mogadischu. Wir fuhren direkt ins Hotel, das nur wenige Minuten vom Flughafen entfernt liegt. Am folgenden Tag besuchten wir das erste Vertriebenenlager. In den letzten Wochen sind schätzungsweise 100’000 Somalier auf der Suche nach Hilfe in die Hauptstadt geströmt. Die Menschen haben aufgrund der Trockenheit alles verloren, und dann haben sie sich trotz der Kämpfe und der ständigen Gefahr in die Hauptstadt durchgeschlagen.
An den Häusern sind die Spuren des Krieges zu sehen, es gibt keinen Quadratmeter Mauer ohne Schusslöcher. In diesem durchlöcherten Stadtgefüge harren die Menschen aus, jedes freie Plätzchen ist von Vertriebenen besetzt.

Wie war die Lage in den Vertriebenenlagern?

Im Sektor, wo MSF arbeitet, gibt es Dutzende Lager. Im ersten, das wir besuchten, leben etwa 1’000 Menschen, zumeist Frauen und Kinder. Die Vertriebenen bauen sich behelfsmässige Hütten mit dem Material, das sie gerade finden. Sie leben zusammengepfercht unter prekärsten Bedingungen. Im ersten Lager haben die Vertriebenen selber 30 Latrinen für die 1’000 Bewohner ausgehoben, in anderen Lagern hingegen gibt es gar keine sanitären Einrichtungen. Das Trinkwasser ist sehr knapp und die Abfälle türmen sich. Sollte hier eine Choleraepidemie ausbrechen, würde sie sich in Windeseile ausbreiten.

Wie geht MSF in so einem Kontext vor?

Wir haben sofort eine Impfkampagne gegen Masern gestartet, denn diese Krankheit kann durchaus tödlich verlaufen. Bis anhin konnte MSF in der Hauptstadt 16’000 Kinder impfen. Bevor unsere Teams eintrafen, waren Aufklärer in den Lagern unterwegs, um die Bevölkerung zu sensibilisieren. Es ist nicht einfach, die Familien davon zu überzeugen, ihr Kind impfen zu lassen. Das somalische Gesundheitssystem ist vor 20 Jahren zusammengebrochen und die Menschen sind sich keine Impfungen mehr gewohnt. MSF verteilt zudem Plastikplanen und Seifen, um die Hygienebedingungen zu verbessern.
Ein weiteres Team untersucht die Kinder auf eine allfällige Mangelernährung. Dazu werden der Oberarmumfang und das Verhältnis von Körpergrösse und Gewicht gemessen. Die Zahl der Mangelernährungsfälle variiert stark von einem Lager zum anderen, durchschnittlich waren 15 Prozent der untersuchten Kinder davon betroffen. Die Vertriebenen verfügen über ein wenig Nahrung, nachdem verschiedene Hilfsorganisationen Lebensmittel verteilt haben. MSF ihrerseits verwendet eine spezielle nährstoffreiche Paste, die sich insbesondere für die Behandlung von mangelernährten Kindern eignet.

Worin bestand Ihre Arbeit konkret?

Meine Hauptaufgabe war es, im einzigen vom Krieg verschonten Viertel der Stadt ein vierstöckiges Gebäude am Hafen herzurichten, das wir für den Aufbau unseres Spitals und gleichzeitig als Unterkunft für unser Team ausgewählt hatten. Es ist trotz der Entfernung zur Front sehr gefährlich, sich in Mogadischu zu bewegen, deshalb haben wir beschlossen, die Mitarbeiter direkt im Spitalgebäude einzuquartieren.
Die grösste Herausforderung lag darin, das Spital zu sichern. Wir mussten aber auch die Stromversorgung wieder einrichten, insbesondere um die Kühlkette für die Impfstoffe und Medikamente aufrecht zu erhalten. Das medizinische Material wurde Mitte August eingeflogen. Nachdem wir alles ausgeladen und die Apotheke eingerichtet hatten, schulten wir die somalischen Angestellten, die fortan für die Lagerbestände verantwortlich sind. Einen Teil des Materials kauften wir vor Ort. Ein somalischer Mitarbeiter ging auf die Märkte, um sich ein Bild über die lokalen Preise zu machen, und die Lieferanten kamen später zu uns zum Verhandeln. Wir waren nur wenige internationale Mitarbeiter, der Grossteil der Arbeit wurde vom somalischen Personal übernommen.

Wo steht das MSF-Projekt jetzt, seit Sie wieder in der Schweiz sind?

Das Spital hat mittlerweile eine Abteilung mit 40 Betten eröffnet, wo die am schwersten mangelernährten Kinder intensiv behandelt werden. Die ersten Patienten wurden am 24. August aufgenommen. Vorgesehen ist auch eine Station für Pädiatrie und eine Abteilung für die schwersten Masernfälle. Patienten mit Verdacht auf Cholera werden an ein anderes Behandlungszentrum von MSF überwiesen. Unser Gebäude ist zu klein, als dass wir hoch infektiöse Cholerafälle isolieren könnten. In den Auffanglagern werden die Impfkampagnen fortgesetzt, und auch die mobilen Kliniken bleiben in Betrieb.
MSF arbeitet seit 1991 in Somalia. Gegenwärtig bietet die Hilfsorganisation in acht Regionen des Landes eine medizinische Versorgung an. Über 1’400 somalische Angestellte sowie etwa 100 Mitarbeiter in Nairobi stellen den Menschen eine kostenlose medizinische Grundversorgung, chirurgische Eingriffe und eine Behandlung gegen Mangelernährung zur Verfügung. Die Vertriebenen werden in neun Lagern im Süden und im Zentrum Somalias mit medizinischen Diensten, Trinkwasser und Hilfsgütern versorgt. Zudem unterstützt MSF die somalischen Flüchtlinge in Kenia (in den Lagern Dagahaley und Ifo) und in Äthiopien (im Lager Liben).