«Niemand braucht an Cholera zu sterben»
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Im Jahr 2012 war MSF zur Bekämpfung von Cholera in Guinea, Guinea-Bissau und in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) aktiv. Im Folgenden ein Überblick über die Krankheit.
Dr. Esther Sterk ist Spezialistin für tropische Krankheiten bei Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF). Sie hat regelmässig mit Cholera zu tun.
Was ist das Besondere an Cholera?
Das Cholerabakterium ist in Afrika endemisch, und MSF führt dort häufig Einsätze zur Bekämpfung eines Choleraausbruchs durch. 2012 waren wir z.B. in Guinea, Guinea-Bissau und in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) aktiv. Es war jedoch 2010 in Haiti, wo wir gesehen haben, wie verheerend eine Choleraepidemie sein kann. Da die Krankheit auf der Insel zuvor nicht bekannt war, waren die Bewohner überhaupt nicht immun und kannten weder die Übertragungswege noch wussten sie, wie sie einer Infektion vorbeugen konnten. Dabei sind grundlegende Vorsichtsmassnahmen wie Händewaschen ausreichend, um sich zu schützen. Aus diesem Grund spielen bei der Bekämpfung einer Epidemie Kommunikation und Sensibilisierung solch eine wichtige Rolle.
Das Cholerabakterium kommt in schmutzigen und stehenden Gewässern vor. Bei einer Epidemie verbreitet sich die Krankheit im Wesentlichen von Mensch zu Mensch über kontaminiertes Wasser, indem Trinkwasser oder Lebensmittel eingenommen werden, die von Fäkalien oder Erbrochenem der Erkrankten verseucht sind. Auch Betroffene mit wenig oder gar keinen Symptomen sind ansteckend. Begünstigt wird Cholera durch schlechte Hygiene, fehlende Abwasserreinigung oder die Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen. Nach dem Erdbeben im Januar 2010 in Haiti waren die Bedingungen folglich ideal, damit sich die Krankheit wie ein Lauffeuer verbreiten konnte. Ungefähr 6 Prozent der Gesamtbevölkerung waren von der Cholera betroffen, und mehr als 7’500 Haitianer starben daran.
Wie geht MSF bei einer Choleraepidemie vor?
Wir isolieren und behandeln die Kranken. Das Bakterium greift den Verdauungsapparat an, was dazu führt, dass der Darm aussergewöhnlich viel Wasser absondert, das anschliessend in Form von sehr wässrigem Durchfall und Erbrochenem ausgeschieden wird. Dies hat sehr schnell eine akute Dehydrierung zur Folge. Ein Patient mit Cholera kann am Tag bis zu 25 l Wasser verlieren. Dieser massive Wasserverlust kann sehr rasch zum Schock und gar zum Tod führen. Die Sterblichkeit kann ohne Behandlung bis zu 50 Prozent betragen, bei adäquater Behandlung sinkt sie hingegen bis auf unter 2 Prozent.
Niemand sollte an Cholera sterben müssen, denn die Behandlung ist einfach und sehr wirksam. Der Patient muss rehydriert werden, damit das verlorene Wasser und die verlorenen Elektrolyte (wie Natrium und Kalium) ersetzt werden. Dafür verwendet man oral einzunehmende Lösungen oder in schwereren Fällen Infusionen. Das Problem ist, dass die Menschen häufig keinen Zugang zu Versorgung in ihrer Nähe haben. Ich erinnere mich, wie zu Beginn der Epidemie in Haiti Menschen ihre kranken Angehörigen die Strassen entlang in die Gesundheitseinrichtungen trugen. Als Reaktion darauf haben wir in abgelegenen Gegenden zahlreiche Rehydrierungsstellen eingerichtet. Die schlimmsten Fälle wurden von Ambulanzen in Behandlungszentren gebracht.
Bei der Behandlung der Cholera werden die Symptome der Krankheit bekämpft, wie z.B. der Flüssigkeitsmangel, der tödlich sein kann. Nach einer Weile scheidet der Körper das Bakterium von selbst aus. Nach der Heilung sind die Patienten während drei Jahren immun gegen die Krankheit.
Im Frühling 2012 hat MSF erstmals eine Impfung zur Verhinderung einer Choleraepidemie eingesetzt. Ist das die Zukunft im Kampf gegen die Krankheit?
Die Impfung ist ein neues Mittel zur Bekämpfung der Cholera, aber es ist nicht die alleinige Lösung, denn die präventive Wirkung ist zeitlich begrenzt. Am wichtigsten sind Verbesserungen bei der Trinkwasserversorgung und bei den sanitären Einrichtungen, um das Ansteckungsrisiko zu verringern. Die benötigten Massnahmen beinhalten die Bereitstellung von Wasser guter Qualität, die Förderung alltäglicher guter Hygienepraktiken (Hände waschen, Nahrungsmittel abkochen, Hygiene im Haushalt beachten), die Einrichtung von Latrinen, die eine hygienische Ausscheidung von Exkrementen ermöglichen, sowie die Reinigung von Abwässern. Investitionen in diesem Bereich lohnen sich langfristig sehr und verhindern gleichzeitig andere Krankheiten, die durch das Wasser übertragen werden, wie Typus, Salmonellen oder Ruhr.
MSF hat ausserdem eine spezielle Behandlung für schwangere Frauen entwickelt, da wir festgestellt hatten, dass diese während einer Choleraerkrankung sehr häufig ihr ungeborenes Kind verloren haben.