Für ein Arbeitsumfeld frei von Belästigung und Missbrauch

Als humanitäre Organisation tritt Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) für ein Arbeitsumfeld frei von Belästigung und Missbrauch ein.

Die Führung von Ärzte ohne Grenzen hat sich dazu verpflichtet, Mechanismen und Verfahren zu stärken, um Fehlverhalten vorzubeugen und anzugehen. Wir erwarten von allen Mitarbeitenden, sich an die in unserer Charta und in unseren Behavioural Guidelines festgelegten Leitprinzipien zu halten.

Die Integrität unserer Organisation und damit die Möglichkeit, humanitäre Hilfe zu leisten, wird durch das korrekte Verhalten jedes einzelnen Mitarbeiters und jeder einzelnen Mitarbeiterin bestimmt – an jedem Ort und unter voller Achtung der Menschen, für die wir arbeiten. Das bedeutet, dass wir kein Verhalten von Mitarbeitenden tolerieren, welches die Verletzlichkeit anderer ausnutzt oder die jeweilige Position zum persönlichen Nutzen missbraucht.

Unsere Beschwerdemechanismen

Bei Ärzte ohne Grenzen gibt es seit langem Verfahren, um Fehlverhalten, Belästigung oder Missbrauch jeglicher Art vorzubeugen, zu identifizieren, zu melden und darauf entschieden zu reagieren. Durch diese Mechanismen werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigt, unangemessenes Verhalten und Missbrauch zu melden – entweder über ihre Vorgesetzten oder über spezielle Berichtswege ausserhalb hierarchischer Strukturen mit eigens dafür eingerichteten E-Mail-Adressen. Opfer oder Zeugen aus der Bevölkerung, für die Ärzte ohne Grenzen arbeitet, werden ebenfalls ermutigt, Fehlverhalten an uns zu melden, damit wir auf Vorwürfe angemessen reagieren können.

Der erste Schritt: Bewusstsein schaffen

Seit mehreren Jahren informieren wir in einer breit angelegten Sensibilisierungskampagne alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Mechanismen, die ihnen zur Meldung von Missbrauch zur Verfügung stehen. Diese Informationen werden auf verschiedenen Wegen verbreitet, unter anderem in Mitarbeiterleitfäden, Briefings, Projektbesuchen und Schulungen. Darüber hinaus aktualisieren und optimieren wir regelmässig elektronische Briefings und Lernmodule zum Verhalten im Projekteinsatz und zum Umgang mit Missbrauch.

In den vergangenen Jahren wurden bei sämtlichen Sektionen von Ärzte ohne Grenzen zahlreiche Aktivitäten lanciert, so zum Beispiel:

  • Schaffung neuer Positionen und/oder zusätzliches Personal zur Unterstützung bei Schulungen, Feldbesuchen und Untersuchungen in diesem Zusammenhang
  • Durchführung von Workshops oder anderen Beratungsformen, um mit dem Personal Probleme zu ermitteln und mögliche Lösungen zu erarbeiten
  • Förderung und Stärkung des Bewusstseins für die dem Personal zur Verfügung stehenden Mechanismen bei Fehlverhalten, Belästigung oder Missbrauch
  • Stärkung des Bewusstseins auch bei Patienten und bei der Bevölkerung in unseren Einsatzorten
  • Verbesserungen bei der Datenerhebung und dem Austausch innerhalb der verschiedenen Sektionen

Die vertrauliche Behandlung von Hinweisen

Wenn ein Fehlverhalten gemeldet wurde, haben Sicherheit und Gesundheit der Opfer und des Hinweisgebenden für Ärzte ohne Grenzen oberste Priorität. Die sofortige Hilfe für die Opfer kann beispielsweise beinhalten, dass wir sie psychologisch und medizinisch versorgen und sicherstellen, dass sie rechtliche Hilfe erhalten.

Ärzte ohne Grenzen respektiert immer die Entscheidung der Opfer, eine Angelegenheit vor Gericht zu bringen oder nicht. Bei sexualisierter Gewalt an Minderjährigen meldet Ärzte ohne Grenzen unter Berücksichtigung der Interessen des Kindes den Fall den allfälligen zuständigen Behörden.

