Vergabe von Nahrungsergänzungsmitteln dämmt saisonbedingten Anstieg der Anzahl mangelernährter Kinder ein

Zinder, Niger, 2007.

3 Min.

MSF legt weitere Beweise für die Notwendigkeit geeigneter Nahrungsergänzungsmittel zur frühzeitigen Intervention im Kampf gegen die weitverbreitete Mangelernährung bei Kleinkindern vor.

Im Niger beobachteten unsere Einsatzkräfte vor Ort jedes Jahr einen drastischen Anstieg der Fälle von Mangelernährung während des sogenannten „hunger gap“ - der mageren Zeit vor der neuen Ernte. Zwar hat MSF mangelernährte Kinder bereits in der Vergangenheit erfolgreich behandelt, es entwickelte sich jedoch die Idee, diese Kinder schon vor Erreichen eines lebensbedrohenden Zustandes durch das Austeilen angereicherter Nahrungsergänzungsmittel kurz vor Beginn der Hungerperiode aufzufangen. Und tatsächlich können Kinder mit dieser Methode vor schwerer Mangelernährung bewahrt werden. Der neue Ansatz konnte im Niger im Jahr 2007 zum ersten Mal im Rahmen der Projekte von MSF in Maradi umgesetzt werden.
Durch die hervorragenden Ergebnisse eröffnen sich nunmehr neue Möglichkeiten zur Bekämpfung von Mangelernährung im Kindesalter.

„Warum sollten wir darauf warten, dass ein Kind an der Schwelle des Todes steht, bevor wir handeln?“

Laut einem kürzlich in der medizinischen Zeitschrift PLoS One veröffentlichten Artikel konnte MSF dem saisonbedingten Anstieg schwerer Mangelernährung bei 62’000 Kindern aus dem ländlichen Niger während der Hungerperiode im Jahr 2007 Einhalt gebieten.
In dieser sechs Monate andauernden, durch einen Mangel an Lebensmitteln gekennzeichneten Periode vor der Erntezeit, wurden Kindern im Alter von sechs Monaten bis drei Jahren zusätzlich zu den Stillmahlzeiten und ihrer üblichen Nahrung ein auf Milch basierender angereicherter Aufstrich gegeben.
„Unser Einschreiten hat gezeigt, dass wir - anstatt darauf zu warten, die Kinder wegen Mangelernährung zu uns in Behandlung zu nehmen - in Gebieten mit einem hohen Anstieg saisonbedingter Mangelernährung bei Kindern frühzeitig handeln und sicherstellen müssen, dass die Kinder die richtigen Nährstoffe bekommen, die sie benötigen. Denn ansonsten kann ein solcher Zustand langfristig zu schlechter Gesundheit, Behinderungen oder gar Tod führen,“ erläutert Stéphane Doyon, Teamleiter Ernährung bei MSF.

Erstmals fand eine grossangelegte Intervention statt

Frühere MSF-Studien hatten bereits die Vorteile einer frühzeitigen Intervention gegenüber herkömmlichen Behandlungsprogrammen (2) unterstrichen, aber nur bei der im Jahr 2007 durchgeführten Aktion wurden zum ersten Mal Nahrungsergänzungsmittel mit hoher Energiedichte in einer solchen Grössenordnung verteilt.
„In den Jahren zuvor mussten in dieser Gegend Tausende stark mangelernährter Kinder in unsere therapeutischen Ernährungszentren aufgenommen werden. Bei der Verteilung von Nahrungsergänzungsmitteln nach dem Giesskannenprinzip im Jahr 2007 war dies nicht der Fall. Die Schutzwirkung ist erstaunlich, warum sollten wir also darauf warten, dass sich ein Kind an der Schwelle des Todes befindet, bevor wir handeln?“ gibt Stéphane Doyon zu bedenken.
Die im Rahmen des MSF-Programms für den Niger erzielten Resultate stellen eine Herausforderung für die aktuellen Nahrungshilfe- und Ernährungsprogramme dar.
„Heutzutage basiert Nahrungshilfe für Kinder zumeist auf angereichertem Mischmehl wie dem Corn Soy Blend (CSB - einer Mischung aus angereichertem Mais- und Sojamehl) von der USAID (Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung), von dem wir wissen, dass es wichtige Nährstoffe, die Kinder benötigen, nicht enthält und nur wenig dazu beiträgt, Mangelernährung zu verhindern. Unsere praktische Erfahrung zeigt einmal mehr, dass eine aus ernährungstechnischer Sicht angemessene Alternative zu CSB realisierbar ist“, erklärt Dr.Tido von Schoen-Angerer, Leiter der Internationalen Medikamentenkampagne von MSF „Access to Essential Medicines“.
Seit dem Jahr 2007 sind sich die Hauptakteure auf dem Gebiet der Ernährung darüber einig, dass die Qualität der Nahrungsmittelhilfe für Kinder verbessert werden muss. Organisationen wie das Kinderhilfswerk UNICEF in Somalia und das Welternährungsprogramm (WFP) in Burkina Faso sind dem Beispiel gefolgt und haben zusammen mit den an die Familien ausgegebenen Rationen geeignete Nahrungsergänzungsmittel an Kinder verteilt.

(1) http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0005455
(2) Eine in dem „Journal of the American Medical Association (JAMA)“ veröffentlichte Studie zeigte, dass bei Kindern im ländlichen Niger, die zusätzlich zu ihrer üblichen Nahrung Fertignahrung erhielten, die Wahrscheinlichkeit, später unter der lebensbedrohlichsten Form von Mangelernährung zu leiden, um fast 60 Prozent geringerer war als bei Kindern, die keine Nahrungsergänzungsmittel erhalten hatten.