MSF: Europa muss Bootsflüchtlinge aufnehmen, die aus Libyen fliehen

Le 19 avril 2011, 760 réfugiés sont arrivés de Lybie après 3 jours de voyage dans un vieux bateau de pêche. Une équipe MSF distribue des biens non alimentaires aux réfugiés à peine arrivés.

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ZÜRICH/GENF, 19. Mai 2011 –. Die medizinische Nothilfeorganisation Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat in einem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU die widersprüchliche europäische Libyen-Politik kritisiert: Einerseits erheben die EU-Staaten den Anspruch, mit dem Eingreifen in den Krieg in Libyen Zivilisten zu schützen. Andererseits machen sie gleichzeitig die Grenzen für die Opfer dieses Krieges dicht - unter dem Vorwand, einen massiven Zustrom illegaler Einwanderer verhindern zu müssen. Der Brief wurde am Donnerstag in mehr als 13 europäischen Tageszeitungen veröffentlicht.

“Die europäischen Staaten, die am Krieg in Libyen beteiligt sind, drücken sich vor ihren juristischen und moralischen Verpflichtungen und vergessen die Opfer eines Krieges, den sie selbst führen”, erklärt Christian Captier, Generaldirektor von MSF. “Die Rhetorik und die Massnahmen der europäischen Politiker, die vor der Kulisse des Kampfes gegen illegale Einwanderung präsentiert werden, beschränken de facto den Zugang der Kriegsopfer nach Europa. Dieser Zynismus der Politik ist beschämend.”
MSF verweist zudem auf die Diskrepanz zwischen der Hilfe der Nachbarländer Libyens und der Politik der EU-Staaten: Während Tunesien und Ägypten fast 630’000 Flüchtlinge aufgenommen haben, weisen die europäischen Länder Bootsflüchtlinge, die ihr Leben riskieren, um Europa zu erreichen, auf ihrem Territorium und in ihren Hoheitsgewässern zurück.
“Die Menschen, die wir in Lampedusa betreuen, berichten von Drohungen und Gewalt, die sie in Libyen erfahren haben: Einige wurden geschlagen oder haben gesehen, wie ihre Freunde vor ihren Augen gestorben sind“, sagt Loris De Filippi, Einsatzleiter von MSF. „Nach einer langen Reise, auf der sie ihr Leben riskiert haben, kommen sie völlig erschöpft an und sind oft unterkühlt. Wenn sie endlich Europa erreichen, finden sie inakzeptable Aufnahmebedingungen vor und sind mit einer völlig unsicheren Zukunft konfrontiert.“
In dem offenen Brief verweist MSF auf die völkerrechtliche Verpflichtung, die Rechte von Kriegsopfern zu schützen. Die Organisation fordert, dass die Flüchtlinge nicht aus europäischen Hoheitsgewässern oder von europäischem Boden ins Kriegsgebiet abgeschoben werden, dass angemessene Aufnahmebedingungen in Europa sichergestellt werden und der Zugang zu einem rechtmässigen Asylverfahren garantiert wird.
Teams von MSF leisten den Opfern des Krieges in Libyen in den Städten Misrata, Bengasi und Sintan, in Tunesien sowie auf der italienischen Insel Lampedusa Hilfe. Sie werden täglich Zeugen der Auswirkungen des Konflikts auf Zivilisten.

Der offene Brief wurde heute in folgenden Medien veröffentlicht:

Die Presse, Der Standard (Österreich), Le Soir, De Standaard (Belgien), Berlingske Tidende (Dänemark), Le Monde (Frankreich), El Pais (Spanien), Corriere della Sera, La Repubblica, (Italien), Svenska Dagbladet (Schweden), Kathimerini (Griechenland), Le Temps (Schweiz), European Voice (Europäische Union).

Die Empfänger des offenen Briefes:

Werner Faymann, Bundeskanzler und Michael Spindelegger, Vize-Kanzler und Aussenminister (Österreich), Yves Leterme, Premierminister (Belgien), Lars Løkke Rasmussen, Premierminister und Lene Espersen, Aussenministerin (Dänemark), Angela Merkel, Bundeskanzlerin (Deutschland), Nicolas Sarkozy, Staatspräsident (Frankreich), Mark Rutte, Premierminister (Niederlande), Silvio Berlusconi, Premierminister (Italien), Jean-Claude Juncker, Premierminister (Luxemburg), José Luis Rodríguez Zapatero, Premierminister (Spanien), Fredrik Reinfeldt, Premierminister (Schweden), Jens Stoltenberg, Premierminister (Norvegen), Petr Nečas, Premierminister (Tschechische Republik), David Cameron, Premierminister (Grossbritannien), Georgios Papandreou, Premierminister (Griechenland), Herman Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rats, Jerzy Buzek, Präsident des Europäischen Parlaments, José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission, Catherine Ashton, Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission und Hohe Vertreterin der EU für Aussen- und Sicherheitspolitik.