Tausende Zivilisten im Osten der Ukraine eingeschlossen

Les structures médicales continuent d’être bombardées, le personnel est contraint de fuir et des milliers de personnes n’ont plus accès aux soins.

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MSF fordert Schutz der medizinischen Einrichtungen und der Zivilbevölkerung

Während die Kämpfe im Osten der Ukraine unvermindert weitergehen, bittet Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) dringend alle Parteien, den Beschuss von Spitälern einzustellen und sicherzustellen, dass Zivilisten sich in Sicherheit bringen können. Angesichts der steigenden Gewalt in den vergangenen zwei Wochen hat die Organisation ihre Unterstützung für Gesundheitseinrichtungen beidseits der Frontlinie rasch ausgebaut. Das medizinische Personal bemüht sich nach Kräften, mit der steigenden Zahl Verletzter fertigzuwerden. Unterdessen sind Zivilisten in Städten nahe der Front infolge der heftigen Kämpfe eingeschlossen. 
Gesundheitseinrichtungen sind weiterhin unter Beschuss – das Personal muss die Flucht ergreifen und tausende Menschen sind in der Folge ohne medizinische Versorgung. Allein in den vergangenen zwei Wochen wurden 5 von MSF unterstützte medizinische Einrichtungen durch Raketenbeschuss beschädigt oder sogar zerstört.
«Zivilisten und medizinisches Personal auf beiden Seiten sind die grössten Leidtragenden dieses Konflikts», betont Stéphane Prevost, MSF-Landeskoordinator in der Ukraine. «Gleichzeitig bedeutet die zusehends schlechtere Sicherheitslage, dass Organisationen Menschen, die dringend Hilfe benötigen, immer schlechter erreichen können.»

Tausende eingeschlossen

Am 29. Januar konnte ein MSF-Team Horliwka erreichen, eine der am stärksten betroffenen Städte an der Frontlinie. Tausende Zivilisten, die nicht fliehen konnten, stecken nun in der Stadt fest. Nur eine einzige, äusserst gefährliche Strasse führt derzeit noch in die Stadt hinein und hinaus. Das MSF-Team besuchte die grösste Unfallabteilung, das Hospital #2, das MSF seit Juni 2014 materiell unterstützt. Während des Besuchs befanden sich mehr als 100 Verletzte in der Chirurgie; laut Angaben des stellvertretenden Spitaldirektors treffen täglich zwischen 30 und 100 Notfällen ein.
«Zahlreiche Ärzte sind aus dem Spital geflohen», berichtet Hugues Robert, Notfall-Manager bei MSF. «Diejenigen, die noch dort sind, arbeiten rund um die Uhr im Bestreben, sich neben den anderen Patienten auch um alle Verwundeten zu kümmern. Wir bauen diese Woche unsere Unterstützung für diese Einrichtung weiter aus, um das Personal zu entlasten und sicherzustellen, dass sie ausreichend Medikamente und medizinisches Bedarfsmaterial zur Verfügung haben.»

