DR Kongo: „Das Leben ist gefährlich, es gibt viel Leid“
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Victorine hat nach einem Angriff auf ihr Dorf in der Region Goma Zuflucht in einem Stadium gefunden. MSF leistet dort medizinische Grundversorgung für die Vertriebenen.
Victorine und ihre Familie mussten während der viertägigen Auseinandersetzungen Ende Mai dieses Jahres aus ihrem Haus fliehen. Es war zu Kämpfen zwischen der kongolesischen Armee und der Rebellen-Gruppe M23 um die Stadt Goma, im Osten der Demokratischen Republik Kongo gekommen. Gemeinsam mit 4’500 Menschen haben sie Zuflucht im Sotraki-Stadium am Rande der Stadt gefunden.
Victorine sitzt auf dem Boden, auf demselben Fleck, auf dem sie schon vor 24 Stunden gesessen hat. Sie trägt ein staubiges schwarzes T-Shirt und einen Rock und lehnt sie sich gegen einen Zaun – sie ist geschwächt. Ihr besorgter Blick ruht auf ihren vier Kindern im Alter zwischen zwei und zehn Jahren. Wie die meisten der Flüchtlinge im Sotraki-Stadium ist Victorine erschöpft. Viele der Menschen dort sind vor ihrer Ankunft mehrere Tage lang unterwegs gewesen; andere haben in Schulen und Kirchen Zuflucht vor den Kämpfen gefunden.
Victorine hat ihr Heimatdorf im Norden von Goma mit ihrem Ehemann und ihren vier Kindern verlassen. „Wir haben Bomben gehört, wir hatten Angst“, sagte sie. „Kugeln sind durch die Luft geflogen und Bomben auf Häuser gefallen. Ein Nachbar wurde von einer verirrten Kugel getötet.“
Das dritte Mal auf der Flucht in fünf Jahren
Das war bereits das dritte Mal seit 2008, dass ihre Familie fliehen musste. Das letzte Mal ist nur sechs Monate her. Es war während der Attacke der M23 auf Goma im November 2012. Die Familie hatte sich zwei Wochen in einer Schule versteckt und darauf gewartet, dass der Krieg aufhört.
Damals überstand die Familie den Angriff ohne Schaden, aber dieses Mal nicht. Im Chaos der Flucht wurde Victorines Ehemann getötet. Victorine und ihre Kinder schafften es zu einer lokalen Schule, in der sie sich fünf Tage verstecken konnten, bevor sie in Richtung Sotraki-Stadium aufbrachen. Victorines Dorf befindet sich direkt an der Frontlinie. Victorine weiss, dass sie sich auf eine lange Wartezeit einstellen muss, bevor es wieder sicher genug ist, um nach Hause zurückzukehren.
Bedrohungen, Erpressungen und Vergewaltigungen
Im Dorf Kibati hatten bereits seit mehreren Monaten starke Spannungen geherrscht. „Das Leben ist gefährlich, und es gibt viel Leid“, sagt Victorine. Sie hat Soja und weisse Bohnen auf dem Feld ausserhalb der Stadt angebaut, um ihre Familie zu ernähren. „Wenn wir zur Arbeit aufs Feld gehen wollten, waren dort Rebellen, die uns belästigten“, erzählt sie. Bedrohungen, Erpressungen und Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Während sie im Stadium warten, dass sich die Lage entspannt, ist ihre grösste Sorge, Essen für ihre Kinder zu finden. „Wenn ich Geld hätte, könnte ich das Essen auf dem Markt kaufen.“ Alles was sie von Zuhause mitnehmen konnte, war ein Bündel Kleidung.
Am Vortag hat sie zwei ihrer Kinder zu einer mobilen Klink von MSF gebracht. Die Zeltklinik wurde aufgebaut, um den Flüchtlingen im Stadium eine medizinische Grundversorgung anzubieten. Beide Kinder von Victorine sind an Durchfall erkrankt und weisen Zeichen von Mangelernährung auf. Das kommt öfters vor und ist wahrscheinlich auf die schlechten Bedingungen zurückzuführen, unter denen sie seit der Flucht aus ihrem Dorf leben. Es fehlt an ausreichend Essen, Toiletten sowie sauberem Wasser. Vergangene Nacht hat die Familie im Freien geschlafen. „Genau hier“, sagt Victorine und zeigt auf den Fleck Dreck am Boden, auf dem sie jetzt sitzt.
Victorine wurde mit 13 Jahren verheiratet, und ihr Mann brachte sie von Rutshuru nach Goma. Nun ist sie 24 und bereits verwitwet und muss sich um vier Kinder kümmern. Sie glaubt, dass ihre Chancen gering sind, nochmal zu heiraten. „Ein neuer Ehemann würde meine Kinder nicht lieben“, sagt sie mit einem müden Lächeln. Und sie ist über den Zustand ihrer Felder und ihres Hauses besorgt. Auch wenn das Haus trotz der Bomben noch steht, wurde es wahrscheinlich geplündert. Aber die meisten Sorgen macht sich Victorine darüber, wie sie ihre Kinder beschützen und ihnen helfen kann, diese schwierige Zeit zu überstehen.
Die Aktivitäten von MSF in Goma
Mehr als 10’000 Flüchtlinge haben derzeit Zuflucht in Lagern um Goma gefunden. MSF arbeitet in den beiden Lagern Bulengo und Mugunga 3. Die Organisation bietet eine medizinische Grundversorgung und Impfungen an, die den Ausbruch von Infektionskrankheiten, wie Masern und Cholera, verhindern sollen.