2023 update

  • 89 Prozent der Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen waren 2023 in unseren Projekten tätig (Total: 69 100 Personen). Dort wurden im Laufe des Jahres insgesamt 714 Beschwerden registriert.
  • Davon haben sich nach Prüfung 264 Beschwerden als Fälle von Missbrauch oder unangemessenem Verhalten herausgestellt. Einige dieser Fälle wurden Ende Jahr weiterhin untersucht.
  • Diese Zahl umfasst 187 als Missbrauch bestätigte Fälle (sexuelle Ausbeutung, Missbrauch und Belästigung; Machtmissbrauch; Mobbing; Diskriminierung; Ausbeutung; Missbräuche bei der Fallbearbeitung, einschliesslich Vergeltungsmassnahmen, Verletzung der Vertraulichkeit und körperliche Gewalt).
  • 85 Mitarbeitende wurden infolge dieser Untersuchungen entlassen. Je nach Schweregrad werden andere Massnahmen ergriffen, wie z.B. Suspendierungen, Herabstufungen, schriftliche Verwarnungen oder obligatorische Schulungen.
  • Von den 187 bestätigten Fällen von Missbrauch im Jahr 2023 gab es 85 Fälle von sexueller Ausbeutung, Missbrauch und Belästigung. 45 Mitarbeitende wurden infolgedessen entlassen.
  • Bei den anderen bestätigten Fällen von Missbrauch handelte es sich um Belästigung (31), Machtmissbrauch (30), körperliche Gewalt (23), Ausbeutung (13), Diskriminierung (9) und Missbräuche bei der Fallbearbeitung (4).
  • Zudem gab es 77 bestätigte Fälle von unangemessenem Verhalten. Es handelt sich dabei um Verhaltensweisen, die weniger schwerwiegend als die oben aufgelisteten sind, die jedoch nicht mit den Verhaltensregeln von Ärzte ohne Grenzen vereinbar sind (zum Beispiel: Fehlverhalten gegenüber Untergebenen; unangemessene Beziehungen; unangemessenes Verhalten, das nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht oder den Zusammenhalt des Teams beeinträchtigt; unangemessene Kommunikation sowie der Konsum psychoaktiver Substanzen).

Aktualisiert 2022

2022 waren weltweit 68 000 Mitarbeitende für Ärzte ohne Grenzen tätig. Im Laufe des Jahres erreichten uns insgesamt 695 Beschwerden im Zusammenhang mit Missbrauch oder Fehlverhalten. Davon stammten 606  von Mitarbeitenden in unseren humanitären und medizinischen Projekten und 89 aus unseren internationalen Büros. Im Folgenden werden die Beschwerden aus den Einsatzländern separat von jenen aus den internationalen Büros behandelt, da die Terminologie und die Reporting-Prozesse nicht in jeder Hinsicht vergleichbar sind.

Die Gesamtzahl der eingehenden Beschwerden bezüglich unserer medizinischen und humanitären Projekte lag 2022 24 Prozent über dem Vorjahr. Ärzte ohne Grenzen ist immer noch mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass Fehlverhalten nicht gemeldet wird – insbesondere von Patient:innen, dem Pflegepersonal und den Menschen, die wir unterstützen. Die steigende Zahl der Beschwerden lässt jedoch darauf schliessen, dass unsere Bemühungen, dieses Problem nachhaltig anzugehen, greifen. Auch das allgemeine Bewusstsein dafür und das Vertrauen in die verschiedenen von uns eingerichteten Meldemechanismen und -kanäle nehmen weiter zu. 

2022 begannen wir, Beschwerden über «Ausbeutung»  und Verstösse gegen den «Fallbearbeitungsprozess»  aufzunehmen. Die letztgenannte Massnahme wurde eingeführt, um die Beschwerdeführenden zu schützen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Meldemechanismen nicht missbraucht werden. Es wurden auch Daten zu Beschwerden im Zusammenhang mit «unangemessener Kommunikation»  erfasst. 

Beschwerden aus unseren medizinischen und humanitären Projekten 2022:

