MSF in der Provinz Orientale: Zehn Jahre medizinische Nothilfe
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Seit zehn Jahren ist MSF in der Provinz Orientale permanent vor Ort. Die Organisation blickt auf ein Jahrzehnt mit enormem Hilfsbedarf der Bevölkerung und einem breiten Spektrum medizinischer Tätigkeiten zurück.
Die Fragen beantwortet Fred Meylan, MSF-Projektleiter in der Demokratischen Republik Kongo.
Wie hat sich die humanitäre Lage seit dem ersten Einsatz in der Provinz Orientale entwickelt?
Als Erstes stellen wir fest, dass es nach wie vor die Zivilbevölkerung ist – vor allem Frauen und Kinder –, die am meisten unter dem Konflikt im Osten Kongos zu leiden hat. Die heftigen Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den Milizen, die Ende August 2013 im Gebiet um Geti in Süd-Irumu ausgebrochen sind, haben die Lage weiter verschärft. In dieser Region leben derzeit mehrere Zehntausend Vertriebene. Genau aus diesem Grund hatte MSF 2006 in Geti den ersten Einsatz durchgeführt.
An den wiederholten Malaria- und Masern-Epidemien der letzten zwei Jahre lässt sich zudem ablesen, wie schwierig für die meisten Kongolesen der Zugang zu medizinischer Versorgung geworden ist und wie wenig das vorhandene Präventionssytem greift. In einigen Gebieten war 2012 ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren mit Masern infiziert, und mehr als jedes zehnte Kind ist an Malaria gestorben.
Was hat MSF in den vergangenen zehn Jahren hier unternommen?
Die medizinischen Tätigkeiten mussten immer wieder an den Bedarf der Bevölkerung angepasst werden. In den letzten zehn Jahren waren wir in ganz unterschiedlichen Bereichen tätig. Unsere Tätigkeiten umfassten sowohl Kriegschirurgie, psychologische Betreuung als auch medizinische Grundversorgung, aber auch die Unterstützung von Vertriebenen sowie die Betreuung von Opfern sexueller Übergriffe. Weiter leisteten wir Soforthilfe bei Epidemien, unterstützten Notfall- und Pädiatrie-Abteilungen, betreuten Menschen mit HIV/Aids und bekämpften die Schlafkrankheit.
Es ist schwer abzuschätzen, was die Einsätze von MSF letztlich bewirkt haben, aber ein paar Zahlen können einen Eindruck vermitteln, welche Anstrengungen die Teams in diesen zehn Jahren unternommen haben. So wurden in den Spitälern und Gesundheitszentren sowie in den provisorischen Einrichtungen, die MSF in der Provinz aufgebaut hat, insgesamt über eine Million Sprechstunden abgehalten. Über 120‘000 Patienten wurden stationär behandelt und 38‘000 chirurgische Eingriffe wurden vorgenommen. Annähernd 12‘000 Opfer sexueller Gewalt erhielten eine umfassende medizinische wie auch psychologische Betreuung und wurden sowohl juristisch als auch in finanziellen Fragen beraten. Seit Beginn des Kampfes gegen die Schlafkrankheit wurden insgesamt 200‘000 Menschen getestet, 5‘500 erhielten eine Behandlung.
Was waren die grössten Schwierigkeiten bei den Einsätzen?
In einem Land wie der DR Kongo ist eine der grössten Herausforderungen, den Zugang zur medizinischen Versorgung sicherzustellen. Die medizinische Nothilfe in einem Konfliktgebiet birgt grosse Risiken. Unsere Teams hatten oft mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen. In Geti leisten sie derzeit mitten im Kampfgebiet eine bemerkenswerte Arbeit. MSF kann in dieser Zone nur deshalb Hilfe leisten, weil beide Konfliktparteien wie auch deren Angehörige von der kostenlosen und professionellen Versorgung profitieren und die Präsenz der Organisation deshalb akzeptieren. MSF kümmert sich ungeachtet der ethnischen, religiösen oder politischen Zugehörigkeit oder des Geschlechts um die hilfsbedürftige Bevölkerung. Die Organisation wird deshalb als eine Art Schutzschild betrachtet.
Auch die Logistik stellt die MSF-Teams immer wieder vor Herausforderungen. Ohne organisierten Nachschub wäre es unmöglich, die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten. In den abgelegenen Gebieten, die oft als unzugänglich eingestuft werden, haben die Teams Versorgungsketten eingerichtet, um die Medikamente und das nötige medizinische Material in die Einrichtungen zu transportieren. Die Medikamente beispielsweise werden in Europa eingekauft. Nicht selten braucht es sechs oder sieben verschiedene Transportmittel, bis eine Tablettenpackung ihr Ziel erreicht hat: Lastwagen, Zug, Flugzeug, Auto, Schiff, Motorrad, Velo … Und wenn die Bestellung dringend ist, muss dieser Transport manchmal in sehr kurzer Frist erfolgen.
Wie sehen die derzeitigen Tätigkeiten aus?
MSF führt in der Provinz Orientale bei Bedarf weiterhin Notfall-Einsätze durch und betreibt verschiedene Projekte in Dingila. In Geti haben wir unsere medizinischen Tätigkeiten ausgebaut, um auch die neu angekommenen Vertriebenen versorgen zu können. Unsere Priorität für 2013 war, die Sterblichkeit in den Spitälern zu senken, was durch eine Unterstützung der Notfallabteilung und der Intensivpflege in den Spitälern von Geti und Dingila erreicht werden konnte. Im Gesundheitsdistrikt Ganga-Dingila ging es vor allem darum, die Schlafkrankheit einzudämmen. In der Stadt Bunia steht ein Notfallteam bereit, das schnell in den Distrikten Uélé und Ituri eingreifen kann. MSF bietet darüber hinaus der Bevölkerung der gesamten Provinz im Rahmen der Möglichkeiten weiterhin eine medizinische Grundversorgung an.