Südsudan: Schmerzen, gegen die keine Pille hilft

«On leur demande de dessiner ce qui les effraie le plus. Ils dessinent presque tous des avions et disent que ce sont les avions qui les ont forcés à fuir.»

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Ein Leben als Flüchtling kann die Psyche derart belasten, dass ein Mensch – oder auch eine gesamte Familie – aus der Bahn geworfen wird. Eine ohnehin schwierige Situation wird dadurch zusätzlich erschwert.

Depressionen, Ängste sowie unerklärliche physische Probleme sind häufige Symptome. In den Lagern für Flüchtlinge, die aus dem Blue Nile State im Sudan nach Maban County im Südsudan geflohen sind, bietet Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) neben medizinischer Hilfe daher auch psychosoziale Betreuung an.
Ein junges Mädchen, nicht älter als 14 Jahre, beugt sich über ein Blatt Papier. Sie trägt ein altes, abgenutztes Nachthemd und versucht sich auf das zu konzentrieren, was sie zeichnen will. Die Psychologin Julia Stempel schaut ihr zu. Der größte Teil des Blattes wird von einem großen Flugzeug eingenommen.
„Viele Kinder zeichnen Flugzeuge“, erzählt Stempel. „Wir bitten die Kinder das zu malen, wovor sie Angst haben. Fast alle malen Flugzeuge. Sie erzählen, dass sie wegen der Flugzeuge von zu Hause fliehen mussten.“ Julia Stempel und ihr Team aus fünf psychosozialen Betreuern und zehn Sozialarbeitern geben den Kindern die Möglichkeit, ihre Gefühle auszudrücken.
Die Kinder malen anschliessend ein zweites Bild, diesmal von einem sicheren Ort. Dadurch wird ihnen vermittelt, dass „die Gefahr jetzt vorbei ist“. Das Team hilft den Kindern zu verstehen, dass sie keine Angst mehr haben müssen.
Singen, Malen und Rollenspiele – mit diesen Mitteln arbeitet das Team in Doro, um den Flüchtlingen zu erklären, dass „der Geist genauso krank werden kann wie der Körper“, sagt Stempel.

Depressionen betreffen ganze Familien

Viele Flüchtlinge leben in einer chronischen Stresssituation, die sich in psychosomatischen Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen äußert. Die Auswirkungen des Stresses betreffen oft nicht nur die Patienten, sondern deren ganze Familie.
„Die Großmutter einer der Familien litt an einer schweren Depression, wollte nicht mehr aufstehen und hatte die Hütte seit drei Monaten nicht mehr verlassen“, berichtet Stempel. „Ihr Zustand, die eigenen Erfahrungen der Flucht und die Lebensbedingungen im Lager waren so anstrengend für die Familie, dass eine der Enkelinnen zu sprechen aufhörte, völlig den Appetit verlor und ebenfalls depressive Symptome zeigte. Das Leiden dieser zwei Familienmitglieder verstärkte den Stress in der Familie nochmals. In dieser Situation versuchen wir die Menschen zu erreichen und ihnen zu helfen.“
Mit Gruppensitzungen und Hausbesuchen sowie mit Einzelkonsultationen versucht das Team so vielen Menschen wie möglich zu helfen. Zudem unterstützen sie sie dabei, sich selbst und anderen zu helfen.
„Der größte Erfolg ist es zu sehen, wie die Menschen das Konzept psychischer Gesundheit verinnerlichen und anfangen sich gegenseitig zu unterstützen“, sagt Stempel. „Wenn sich die Menschen in den Gruppengesprächen öffnen und sagen ‚Mir geht es genauso’, ist das der Moment, an dem ich denke ‚Ja’“.
Seit der Eröffnung des psychosozialen Programms im Flüchtlingslager von Doro, haben die Betreuer von Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) 16’489 Menschen behandelt. Außerdem wurden 180 Patienten in Einzelsitzungen betreut. Im Lager Jamam fanden jeden Monat etwa 300 Einzelsitzungen zur psychologischen Ersthilfe und circa 50 individuelle Beratungen statt.
Seit November 2011 versorgt MSF Flüchtlinge aus dem sudanesischen Blue Nile State, die nach Maban, Upper Nile State im Südsudan kommen. MSF bietet ärztliche Versorgung in vier Camps: Batil, Doro, Gendrassa und Jamam. Außerdem verbessert MSF durch den Betrieb von Brunnen und durch die Installation von Handpumpen die Wasserversorgung. MSF betreibt drei Krankenhäuser und bietet ambulante und stationäre Behandlung für die mehr als 100’000 Menschen, die in den Lagern Zuflucht gesucht haben.