  • Etwa 90 Prozent der Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen (knapp 62 000 Personen) waren 2022 in den Projekten vor Ort tätig. Auf diese Kategorie entfielen insgesamt 606 Beschwerden, gegenüber 490 im Jahr 2021.
  • Davon wurden nach Prüfung 204 Beschwerden als Fälle von Missbrauch oder unangemessenem Verhalten bestätigt, im Vergleich zu 158 im Vorjahr. Einige dieser Fälle werden weiterhin untersucht.
  • Diese Zahl umfasst 121 als Missbrauch bestätigte Fälle, gegenüber 102 bestätigten Fällen im Jahr 2021 (darunter fallen sexuelle Ausbeutung, Missbrauch und Belästigung [SEAH]; Machtmissbrauch; Mobbing; Diskriminierung; Ausbeutung; Missbräuche bei der Fallbearbeitung, einschliesslich Vergeltungsmassnahmen und Verletzung der Vertraulichkeit; sowie körperliche Gewalt).
  • 2022 wurden insgesamt 52 Mitarbeitende aufgrund verschiedener Formen von Missbrauch entlassen (54 Entlassungen im Jahr 2021). Je nach Schweregrad wurden andere Massnahmen ergriffen, wie z. B. Suspendierung, Herabstufung, schriftliche Verwarnungen oder obligatorische Schulungen.
  • Von den 121 bestätigten Fällen von Missbrauch gab es 60 Fälle von SEAH, im Vergleich zu 67 im Vorjahr.  35 Mitarbeitende wurden 2021 infolge eines SEAH-Vorfalls entlassen (33 im Jahr 2021).
  • Bei den anderen bestätigten Fällen von Missbrauch handelte es sich um Mobbing (22  bestätigte Fälle), Machtmissbrauch (17 bestätigte Fälle), körperliche Gewalt (12 bestätigte Fälle), Diskriminierung (2 bestätigte Fälle) und Ausbeutung (7 bestätigte Fälle).
  • Zudem gab es 83 bestätigte Fälle von unangemessenem Verhalten, gegenüber 56 im Jahr 2021 (darunter fallen Fehlverhalten von Mitarbeitenden; unangemessene Beziehungen; unangemessenes Verhalten, das nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht oder den Zusammenhalt des Teams beeinträchtigt; unangemessene Kommunikation sowie der Konsum psychoaktiver Substanzen). 

 

2022 kam es erstmals seit Veröffentlichung dieser Zahlen zu einem Rückgang der Beschwerden von lokal rekrutierten Mitarbeitenden: Insgesamt waren es noch 232, im Vergleich zu den 262 im Jahr 2021. Dennoch bleibt noch viel zu tun, um unser lokal rekrutiertes Personal zu ermutigen, bei Bedarf eine Beschwerde einzureichen. Denn dieses macht fast 80 % unserer weltweiten Belegschaft aus, reichte aber nur etwas mehr als einen Drittel der Beschwerden ein.

Bei der Gesamtzahl der von Patient:innen und ihren Betreuenden eingereichten Beschwerden gab es 2021 einen leichten Anstieg auf 67 (von 53 im Jahr 2021). In Anbetracht der Tatsache, dass Ärzte ohne Grenzen jedes Jahr Millionen von Patient:innen behandelt, ist diese niedrige Zahl besorgniserregend. Es zeigt deutlich, dass die unternommenen Anstrengungen, um Patient:innen und Betreuende über das vom Personal zu erwartende Verhalten und die Beschwerdemöglichkeit zu informieren, nicht ausreichend sind. Es bleibt noch viel zu tun, um Patient:innen über ihre Rechte aufzuklären und sicherzustellen, dass sie Zugang zu den Meldemechanismen haben, damit Ärzte ohne Grenzen für Missbrauch oder unangemessenes Verhalten zur Verantwortung gezogen werden kann.

Die Anzahl der Beschwerden von anderen externen Parteien – einschliesslich Lieferanten, Medienvertreter:innen, Mitglieder anderer Organisationen, Gemeindemitglieder, Partner, ehemalige und nicht vertraglich gebundende Mitarbeitende, Mitglieder des Vereins von Ärzte ohne Grenzen sowie anonyme Beschwerdeführende – stieg auf 107 (gegenüber 37 im Jahr  2021).

Die Zahl der im Zusammenhang mit Diskriminierung und Rassismus eingereichten Beschwerden bleibt relativ niedrig. Dies trotz wiederholter Bemühungen der gesamten Bewegung, diese Thematik anzugehen. 2022 wurden insgesamt 40 Beschwerden zu Diskriminierung erfasst; dies entspricht einer leichten Erhöhung gegenüber 32 Beschwerden im Jahr 2021. Es braucht verstärkte Bemühungen, um Diversität und Inklusion im Zusammenhang mit verantwortungsvollem Verhalten hervorzuheben und die Menschen zu ermutigen, sich dazu zu äussern.

Beschwerden aus den internationalen Büros

Ärzte ohne Grenzen erfasst zusätzlich zu den Daten aus unseren medizinischen Projekten vor Ort auch Beschwerden aus unseren Büros in aller Welt. 10 Prozent der Belegschaft von Ärzte ohne Grenzen arbeitet in diesen internationalen Büros.

Trotz der Bemühungen um eine Standardisierung des Reportings beziehen sich diese Daten auf unterschiedliche rechtliche und HR-interne Prozesse und sind daher noch nicht vollständig harmonisiert.

Aus den 38 Büros, die Daten bereitgestellt haben, gingen 2022 89 Beschwerden ein, gegenüber 49 im Vorjahr aus ebenfalls 38 Büros.

