Was tut MSF für die Migranten im Mittelmeer?

MSF a décidé d’intervenir en mer Méditerranée lorsque l'assistance aux bateaux en détresse a été réduite.

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Seit Ende der 90er Jahre leistet MSF Migranten, Asylbewerbern und Flüchtlingen rund ums Mittelmeer medizinische Hilfe.

Doch die Organisation führte bereits vor über vierzig Jahren – in den Anfangszeiten von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) – die ersten Hilfseinsätze für vertriebene Menschen durch, überall in der Welt, wo es uns gerade brauchte. Schätzungen zufolge sind gegenwärtig weltweit etwa 60 Millionen Menschen auf der Flucht – so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.
MSF begann den Einsatz im Mittelmeer, nachdem die offizielle Hilfe für in Seenot geratene Boote reduziert worden war. 2014 war ausserdem ein besonders tödliches Jahr: Mehr als 3‘400 Menschen starben bei der Überfahrt nach Europa im Meer. Seit Mai 2015 ist MSF nun mit Rettungsschiffen im Einsatz.
Als medizinische Nothilfeorganisation hat MSF jedoch weder den Auftrag noch die Mittel, um den Flüchtlingsstatus der geretteten Menschen zu ermitteln. Wir leisten vorbehaltlos medizinische Hilfe und sind der festen Überzeugung, dass niemand ertrinken sollte, wenn es Wege gibt, dies zu verhindern.
Auch in zahlreichen Ursprungs-, Transit- und Ankunftsländern leistet MSF medizinische und humanitäre Hilfe für die Migranten.

Rettungsschiffe im Einsatz

Seit dem Beginn der Rettungsaktion am 2. Mai wurden bis am 3. September mehr als 16‘100 Menschen auf hoher See gerettet. Die Mehrheit der geretteten Migranten stammt aus Ländern wie Eritrea, Somalia, Syrien, dem Irak, Bangladesch, dem Sudan und Gambia. Sie flohen vor Krieg, Verfolgung oder unterdrückerischen Regimes nach Europa in der Hoffnung, dort ein besseres Leben zu haben. Die medizinischen Teams von MSF haben hauptsächlich Menschen mit Sonnenstich, Unterkühlungen, Verletzungen, Verbrennungen von den überhitzten Motoren oder Organversagen versorgt.
Diese Such- und Rettungseinsätze werden von mehreren speziell dafür ausgerüsteten Schiffen durchgeführt, unter anderem von der Bourbon Argos und der Dignity 1.

Bourbon Argos

Das 68 Meter lange Schiff wurde speziell für Such- und Rettungsaktionen im Meer ausgerüstet und hat die Kapazität, über 700 Personen aufzunehmen. Es ist in der Lage, schnell seine Route zu ändern und umgehend auf einen Notruf zu reagieren. An Deck wurden mehrere Container angebracht, und das Boot verfügt somit über eine Notaufnahme, einen Untersuchungsraum, einen Verbandsraum, einen Raum für Hygienematerial, ein Lager und eine Leichenhalle. An Bord ist eine 26-köpfige Mannschaft, inklusive eines erfahrenen Such- und Rettungsteams sowie medizinisches Personal.
Bis am 3. September konnte die Bourbon Argos mehr als 7'000 Menschen retten.

Dignity I

Das dritte Schiff ist 50 Meter lang, hat eine Crew von 18 Mitgliedern, darunter auch medizinisches Personal, und hat Kapazitäten für 300 Bootsflüchtlinge. Es lief am 13. Juni aus dem Hafen in Barcelona aus, um den Hilfseinsatz für die Migranten im Mittelmeer zu verstärken.
Bis am 20. August hat die Dignity I über 2'400 Personen gerettet, zum Grossteil Migranten aus Gambia und Senegal sowie einige aus Eritrea, Äthiopien und Mali, wo MSF Projekte leitet.

MY Phoenix

MSF und die Organisation MOAS (the Migrant Offshore Aid Station) hatten am 2. Mai 2015 einen gemeinsamen Einsatz gestartet. Teil der Crew war ein fünfköpfiges medizinisches Team, das sich an der Seite der in Suche und Rettung erfahrenen MOAS-Crew um die medizinische Hilfe kümmerte. Diese Hilfe umfasste medizinische Grundversorgung, Reanimationsmassnahmen und Atmungsunterstützung, aber auch Geburtshilfe und das Überweisen von Patienten, die an Land weiterführende Behandlungen benötigten. Innerhalb von weniger als fünf Monaten hat die Phoenix fast 7'000 Personen gerettet. Am 28. September 2015 stellte die MOAS ihre Tätigkeiten ein, womit auch der MSF-Einsatz beendet war.
MSF führt die Such- und Rettungseinsätze im Mittelmeer in den kommenden Monaten fort. Die Organisation leitet auch weiterhin Hilfsprojekte in den Ankunfts- und Transitländern der Migranten.
Die Einsätze von MSF in der Mittelmeerregion

Italien

1999 startete MSF ein Projekt für Migranten und Saisonniers. Seit 2002 bieten wir an mehreren Orten in Sizilien Menschen nach ihrer Bootsüberfahrt medizinische Hilfe. Zwischen Februar und Juni 2015 hat MSF im sizilianischen Pozzallo rund 5‘815 Bootsflüchtlinge medizinisch versorgt.

Griechenland

Seit 2008 leistet MSF humanitäre und medizinische Hilfe für Neuankömmlinge in Griechenland sowie für Asylsuchende und Migranten, die in Administrativhaft sind. Von Mitte März bis Juni 2015 hielten Teams von MSF in Griechenland insgesamt 2‘377 Sprechstunden für neu angekommene Migranten ab.

Serbien

Seit Ende 2014 betreibt MSF mobile Kliniken und verteilt lebensnotwendige Hilfsgüter an Asylsuchende, Flüchtlinge und Migranten ohne Papiere in Bogovadia sowie in Subotica, in der Nähe der ungarischen Grenze. Bis im Juni 2015 hatte MSF bereits 2‘554 Sprechstunden für Migranten auf der Durchreise in Serbien angeboten.

Ungarn

MSF unterstützt Migranten in den Lagern oder bei Vertreibungen. Als es am 16. September 2015 an der serbisch-ungarischen Grenze zu Gewaltausbrüchen kam, behandelte MSF die Verletzten. Nach dem Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern durch die ungarische Polizei mussten ein Dutzend Menschen versorgt werden.

Bulgarien

Nachdem MSF im Winter 2013/2014 von den schrecklichen Bedingungen in den Auffangzentren in Bulgarien erfahren hatte, begann die Organisation Hilfstätigkeiten in den Zentren in Vrezdevna und Voenna Rampa in Sofia sowie im Lager Harmanli nahe der türkisch-griechischen Grenze. Die Teams leisteten medizinische und psychologische Hilfe und führten vorgeburtliche Untersuchungen durch.

Tunesien

Im August 2015 führte MSF in der Stadt Zarzis Rettungsausbildungen für tunesische Fischer durch. Die Organisation hielt auch Schulungen für den tunesischen und libyschen Halbmond sowie den tunesischen Zivilschutz und die Nationalgarde ab. Die Teilnehmenden lernten, wie sie die geretteten Bootsflüchtlinge sicher an Land bringen sowie den Umgang mit Leichen.
MSF ermittelt konstant den Hilfebedarf der Menschen, die auf der Flucht nach Europa sind. Die Organisation leistet auch Hilfseinsätze bei spontanen Sammelorten von Migranten, wie zum Beispiel in Belgien (in einem Park in Brüssel) oder in Frankreich (Calais).