Swasiland: Dringender Handlungsbedarf im Kampf gegen die Doppel-Epidemie von HIV und Tuberkulose

Le Swaziland figure parmi les pays les plus touchés au monde par la co-infection VIH/sida et tuberculose. 02.09.2008

3 Min.

Mbabane/Zürich, 18. November 2010 – Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) veröffentlicht heute einen Bericht über den Kampf gegen die Doppel-Epidemie von HIV/Aids und Tuberkulose (TBC), die das Königreich Swasiland im südlichen Afrika bedroht und die Lebenserwartung von 60 auf nur 31 Jahre gesenkt hat. Das kleine Königreich mit knapp über einer Million Einwohnern liegt im Epizentrum einer Koinfektion, von der das ganze südliche Afrika betroffen ist. In ihrem Bericht “Kampf gegen eine Doppelepidemie: Behandlung von TBC in einer Umgebung mit hoher HIV-Prävalenz im ländlichen Swasiland” fasst die internationale medizinische Hilfsorganisation ihre Erfahrungen im Distrikt von Shiselweni seit 2007 zusammen. Der Bericht beschreibt, was dringend getan werden muss, um die verheerende Gesundheitskrise in den Griff zu kriegen.

„Swasiland weist weltweit die höchste HIV-Ansteckungsrate bei Erwachsenen auf. Hinzu kommt, dass mehr als 80 Prozent der Tuberkulose-Patienten zusätzlich mit HIV infiziert sind“, erklärt Aymeric Péguillan, MSF-Einsatzleiter in Swasiland. „Die Lebenserwartung hat sich innerhalb von zwei Jahrzehnten halbiert und fiel von 60 auf nur noch 31 Jahre. Die Menschen sterben dahin, die Haupttodesursache bei Erwachsenen ist Tuberkulose (TBC). Dadurch werden viele Kinder zu Waisen, und die arbeitstätige Bevölkerung schrumpft.“

Swasiland weist auch eine alarmierend grosse Verbreitung der multiresistenten Tuberkulose auf. 7.7 Prozent aller Neuinfektionen entfallen auf einen resistenten Bakterienstamm, wie dem Bericht zur Wirksamkeit von Medikamenten 2009-2010 zu entnehmen ist, den MSF gemeinsam mit dem Nationalen Tuberkulose-Programm verfasst hat. Damit hat Swasiland eine der weltweit höchsten Ansteckungsraten von multiresistenter Tuberkulose.

Die Bekämpfung dieser Krise wird jedoch behindert durch den akuten Mangel an einheimischem Gesundheitspersonal, durch die nicht adäquaten Diagnosemöglichkeiten und die Tatsache, dass viele Patienten ihre Behandlung abbrechen, weil die wiederkehrenden Fahrtkosten in die weit entfernten Gesundheitseinrichtungen einfach zu hoch sind.

In Shiselweni, dem abgelegensten und ärmsten Distrikt des Landes, betreibt MSF seit November 2007 zusammen mit dem Gesundheitsministerium von Swasiland ein dezentrales, auf die Patienten ausgerichtetes Programm, in dem beide Krankheiten zugleich behandelt werden. Heute wird bereits in 21 Gesundheitseinrichtungen diese kombinierte Behandlung angeboten. Innerhalb der vergangenen 18 Monate hat sich die Anzahl Personen, die sich auf HIV testen lassen, mehr als verdreifacht. Im Juni 2010 waren es schon 1'617.
 
„Die dezentrale, kombinierte Behandlung von HIV und TBC in vielen kleinen Kliniken und Gemeinden haben den Zugang zur Behandlung enorm verbessert, und die Zahl der Patienten, welche die Behandlung abbrechen, ist stark zurückgegangen“, berichtet Aymeric Péguillan. „Bis 2008 war die Bekämpfung der TBC-Epidemie vor allem zentral organisiert. Die Kranken mussten den weiten Weg ins nationale TBC-Zentrum auf sich nehmen oder auf die sporadischen Besuche eines medizinischen Teams warten. Heute liegen die Gesundheitseinrichtungen für eine kombinierte Behandlung von TBC und HIV viel näher bei den Patienten.“

Auch andere innovative Ansätze wurden erfolgreich in die Arbeit eingebunden, insbesondere die Aufgabenübertragung innerhalb der Einrichtungen. Angesichts des Mangels an medizinischen Fachkräften hat sich gezeigt, dass die Behandlung und Pflege effektiver werden, wenn einzelne Verantwortungsbereiche an weniger qualifizierte Personen übertragen werden – von Ärzten an Pflegefachpersonen und vom Pflegefachpersonal an Freiwillige aus der Gemeinde.

Die Herausforderung liegt nun darin, auf diesen Erfolgen aufzubauen. Der MSF-Bericht „Kampf gegen eine Doppel-Epidemie: Behandlung von TBC in einer Umgebung mit hoher HIV-Prävalenz im ländlichen Swasiland“ zeigt Massnahmen auf, die dringend auch im ganzen Land angewendet werden müssen. Dazu gehören Methoden der Infektionseindämmung und der Einsatz neuer Diagnosemittel. MSF befürwortet eine breite Aufgabenübertragung innerhalb des Gesundheitspersonals, damit die steigende Anzahl der HIV-Infizierten bewältigt werden kann. Ein Anstieg wird allein aufgrund der neuen Klassifizierung in den jüngsten WHO-Empfehlungen erwartet: Diese empfahl 2009, die Behandlung der Patienten schon bei 350, statt erst bei 200 Helferzellen zu beginnen. Diese Zahl erfasst die weissen Blutkörperchen pro Milliliter Blut und ist ein Mass für die Stärke des Immunsystems.

„Es ist enorm wichtig, dass diese Massnahmen jetzt überall eingeführt werden. Das Ausmass der Doppel-Epidemie in Swasiland verlangt dringende politische Entscheide, die sofort umgesetzt werden müssen. Wenn wir jetzt handeln, können wir Tausende von Leben retten“, erklärt Aymeric Péguillan.

2006 richtete der damalige Premierminister von Swasiland einen dringenden Appell an die internationale Gemeinschaft, um die kombinierte HIV- und TBC-Krise zu bekämpfen, die das Land bedroht. MSF arbeitet seit Ende 2007 mit dem Gesundheitsministerium von Swasiland zusammen und bietet HIV- und TBC-koinfizierten Patienten in Shiselweni eine Behandlung an. Bis Ende Juni 2010 konnten von den fast 20'000 HIV-positiven Menschen in Shiselweni fast 11'000 mit antiretroviralen Medikamenten versorgt werden, und weitere 2'845 wurden stationär behandelt. Seit Januar 2008 fingen jedes Jahr im Durchschnitt 2'450 Patienten eine TBC-Behandlung an. Insgesamt 140 Personen haben seit Januar 2008 eine Behandlung gegen die multiresistente Tuberkulose begonnen.