Flüchtlingslager in Dadaab: So kann es nicht weitergehen

«Aujourd’hui, même si les gens reçoivent de la nourriture, Dadaab ne constitue plus un refuge», ajoute la Dr. Elena Velilla, la représentante de MSF au Kenya.

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MSF fordert neue Lösungen für die halbe Million somalischer Flüchtlinge

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis in den Flüchtlingslagern in Dadaab die nächste Krise ausbricht. So steht es im heute veröffentlichten Bericht, den Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) anlässlich des bevorstehenden Weltflüchtlingstags herausgibt. Der Bericht Dadaab: Auf der Schattenseite des Lebens beschreibt das harte Los der halben Million Flüchtlinge, die unter zusehends unsichereren Bedingungen leben, ohne dabei die Möglichkeit zu haben, anderswo unterzukommen. MSF betont im Bericht, dass dringend Alternativen gesucht werden müssen.
Gemäss MSF sind ein Jahr nach der humanitären Krise von 2011 zwar sowohl die Fälle von Mangelernährung wie auch die Sterblichkeitsraten zurückgegangen, die Situation in den Lagern ist jedoch nach wie vor unakzeptabel. Ohne grundlegende Änderungen wird sich dieser Kreislauf aus Krisen gefolgt von relativ ruhigen Phasen immer wieder abspielen, und das medizinische Personal wird ständig auf der Hut vor dem nächsten Notfall sein.
„Obschon die Menschen Essen erhalten, ist Dadaab heute kein Zufluchtsort mehr“, hält Elena Velilla, Einsatzleiterin von MSF in Kenia, fest. „Es ist offensichtlich, dass die Lager in der derzeitigen Form nicht funktionieren. Wie viele Ernährungskrisen oder Masernepidemien braucht es noch, bis wir endlich nach einer neuen Lösung suchen?“
Die Flüchtlinge – die meisten von ihnen Frauen, kleine Kinder und ältere Menschen – treffen unterdessen weiterhin aus Somalia ein. Dadaab bietet ihnen jedoch keine Sicherheit mehr. In und um Dadaab verschlechtert sich die Sicherheitslage zusehends, was sich auch auf die Hilfeleistungen von MSF und anderen Organisationen niederschlägt.
Nach einer Reihe von ernsthaften Zwischenfällen im Oktober 2011, darunter die Entführung zweier MSF-Mitarbeiterinnen, wurden die Aktivitäten in den Lagern zurückgefahren, die Registrierung und die medizinische Untersuchung von Neuankömmlingen wurden komplett eingestellt. So waren die neu Eingetroffenen in den vergangenen acht Monaten gezwungen, bei Langzeitflüchtlingen in den bereits überfüllten Lagern Unterschlupf zu finden. Es kam zu Ausbrüchen von Masern und Cholera.
Als mögliche Alternativen zu Dadaab schlägt MSF unter anderem vor, die internationale Gemeinschaft dahingehend zu überzeugen, dass sich mehr Flüchtlinge im Ausland niederlassen können. Ein anderer Vorschlag sieht die Umsiedlung der Menschen in Lager von überschaubarer Grösse in einem sichereren Gebiet vor. Eine weitere Option wäre, die Flüchtlinge stärker dabei zu unterstützen, auf eigenen Füssen zu stehen. 
„Ein Flüchtlingslager ist keine langfristige Lösung”, betont Velilla. „Tausende schutzlose Menschen mussten schon viel zu lange leiden. In einem wirklichen Zufluchtsort müssen das gesundheitliche Wohl und die Würde der Menschen gewährleistet sein. Solange nichts getan wird, werden die somalischen Flüchtlinge auch weiterhin die Leidtragenden sein.“ 
MSF leitet ein Spital mit 300 Betten in Dagahaley, einem der fünf Lager in Dadaab. Das Ernährungsprogramm von MSF ermöglicht zurzeit die Versorgung von mehr als 850 schwer mangelernährten Kindern. Das MSF-Personal führt durchschnittlich 14'000 medizinische Untersuchungen pro Monat durch, rund 1'000 Flüchtlinge werden stationär aufgenommen. Das Angebot des Spitals umfasst eine Mutter-Kind-Versorgung, chirurgische Eingriffe und die Behandlung von HIV/Aids und Tuberkulose. MSF betreibt ausserdem vier Gesundheitsposten in Dagahaley, deren Angebot Schwangerschaftsfürsorge, Impfungen und psychologische Betreuung umfasst. 
Im Oktober 2011 wurden die beiden MSF-Mitarbeiterinnen Montserrat Serra und Blanca Thiebaut aus dem Flüchtlingslager Dadaab entführt, während sie dort somalischen Flüchtlingen Hilfe leisteten. Sie werden nach wie vor festgehalten, und MSF hat in der Folge sämtliche neuen Projekte, die keinen Notfall betreffen, auf Eis gelegt. Einsätze als Reaktion auf akute Krisen werden weitergeführt.