Südsudan: Eine Notsituation folgt der anderen

Dans l’Etat du Haut-Nil, MSF vient en aide aux réfugiés chassés par les combats au Soudan, de l’autre côté de la frontière.

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Sechs Monate, nachdem der Südsudan ein unabhängiger Staat geworden ist, wird das Land von mehreren Krisen geplagt, die dringend humanitäre Massnahmen verlangen. MSF hat die Aktivitäten im Bundesstaat Upper Nile bereits erweitert und auf Notbetrieb umgestellt, um den Zustrom von Tausenden Flüchtlingen zu bewältigen, die vor dem Konflikt im benachbarten Sudan fliehen.

In der Umgebung der Stadt Agok im Staat Northern Bahr al Ghazal hat die Organisation zudem mit einem Ernährungsprogramm für Kinder begonnen, bei denen ein hohes Risiko besteht, in den kommenden Monaten unter Mangelernährung zu leiden. In dem umkämpften Gebiet Abyei, das zwischen dem Sudan und dem Südsudan liegt, hat ein erneuter Konflikt die Bevölkerung weiter nach Süden getrieben. Schätzungen zufolge sollen 100‘000 Vertriebene betroffen sein. Auch andere Konflikte im Sudan, vor allem in den Bundesstaaten Blue Nile und South Kordofan, haben in den vergangenen Monaten Zehntausende gezwungen, über die Grenze zu fliehen.
Ende November hat MSF im Flüchtlingslager in Doro, Maban County, einen Nothilfe-Einsatz eingeleitet. Die Zahl der Flüchtlinge in diesem Lager ist bereits auf 25‘000 Menschen angewachsen, und immer noch machen sich weitere Familien auf den langen Fussmarsch vom sudanesischen Bundesstaat Blue Nile nach Doro. MSF hat unverzüglich damit begonnen, medizinische Erstversorgung zu leisten, Latrinen zu bauen, Wasserstellen instand zu setzen und hat einen Tank mit 15‘000 Litern Wasser installiert. Diese zusätzliche Wasserquelle ist eine enorme Hilfe für die Frauen und Mädchen, die für das Wasserholen zuständig sind und dafür teilweise Wartezeiten von bis zu 12 Stunden in Kauf nehmen mussten.
Bei den medizinischen Konsultationen von Neuankömmlingen stossen die MSF-Mitarbeiter immer wieder auf Malaria, Atemwegsinfektionen und Durchfall-Erkrankungen. Die Menschen waren teilweise wochenlang unterwegs, um sich in Sicherheit zu bringen. „Bei ihrer Ankunft in Doro ist ihr Ernährungszustand schlecht, ihr Immunsystem ist geschwächt. Sie sind dadurch anfälliger für Malaria oder andere Krankheiten“, erklärt Dr. Asaad Kadhum, Nothilfe-Koordinator von MSF.
Bis heute hat das MSF-Team bereits mehr als 1‘500 ambulante Konsultationen durchgeführt. Zurzeit sind die Mitarbeiter mit dem Aufbau einer stationären Einrichtung beschäftigt, um dort auch ernsthafter erkrankte Patienten zu versorgen. Zudem startet MSF in den kommenden Tagen eine Impfkampagne mit dem Ziel, sämtliche Kinder unter 15 Jahren gegen Masern zu impfen.

Seit September auf der Flucht

Nahe des Dorfes Alfuj, im Norden von Doro und nahe der Grenze, haben sich mehrere Tausend Sudanesen aus einem anderen Teil des Bundesstaates Blue Nile mit ihren Habseligkeiten unter den wenigen Bäumen niedergelassen. Ihre genaue Zahl ist noch nicht bekannt. Nach einer raschen Beurteilung der Lage hat MSF sofort damit begonnen, hochkalorienhaltige BP5-Kekse an Kinder unter fünf Jahren zu verteilen. Am ersten Tag dieses Einsatzes hat sich das MSF-Team zudem um besonders schlimme Fälle von Durchfall- und Atemwegserkrankungen sowie Malaria gekümmert und so 150 Patienten behandelt, die unter besonders schweren Durchfall- und Atemwegserkrankungen sowie Malaria litten.
Diese Familien berichteten MSF, dass sie bereits seit September auf der Flucht seien. Zunächst versteckten sie sich in den Wäldern nahe ihrer Felder. Nach tagelangen Gefechten fühlten sie sich dort aber nicht mehr sicher und beschlossen, über die Grenze zu fliehen. Die Menschen waren dringend auf Nahrung und medizinische Versorgung angewiesen. Das MSF-Team wird nun regelmässig zu dieser Gruppe zurückkehren, um Notfall-Nahrung zu verteilen und den am schwersten Erkrankten mit einer mobilen Klinik zu helfen.

Ernährungsnotlage

Die Gründe für die sich abzeichnende Ernährungskrise sind vielfältig: Nebst der Tatsache, dass so viele Menschen vertrieben wurden und auf der Flucht sind, spielen auch Ernteausfälle, Überflutungen, Handelsstreitigkeiten und die Inflation auf den lokalen Märkten eine Rolle. „Wenn nichts gegen diese Situation unternommen wird, könnte die Lage bald dramatisch werden", erklärt Ines Hake, medizinische Leiterin des MSF-Spitals in Agok, am Ende ihres elfmonatigen Einsatzes. Sie hatte an einer Evaluierung teilgenommen, die Anlass für MSF war, ein Ernährungsprogramm für 20‘000 Kinder zu lancieren.
Bei dieser Untersuchung stellte sich heraus, dass 65 Prozent der Haushalte in der Region Verwandte aufgenommen haben, die durch den Konflikt in Abyei vertrieben worden waren. „In dieser ohnehin bereits verarmten Region müssen nun noch mehr Menschen ernährt werden", sorgt sich die Medizinerin.

Den Tod von Kindern verhindern

„Derzeit sind die Kinder, die von unserer Hilfe profitieren, nicht in unmittelbarer Gefahr", erklärt Hake. Das Ziel eines präventiven Ernährungsprogramms ist es zu verhindern, dass bei einem Kind die Mangelernährung so schwer wird, dass es eine therapeutische Ernährung oder gar einen Spitalaufenthalt benötigt.
Die Pflegefachfrau Sita Cacioppe hat die Tragödie grosser Ernährungskrisen selbst miterlebt. Bisherige Einsätze bei MSF führten sie in ein Noternährungsprogramm in den Tschad und kürzlich in eines der überfüllten Lager im Norden Kenias, in dem mangelernährte Somalier Zuflucht vor Gewalt und Nahrungsknappheit suchen. „Wenn es uns gelingt, jetzt der Mangelernährung vorzubeugen, können wir den Tod von Kindern verhindern ", erklärt sie. Sie fügt hinzu, dass ihre Motivation darin bestehe, „zu verhindern, dass wir bei unserer Ankunft auf dem Feld Hunderte Kinder vorfinden, die schon am Verhungern sind."
MSF ist seit 1978 im Südsudan im Einsatz. Mehr als 2‘000 südsudanesische Mitarbeiter arbeiten gemeinsam mit fast 200 internationalen Kollegen in rund zwölf Projekten in acht Bundesstaaten des Landes.