Von den 38 als Missbrauch und 30 als unangemessenes Verhalten eingestuften Fälle wurden 44 Fälle bestätigt. 2021 wurden 19 Fälle von Misshandlung und 11 Fälle von unangemessenem Verhalten bestätigt.

In 17 Fällen wurde entweder eine Strafe verhängt oder eine Entlassung ausgesprochen (gegenüber 13 Fällen im Vorjahr). 

2021 Update:

Im Jahr 2021 waren weltweit 63 000 Mitarbeitende für Ärzte ohne Grenzen im Einsatz. Insgesamt erreichten uns 539 Beschwerden im Zusammenhang mit Missbrauch oder Fehlverhalten. Davon stammten 490 von Mitarbeitenden in unseren humanitären und medizinischen Projekten und 49 aus unseren internationalen Büros. Im Folgenden werden die Beschwerden aus den Einsatzländern separat von jenen aus den internationalen Büros behandelt, da die Terminologie und die Reporting-Prozesse nicht in jeder Hinsicht vergleichbar sind.

Die Gesamtzahl der eingehenden Beschwerden lag 2021 21 Prozent über dem Vorjahr. Bisher war Ärzte ohne Grenzen eher damit konfrontiert, dass Fehlverhalten nicht gemeldet wurde – insbesondere von Patient:innen, dem Pflegepersonal und den Menschen, die wir unterstützen. Die aktuellen Zahlen lassen darauf schliessen, dass unsere Bemühungen, dieses Problem nachhaltig anzugehen, greifen. Das allgemeine Bewusstsein dafür und das Vertrauen in die verschiedenen von uns eingerichteten Meldemechanismen und -kanäle nehmen weiter zu.

Beschwerden aus unseren Einsatzländern

Etwa 90 Prozent der Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen (rund 57 000 Personen) waren 2021 im Feldeinsatz. Auf diese Kategorie entfielen insgesamt 490 Beschwerden, im Jahr 2020 waren es 389.  

Davon wurden nach Prüfung 158 Beschwerden als Fälle von Missbrauch oder unangemessenem Verhalten bestätigt, im Vergleich zu 149 im Jahr 2020.

Hierzu zählten 102 bestätigte Fälle von Missbrauch (2020 wurden 82 Fälle bestätigt), worunter verschiedene Formen von Missbrauch fallen: sexuelle Ausbeutung, Missbrauch und Belästigung (SEAH), Machtmissbrauch, Mobbing, Diskriminierung und körperliche Gewalt.

Im Jahr 2021 wurden insgesamt 54 Mitarbeitende aufgrund verschiedener Formen von Missbrauch entlassen (40 Entlassungen im Jahr 2020). Je nach Schweregrad wurden auch andere Massnahmen ergriffen, wie etwa Suspendierung, Herabstufung, schriftliche Verwarnungen oder obligatorische Schulungen.

Von den 102 bestätigten Missbrauchsfällen waren 67 SEAH-Fälle , gegenüber 55 im Jahr 2020. 33 Mitarbeitende wurden 2021 infolge eines SEAH-Vorfalls entlassen (28 im Jahr 2020).

Bei den übrigen bestätigten Fällen von Missbrauch handelte es sich um Mobbing (9 bestätigte Fälle), Machtmissbrauch (16 bestätigte Fälle), körperliche Gewalt (4 bestätigte Fälle) und Diskriminierung (6 bestätigte Fälle).

Zudem wurden 56 Fälle von unangemessenem Verhalten bestätigt, eine Zahl die gegenüber 2020 mit 67 bestätigten Fällen zurückgegangen ist. Darunter fallen Fehlverhalten von Mitarbeitenden, unangemessene Beziehungen, Verhalten, das nicht den sozialen Normen entspricht oder den Teamzusammenhalt beeinträchtigt, und Drogenkonsum.

Obwohl die Zahl der Beschwerden von unterdurchschnittlich vertretenen Gruppen weiter zugenommen hat, bleibt noch viel zu tun. Die Gesamtzahl der Beschwerden von lokal rekrutiertem Personal stieg 2021 auf 262 an (gegenüber 172 im Jahr 2020). Dies entspricht einem Anstieg um 52 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und kann als positive Entwicklung gewertet werden. Es besteht jedoch nach wie vor Handlungsbedarf, denn auf die lokal rekrutierten Kolleg:innen, die gut 90 Prozent des Personals von Ärzte ohne Grenzen weltweit ausmachen, entfällt gerade einmal die Hälfte der eingereichten Beschwerden.