Spitäler unter Beschuss, Personal auf der Flucht

Vierzig Kilometer östlich von Horliwka haben heftige Gefechte sämtliche Zugangsstrassen in die Stadt Debalzewe unterbrochen. Tausende Menschen sind eingeschlossen. Der leitende Arzt des grössten Spitals der Stadt hat gegenüber MSF angegeben, dass die Mehrheit des Personals aus Todesangst geflohen ist, nachdem das Spital seit dem 23. Januar mehrmals unter Beschuss kam und dabei beschädigt wurde. Als einziger verbleibender Arzt muss er sich darauf beschränken, erste Hilfe zu leisten.
Seit September 2014 unterstützt MSF das Spital mit Lieferungen und am 31. Januar gelang es einem Team, weitere Medikamente und Bedarfsmaterial wie chirurgisches Naht- und Verbandsmaterial hinzuschicken. Auch das in der Nähe gelegene Spital Svitlodarsk, das ebenfalls von MSF unterstützt wird, kam am 26. Januar unter Beschuss, worauf das gesamte Personal die Flucht ergriff.
«Wir tun, was wir können, um das verbleibende Spitalpersonal in Debalzewe zu unterstützen, doch heftige Kämpfe hindern unsere Mitarbeiter, in die Stadt zu gelangen», erklärt Prevost.
Nachdem die Spitäler in Debalzewe und Svitlodarsk nicht mehr in Betrieb sind, strömen die Verletzten in das rund 40 Kilometer entfernte Spital von Artemiwsk. Dieses ist nun die einzig funktionierende Einrichtung in der Umgebung und nimmt Verletzte entlang der gesamten Frontlinie sowie andere Patienten auf, die zuvor aus Svitlodarsk evakuiert wurden. In den vergangenen zwei Wochen stellte MSF ausreichend medizinisches Bedarfsmaterial zur Verfügung, um 400 Verletzte zu versorgen, sowie Medikamente zur Behandlung chronischer Krankheiten und für die primäre Gesundheitsversorgung.
Ausserdem kehrte am 30. Januar ein MSF-Team in das Spital von Marinka, 35 Kilometer westlich von Donezk, zurück, das fünf Tage zuvor mit Material beliefert worden war. Einen Tag nach der Lieferung, am 26. Januar, wurde die Einrichtung beschossen und das gesamte Personal wurde in eine Stadt in der Nähe umgesiedelt. MSF hat das Spital im nahegelegenen Kurakhovo unterstützt und wird in und um Marinka Verteilungen von Hilfsgütern organisieren.

Nicht nur körperliche Wunden

Seit vor zwei Wochen die Kämpfe immer heftiger wurden, konzentrierten sich die MSF-Teams darauf, das medizinische Personal in den am stärksten betroffenen Gebieten beidseits der Frontlinie zu unterstützen. Zusätzlich zu der Hilfe in Horliwka, Debalzewe und Artemiwsk belieferten sie medizinische Einrichtungen in Donezk, Konstantinovka, Kurakhavo, Luhansk, Mariupol, Popasnaya und Yenakijeve mit Bedarfsmaterial. Da die Region bereits seit über sechs Monaten unter Medikamentenengpässen leidet, leistet MSF auch Unterstützung bei der Behandlung von chronischen Krankheiten wie Diabetes, Herzerkrankungen, Asthma und Bluthochdruck und spendet Medikamente an Spitäler, Gesundheitszentren und Pflegeheime für ältere und behinderte Menschen. Auch Entbindungsstationen werden unterstützt. Schliesslich hat der Konflikt, der nun bereits seit zehn Monaten andauert, zunehmend auch psychologische Auswirkungen. Derzeit sind 14 Psychologen von MSF im Einsatz, die betroffenen Menschen Einzel- und Gruppenberatungen anbieten. Unter den Patienten finden sich behinderte und verletzte Menschen, Gesundheitspersonal, Lehrer, Sozialarbeiter, Kinder und ältere Menschen.
Seit Mai haben MSF-Teams rund 100 medizinische Einrichtungen in den Gebieten um Donezk, Luhansk und Dnepropetrovsk auf beiden Seiten der Frontlinie mit Materiallieferungen unterstützt. Damit konnten 15‘000 Verletzte, 1‘600 schwangere Frauen und 4‘000 Patienten mit chronischen Krankheiten versorgt werden. Da der Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Versorgung zunehmend erschwert ist, unterstützt die Organisation nun auch Gesundheitszentren und Entbindungsstationen in umkämpften Gebieten. Ferner bieten MSF-Psychologen Betroffenen Einzel- und Gruppenberatungen an und leiten Schulungen für lokale Psychologen, Sozialarbeiter und medizinisches Personal, die in Konfliktgebieten tätig sind. In einem Gefängnis in Donezk leitet MSF weiterhin ein Programm zur Behandlung von resistenter Tuberkulose, das 2011 begonn