UN-Weltgipfel für humanitäre Hilfe ohne MSF
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MSF wird nicht am UN-Weltgipfel für humanitäre Hilfe (WHS) am 23. und 24. Mai in Istanbul teilnehmen.
Die internationale Hilfsorganisation war in den vergangenen 18 Monaten massgeblich am Vorbereitungsprozess des Gipfels beteiligt. Nun scheint der Fokus des WHS aber auf der Eingliederung der humanitären Hilfe in den breiten Kontext der Entwicklungsarbeit zu liegen, statt auf den Schwächen der humanitären Reaktion auf akute Notstände, insbesondere in Konfliktgebieten und bei Epidemien. Wir haben uns daher schweren Herzens entschieden, nicht am Gipfel teilzunehmen.
Im vergangenen Jahr wurden 75 Spitäler bombardiert, die von Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) betrieben oder unterstützt wurden. Das ist eine Verletzung der fundamentalsten Regeln der Kriegsführung, die medizinische Einrichtungen und Patienten schützen - unabhängig davon, ob die Patienten Zivilisten oder verwundete Kämpfer sind. Auch ausserhalb von Spitälern werden Zivilisten durch rücksichtslose Kriegsführung verwundet und getötet, in Syrien, Jemen, Afghanistan, im Südsudan und anderswo. Gleichzeitig zeigt der Umgang mit Flüchtlingen und Migranten in Europa und jenseits der europäischen Grenzen einen schockierenden Mangel an Menschlichkeit. Nie war ein Gipfel für humanitäre Hilfe, bei dem Staaten, UN-Organisationen und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) zusammen kommen und diese dringlichen Themen zu diskutieren, so wichtig wie heute. Der WHS Ende Mai hätte eine perfekte Gelegenheit hierfür sein können.
MSF hat sich in den vergangenen 18 Monaten massgeblich an den Vorbereitungen beteiligt, und u.a. zu mehreren Themen einleitende Erläuterungen vorbereitet. Der WHS hat im Vorfeld Bewundernswertes geleistet, indem er den humanitären Sektor einer viel grösseren Gruppe von Akteuren öffnete und diese beteiligte. Trotzdem haben wir entschieden, nicht an dem Gipfel teilzunehmen. Denn wir haben keine Hoffnung mehr, dass sich der WHS mit den Schwächen der humanitären Hilfe und der Reaktion auf Krisen, besonders in Konfliktgebieten und bei Epidemien, befassen wird. Stattdessen scheint es, als ob der Fokus des Gipfels auf der Eingliederung der humanitären Hilfe in einen breiten Kontext der Entwicklung und Nachhaltigkeit liegen wird. Ausserdem wird versäumt, die Staaten an ihre Verpflichtung zu erinnern, die humanitären und Flüchtlingsrechte, die sie unterzeichnet haben, auch umzusetzen.
Feigenblatt der guten Absichten
Während täglich das internationale Völkerrecht und die Rechte von Flüchtlingen auf schockierende Art und Weise verletzt werden, werden die Teilnehmer des Gipfels sich auf nichtsagende, gut gemeinte Floskeln verständigen, welche die „Werte aufrechterhalten“ und „die Not beenden“ sollen. Der Gipfel ist zu einem Feigenblatt der guten Absichten geworden, welches diese systematischen Verletzungen, allen voran der Staaten, verdecken hilft.
Die Teilnehmer des Gipfels, seien es Staaten, UN-Organisationen oder NGO, werden zu neuen und ehrgeizigen “Verpflichtungen“ aufgefordert. Doch dadurch, dass Staaten auf dieselbe Ebene wie NGO und UN-Organisationen gestellt werden, die weder die gleiche Macht noch die gleichen Verpflichtungen haben, nimmt der Gipfel die Staaten aus der Pflicht.
Wir haben gehofft, dass der Gipfel für humanitäre Hilfe die lebenswichtigen Themen Zugang und Schutz voranbringen, die Bedeutung von unparteilicher und unabhängiger humanitärer Hilfe unterstreichen und die Reaktionen auf akute Krisen verbessern würde. Leider tut er dies aber nicht. Stattdessen droht er, die humanitäre Hilfe in Entwicklungsarbeit, Friedenssicherung und politischer Agenda aufzulösen.
Massive Bedürfnisse werden unangesprochen bleiben
Wir können nicht mehr erkennen, wie der Gipfel dabei helfen wird, auf die massiven Bedürfnisse zu reagieren, die entstehen durch:
- die anhaltende Gewalt gegen Patienten und medizinisches Personal in Syrien, Jemen und Südsudan,
- die geschlossenen Grenzen Jordaniens, Mazedoniens und der Türkei, die Zivilisten an der Flucht hindern,
- die unmenschliche Behandlung von Flüchtlingen und Migranten, die verzweifelt versuchen, in Griechenland und Australien Sicherheit zu finden,
- die ernsten Lücken in der Reaktion auf die Ebola-Epidemie in Westafrika und gerade wieder, wenn auch in kleinerem Massstab, bei der Gelbfieber-Epidemie in Angola,
- einige Staaten, die den Zugang für humanitäre Hilfe beschränken und so den Menschen grundlegende Versorgung verweigern,
- mangelnde effektive Hilfe bei wiederkehrenden Krankheitsausbrüchen in der Demokratischen Republik Kongo.
Für all diese Beispiele wird die Verantwortung der Staaten und das verminderte Reaktionsvermögen des humanitären Systems unangesprochen bleiben.
Aus diesen Gründen - und mit grosser Enttäuschung - hat MSF entschieden, sich vom UN-Gipfel für humanitäre Hilfe zurückzuziehen.