Die Gesamtzahl der von Patient:innen und Pflegekräften vorgebrachten Beschwerden ist von 20 im Jahr 2020 auf 23 im Jahr 2021 sehr leicht angestiegen. Beschwerden von anderen externen Parteien, wozu Zulieferunternehmen, Medien, andere Organisationen, Angehörige der lokalen Gemeinden, Partner:innen, ehemalige Beschäftigte von Ärzte ohne Grenzen, Personal, das nicht bei Ärzte ohne Grenzen unter Vertrag steht, und Vereinsmitglieder von Ärzte ohne Grenzen gehören, sind von 27 im Jahr 2020 auf 67 im Jahr 2021 um nahezu 150 Prozent angestiegen. Dass die Zahl der Beschwerden von Patient:innen und dem Pflegepersonal so niedrig geblieben ist, gibt Anlass zu Besorgnis. Dies ist ein klarer Indikator dafür, dass das Bewusstsein dieser Gruppen für ihr Recht, Ärzte ohne Grenzen für missbräuchliches und unangemessenes Verhalten jeder Art zur Rechenschaft zu ziehen, noch gestärkt werden muss.

Auffallend ist auch, dass Diskriminierung und Rassismus sowohl von Mitarbeitenden der Organisation als auch von Aussenstehenden verhältnismässig selten gemeldet werden, obwohl Ärzte ohne Grenzen Fehlverhalten dieser Art bereits eingehend thematisiert. Insgesamt gingen 2021 32 Beschwerden im Zusammenhang mit Diskriminierung ein, 2020 waren es 41. Dies deutet darauf hin, dass Diversität und Inklusion noch stärker in die traditionellen Sensibilisierungsmassnahmen zu Verhaltensfragen einbezogen werden müssen.

Beschwerden aus den internationalen Büros

Seit 2020 hat Ärzte ohne Grenzen zusätzlich zu den Daten aus unseren medizinischen Projekten vor Ort auch Beschwerden aus unseren Büros in aller Welt vorliegen. Etwa 11 Prozent der MSF-Belegschaft arbeitet in diesen internationalen Büros.

Trotz der Bemühungen um eine Standardisierung des Reportings beziehen sich diese Daten auf unterschiedliche rechtliche und HR-Prozesse und sind daher noch nicht vollständig harmonisiert.

Aus den 38 Hauptbüros gingen im Jahr 2021 49 Beschwerden ein (etwas weniger als im Vorjahr, in dem aus 37 Büros 55 Beschwerden eingereicht wurden).

Davon wurden 25 Fälle bestätigt, wobei 19 als Fälle von Missbrauch und 11 als Fälle von unangemessenem Verhalten eingestuft wurden. Zum Vergleich: 2020 wurden 20 Fälle von Missbrauch und 18 Fälle von unangemessenem Verhalten bestätigt.

In 13 Fällen wurde entweder eine Strafe verhängt oder eine Entlassung ausgesprochen (gegenüber 20 Fällen im Vorjahr).  

2020 Update:

Im Jahr 2020 waren 63 000 Mitarbeitende für Ärzte ohne Grenzen im Einsatz. Insgesamt erreichten uns 444 Beschwerden. Davon stammten 389 von Mitarbeitenden in unseren humanitären und medizinischen Projekten und 55 aus unseren internationalen Büros. Im Folgenden sind die Fälle nach internationalen Büros und Einsatzgebieten gegliedert, da die Terminologie und die Reporting-Prozesse nicht in jeder Hinsicht vergleichbar sind.

Die Gesamtzahl der eingehenden Beschwerden lag in 2020 22 Prozent über dem Vorjahr. Bisher hatte Ärzte ohne Grenzen eher mit einem «Under-Reporting» von Missverhalten zu kämpfen. Die aktuellen Zahlen lassen darauf schliessen, dass unsere Bemühungen, das Problem nachhaltig anzugehen, greifen. Beschwerdeführer und Zeugen trauen sich zunehmend, ihre Meinung zu äussern. Auch wurde ein allgemeines Bewusstsein für die verschiedenen eingerichteten Meldemechanismen und -kanäle geschaffen bzw. gestärkt.

Aufgrund der Pandemie wurden Face-to-Face-Aktivitäten zur Verringerung inakzeptablen Verhaltens zurückgefahren, während virtuelle Trainings diesbezüglich intensiviert wurden. Im Vergleich zu 2019 wurden mehr Mitarbeitende im Umgang mit Fehlverhalten geschult.

Dennoch ist «Under-Reporting» nach wie vor ein Thema. Besondere Sorge bereitet die schwindende Anzahl Beschwerden von Patient*innen, Betreuungspersonen und Gemeindemitgliedern. Dies zeigt, wie wichtig Prävention und die Entwicklung von Beschwerdesystemen in den Gemeinden für diese Gruppen sind.

