Welt-Aids-Tag: Bedürfnisse der Patienten müssen im Vordergrund stehen
3 Min.
MSF fordert die Regierungen auf, die Behandlungsansätze an die Bedürfnisse der betroffenen Menschen anzupassen und drängt die internationalen Partner, diese Strategie aktiv zu unterstützen und zu finanzieren.
Die bisherigen Behandlungsansätze für HIV/Aids-Patienten müssen radikal verändert werden. Nur so können, wie im aktuellen UNAIDS-Bericht gefordert, mehr Betroffene erreicht werden. Bei der Aushändigung antiretroviraler Medikamente (ARV) muss ein gemeindebasierter Behandlungsansatz (community models of care) verfolgt werden, fordert die internationale medizinische Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) im Vorfeld des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember. Betroffene dürfen nicht mehr als reine Empfänger von Gesundheitsdienstleitungen angesehen werden, sondern müssen zu Partnern werden.
Zahlreiche Hürden für Patienten
Durch einfache und pragmatische Reformen des existierenden Gesundheitssystems ermöglichen gemeindebasierte Modelle eine nachhaltige und bessere Behandlung von stabilen HIV-Patienten. So sind zum Beispiel lange und teure Anreisen zu Gesundheitszentren für viele Patienten Hürden beim Zugang zur lebensnotwendigen Behandlung. Viele Patienten müssen deshalb die Behandlung abbrechen oder werden gar nie diagnostiziert. Einfache Reformen wie die Verteilung von mehrmonatigen ARV-Vorräten, die Ausbildung von gemeindebasiertem Gesundheitspersonal oder verlängerte Öffnungszeiten der Gesundheitszentren könnten diese Hürden abbauen. Die so verbesserte Patientenbetreuung kann zu einer deutlich höheren Erfolgsrate führen.
„Wenn wir die HIV-Behandlung effizient und angemessen ausweiten wollen, können wir nicht weitermachen wie bisher“, sagt Dr. Eric Goemaere, MSF-Experte für HIV/Aids. „Doch zurzeit werden effiziente Strategien, die sich über Jahre bewährt haben, noch nicht anerkannt.“
Neuartige Lösungsansätze werden zurückhaltend aufgenommen
MSF und andere Organisationen haben seit 2007 eine breite Palette gemeindebasierter Strategien entwickelt. So konnten die Kosten und der Zeitaufwand einer Behandlung durch die Entkopplung der Medikamentenausgabe von einer jährlichen Pflichtuntersuchung deutlich verringert werden. Dank dieser Umstellung können nun mehr als 90 Prozent der stabilen Patienten in den MSF-Projekten in Südafrika, Malawi, Mosambik, Simbabwe und Kenia ihre Therapie langfristig einhalten. Ähnliche Resultate liegen auch aus Ländern mit viel schwächeren HIV-Behandlungsprogrammen vor.
Bisher werden jedoch für diese neuen Lösungsansätze wichtige Akteure unzureichend unterstützt. So werden Gesundheitshelfer, die befugt sind, in ihren Dörfern HIV- und Tuberkulosemedikamente abzugeben, nicht anerkannt und unzureichend finanziert. Und Regelungen, die die Aushändigung von ARV auf eine Monatsration beschränken, erschweren die Behandlung von Menschen, deren Zugang zu Gesundheitszentren aus finanziellen oder anderen Gründen limitiert ist. Zudem sind Regierungen sehr zurückhaltend, den Erkrankten selbst mehr Handlungsspielräume und mehr Verantwortung zu übertragen. So bleiben die Möglichkeiten in den Dörfern eingeschränkt, eigenständig Medikamente zu verteilen oder HIV-Tests durchzuführen.
Kürzungen der finanziellen Unterstützung
„Der Erfolg gemeindebasierter Behandlungsverfahren ist von starken, emanzipierten und kompetenten Patienten und zivilgesellschaftlichen Organisationen abhängig“, betont Amanda Banda, MSF-Koordinatorin der HIV-Programme. „Trotzdem wird solchen Projekten zunehmen die finanzielle Unterstützung gekürzt und Patienten werden im Kampf gegen HIV nicht ausreichend eingebunden.“ In Südafrika ist die führende Aktivistengruppe Treatment Action Campaign (TAC) selbst in eine schwere Finanzierungskrise geraten, und nach 15 Jahren droht der Gruppe die Schliessung. Nach Angaben von UNAIDS erhielten 59 Prozent der NGOs, die sich in Sachen HIV und Menschenrechte engagieren, im Jahr 2012 weniger Förderungen als in den Vorjahren.
MSF fordert die Regierungen auf, die Behandlungsansätze an die Bedürfnisse der betroffenen Menschen anzupassen und drängt die internationalen Partner, diese Strategie aktiv zu unterstützen und zu finanzieren.
MSF unterstützt derzeit die Behandlung von 341‘600 Menschen mit HIV in 20 Ländern. 71 Prozent der 35 Millionen Menschen mit HIV/Aids leben in afrikanischen Ländern südlich der Sahara.