Beschwerden aus unseren Einsatzländern

Mehr als 90 Prozent der MSF-Mitarbeitenden (57 429 Personen) waren 2020 im Feldeinsatz. Insgesamt gab es 389 Beschwerden, die sich auf diese Mitarbeiterkategorie bezogen, im Jahr 2019 waren es 318.  

Davon wurden nach Prüfung 149 Beschwerden als Fälle von Missbrauch oder unangemessenem Verhalten bestätigt, im Vergleich zu 156 im Jahr 2019.

82 Vorfälle wurden als Missbrauch eingestuft, im Vergleich zu 106 bestätigten Fällen im Jahr 2019 (darunter fallen sexueller Missbrauch, Belästigung und Ausbeutung; Machtmissbrauch; Mobbing; Diskriminierung sowie körperliche Gewalt). Im Jahr 2020 wurden insgesamt 40 Mitarbeitende aufgrund verschiedener Formen von Missbrauch entlassen (55 Entlassungen im Jahr 2019). Je nach Schweregrad wurden andere Massnahmen ergriffen, wie z. B. Suspendierung, Herabstufung oder schriftliche Verwarnungen.

Von den 82 bestätigten Fällen von Missbrauch waren 55 Fälle von sexueller Belästigung, Missbrauch oder Ausbeutung (SEAH), im Vergleich zu 63 im Jahr 2019. 28 Mitarbeitende wurden 2020 infolge eines SEAH-Vorfalls entlassen (40 im Jahr 2019).

Bei den anderen bestätigten Fällen von Missbrauch handelte es sich um Mobbing (14 bestätigte Fälle), Machtmissbrauch (8 bestätigte Fälle), körperliche Gewalt (3 bestätigte Fälle) und Diskriminierung (2 bestätigte Fälle).

Zudem gab es 67 bestätigte Fälle von unangemessenem Verhalten, gegenüber 50 im Jahr 2019 (darunter fallen Fehlverhalten von Mitarbeitenden, unangemessene Beziehungen, unangemessenes Verhalten, das nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht oder den Zusammenhalt des Teams beeinträchtigt, sowie Drogenkonsum).

Es gab einen kleinen, aber bemerkenswerten Anstieg bei den Beschwerden von unterrepräsentierten Gruppen. Dennoch bleibt noch viel zu tun:

Die Gesamtzahl der Beschwerden von lokal rekrutiertem Personal stieg 2020 auf 172 an (gegenüber 144 im Jahr 2019). Die Stärkung des Bewusstseins und des Vertrauens von Kolleg*innen in Bezug auf ihre Beschwerdemöglichkeit ist als Erfolg zu werten. Doch angesichts der Tatsache, dass lokale Kolleg*innen 80 Prozent des Personals von MSF ausmachen, liegt noch viel Arbeit vor uns.

Bei der Gesamtzahl der von Patient*innen, Pflegekräften, Gemeindemitgliedern und anderen externen Parteien eingereichten Beschwerden gab es einen sehr leichten Anstieg auf 20 im Jahr 2020 (von 20 im Jahr 2019). In Anbetracht der Tatsache, dass Ärzte ohne Grenzen unzählige medizinische Konsultationen in über 80 Projekten weltweit erbringt und auch auf andere Art mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Kontakt kommt, ist es wahrscheinlich, dass hier die Anzahl von nicht gemeldeten Vorfällen signifikant ist. Bestehende Beschwerdemechanismen müssen weiter angepasst und verbessert werden, um Patient*innen und Gemeinden in den Einsatzgebieten besser zu erreichen, insbesondere angesichts der besonderen Bedürftigkeit vieler Menschen, denen Ärzte ohne Grenzen hilft.

Beschwerden aus den internationalen Büros

2020 hat Ärzte ohne Grenzen zusätzlich zu den Daten aus unseren medizinischen Projekten vor Ort auch Beschwerden aus unseren Büros in aller Welt vorliegen. Rund zehn Prozent der MSF-Belegschaft arbeitet in diesen internationalen Büros.

In den vergangenen Jahren mussten wir feststellen, dass das Fehlen dieser Zahlen zu einer erheblichen Datenlücke geführt hat. Entsprechend gibt es kein Vergleichsjahr. Trotz der Bemühungen um eine Standardisierung des Reportings beziehen sich diese Daten auf unterschiedliche rechtliche und personalwirtschaftliche Prozesse und sind daher möglicherweise noch nicht vollständig harmonisiert.

Von den 37 Hauptbüros (nicht-operative Einheiten), in denen im Jahr 2020 insgesamt 5596 Mitarbeitende (10 Prozent der MSF-Belegschaft) tätig waren, wurden 55 Fälle entweder über Managementlinien oder bürospezifische Beschwerdesyteme gemeldet.

Nach Prüfung wurden 38 Fälle entweder als Missbrauch (20) oder als unangemessenes Verhalten (18) eingestuft.
In 20 Fällen wurden Personen entweder entlassen oder es wurden – je nach Schweregrad – andere Massnahmen wie z. B. formelle Verwarnungen verhängt.

Eine Arbeitsumgebung zu schaffen und zu erhalten, in der Missbrauch und Belästigung keinen Platz haben, ist ein kontinuierlicher Prozess. Wir alle sind dafür verantwortlich. Auch verpflichten wir uns dazu, bedürftige Personen zu unterstützen – und ihnen keinerlei Schaden zuzufügen.

Wir fordern Mitarbeitende, Patient*innen und andere Personen, die mit MSF in Kontakt sind, dazu auf, weiterhin jegliche Vorfälle von inakzeptablem Verhalten zu melden.
 

2019 Update:

Obschon Ärzte ohne Grenzen davon ausgeht, dass weiterhin viele Fälle von Fehlverhalten nicht gemeldet werden, ist seit 2017 eine Zunahme der eingereichten Beschwerden zu verzeichnen. Dies zeigt, dass die von der Organisation eingerichteten Mechanismen genutzt werden. Zwar gab es 2019 im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um zehn Prozent, wir glauben jedoch, dass die hohe Zahl von 2018 auf die erhöhte Aufmerksamkeit, die das Thema damals sowohl intern als auch extern erregte, zurückzuführen ist. Es sind deshalb auf allen Meldeebenen weitere Anstrengungen nötig. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Gruppen, die bei den eingereichten Beschwerden bisher unterrepräsentiert waren. Dazu gehören lokal eingestelltes Personal, Patientinnen und Patienten und deren Betreuerinnen und Betreuer. 2019 war schon eine leichte Zunahme bei den Beschwerden aus dieser Gruppe festzustellen, aber es gibt noch viel Verbesserungspotenzial.

2019 beschäftigte Ärzte ohne Grenzen weltweit rund 65 000 Mitarbeitende, 90 Prozent davon in den Projekten vor Ort. Insgesamt gingen 322 Beschwerden gegenüber 356 im Jahr 2018 ein. Diese Zahl bezieht sich auf die Projekte; die Büros der Einsatzleitstellen sind nicht miteingeschlossen.

154 dieser Beschwerden wurden nach entsprechender Untersuchung entweder als Missbrauch oder unangemessenes Verhalten bestätigt (2018: 134). Die 104 als Missbrauch qualifizierten Fälle (2018: 78) umfassen verschiedene Formen des Missbrauchs, wie sexuellen Missbrauch, Belästigung und Ausbeutung, Machtmissbrauch, psychische Belästigung, Diskriminierung und körperliche Gewalt. 2019 wurden insgesamt 57 Mitarbeitende wegen verschiedener Formen von Missbrauch entlassen (2018: 52).

63 der 104 Fälle von Missbrauch bezogen sich auf sexuelle Belästigung, Missbrauch oder Ausbeutung (2018: 59). 37 Beschäftigte wurden deswegen entlassen (2018: 36).

Es gab 2019 auch 50 bestätigte Fälle von unangemessenem Verhalten (2018: 56). Hierunter fallen u.a. Missmanagement, unangemessene Beziehungen und Verhalten, das nicht dem gesellschaftlichen Standard entspricht oder den Zusammenhalt des Teams beeinträchtigt, sowie der Gebrauch von Drogen.

Obschon die Zahl der Beschwerden im Vergleich zu 2018 um 10 Prozent zurückging, ist es ein positives Signal, dass bei der Zahl der Beschwerden von Gruppen, die zuvor besonders unterrepräsentiert waren, eine Zunahme zu verzeichnen ist: So stieg die Zahl der Beschwerden von lokalen Mitarbeitenden von 128 im Jahr 2018 auf 144. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn lokale Mitarbeitende noch immer stark unterpräsentiert sind. Tatsächlich stammen nur 45 Prozent aller Beschwerden von dieser Gruppe, obschon sie 90 Prozent des ganzen Personals in den Projekten ausmacht. Auch die Zahl der Beschwerden, die von Patientinnen und Patienten sowie ihren Betreuerinnen und Betreuern eingereicht wurden, nahm zu. Die Zahl ist jedoch sehr tief: 2019 waren es 19 (2018: 13). In diesem Bereich sind offensichtlich noch weitere Anstrengungen nötig. Wir müssen sicherstellen, dass auch diese Gruppe Zugang zu unseren Meldemechanismen hat und diese versteht. 2019 wurde bereits eine Reihe von Massnahmen umgesetzt, u.a. spezielle Schulungsmodule für Personal sowie Workshops, bei denen Patientinnen und Patienten sowie ihre Betreuerinnen und Betreuer ihre Meinung kundtun können.

Die Gründe, Fehlverhalten nicht zu melden, ähneln denen, die in der Gesellschaft als Ganzes zu finden sind: darunter Angst, dass einem nicht geglaubt wird, Angst vor der vorherrschenden Stigmatisierung sowie Angst vor möglicher Vergeltung. Dies gilt besonders für die vielen Krisengebiete, in denen Ärzte ohne Grenzen tätig ist, wie z.B. in Konfliktgebieten, in denen es oft an allgemeinen Schutzmechanismen für die Opfer mangelt, Gewalt und Straffreiheit allgegenwärtig ist und in denen die Bevölkerung stark von externer Hilfe abhängig ist. Da unser Personal sich aus zahlreichen, heterogenen und oft wechselnden Mitarbeitenden zusammensetzt, sind kontinuierliche Bemühungen zur Information und Sensibilisierung rund um die Themen Belästigung und Missbrauch notwendig, ebenso wie Mechanismen zur Meldung solcher Fehlverhalten.

Das gemeinsame Ziel

Die Schaffung und Aufrechterhaltung einer Arbeitsumgebung, die frei von Missbrauch und Belästigung ist, ist ein stetiges Unterfangen, für das wir alle verantwortlich sind. Wir verpflichten uns, den schutzbedürftigen Menschen, denen wir zu helfen versuchen, keinen Schaden zuzufügen.

Wir fordern weiterhin Personal, Patientinnen und Patienten sowie alle anderen, die mit Ärzte ohne Grenzen Kontakt haben, auf, Fälle von Fehlverhalten zu melden.

2018 Update

Die Zahl der Meldungen, die über die Beschwerdemechanismen von Ärzte ohne Grenzen eingingen, ist im vergangenen Jahren gestiegen. Dennoch müssen wir leider davon ausgehen, dass Fehlverhalten weiterhin nicht in vollem Umfang gemeldet wird. Die Gründe dafür dürften u.a. an der verbreiteten Sorge vor negativen Folgen einer Meldung für die Betroffenen oder die Hinweisgebenden sowie an der Datenerhebung liegen.

Im Jahr 2018 beschäftigte Ärzte ohne Grenzen weltweit mehr als 65 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit insgesamt 356 Beschwerden* (2017: 182) verzeichneten wir einen deutlichen Anstieg an Meldungen aus unseren Projekten. Wir hoffen, dass dieser Anstieg darauf zurückzuführen ist, dass die Thematisierung des Themas mehr Menschen dazu motivieren konnte, Fehlverhalten zu melden.

134 dieser Beschwerden wurden nach entsprechender Untersuchung entweder als Missbrauch oder unangemessenes Verhalten bestätigt (2017: 83). 78 Fälle von den 134 Beschwerden wurden als Missbrauch qualifiziert (2017: 61). Dies umfasst verschiedene Formen des Missbrauchs, wie sexuellen Missbrauch, Belästigung und Ausbeutung, Machtmissbrauch, psychische Belästigung, Diskriminierung und körperliche Gewalt. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 52 Mitarbeiter wegen verschiedener Formen von Missbrauch entlassen (2017: 58).

59 der 78 Fälle im Jahr 2018 bezogen sich auf sexuellen Missbrauch, Belästigung oder Ausbeutung (2017: 32). 36 Beschäftigte wurden deswegen entlassen (2017: 20).

2018 gab es 56 bestätigte Fälle von unangemessenem Verhalten (2017: 22). Hierunter fallen u.a. unangemessene Beziehungen und Verhalten, das nicht dem gesellschaftlichen Standard entspricht oder den Zusammenhalt des Teams beeinträchtigt, sowie der Gebrauch von Drogen.

Wir fordern weiterhin Personal, Patientinnen und Patienten sowie alle anderen, die mit Ärzte ohne Grenzen Kontakt haben, auf, Fälle von Fehlverhalten zu melden.

Hinweis zur Änderung der Zahlen: Aufgrund der verbesserten Datenerhebung und -zusammenstellung hat Ärzte ohne Grenzen die Zahlen für 2017 aktualisiert. Die Gesamtzahl der Beschwerden für 2017 ist höher als zuvor gemeldet: Es gingen 182 Beschwerden anstelle der zuvor gemeldeten 146 ein. Auch die Zahl der bestätigten Fälle wurde leicht nach oben korrigiert. Einige Fälle aus dem Jahr 2018 werden zurzeit noch untersucht, so dass sich die Gesamtzahlen leicht ändern können.