Gewalt im Nordosten der DR Kongo

Un village près de Dungu dans la région du Haut-Uélé, République Démocratique du Congo. 2008. © Fred Meylan/MSF

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Überlebende schildern traumatische Erlebnisse eines Angriffs.

Die Bewohner des Distrikts Haut Uélé im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo leben bereits seit September 2008 in ständiger Angst. Sie sind in einer Region gefangen, die immer wieder von Wellen der Gewalt erschüttert wird. Nach Schätzungen hat der Konflikt zwischen bewaffneten Gruppen und der ugandischen Rebellengruppe LRA inzwischen bereits rund 250'000 Menschen vertrieben.
Tausende Menschen versuchen, mit wenig Nahrung und kaum medizinischer Versorgung im Busch zu überleben. Hilfsorganisationen haben so gut wie keinen Zugang zu ihnen. Sogar dort, wo sich Vertriebene in sichereren Gegenden zusammenfinden, gibt es bisher kaum Hilfe. Das Gesundheitssystem ist so gut wie zusammengebrochen, und die meisten medizinischen Dienstleistungen mussten unterbrochen werden, da die Sicherheitslage nicht stabil genug ist.
In der Region Haut Uélé sind mehrere MSF-Teams aktiv: Sie leisten medizinische Nothilfe und bieten kostenlose Konsultationen an. MSF betreibt auch ein Projekt in der Stadt Dungu. Die Aktivitäten dort beinhalten chirurgische Eingriffe, ernährungstherapeutische Hilfe, psychologische Unterstützung und Unterstützung für Opfer sexueller Gewalt sowie Basisgesundheitsversorgung in zwei Gesundheitszentren. Die Hälfte der 45'000 Bewohner Dungus sind Vertriebene der anhaltenden Gewalt.
Das MSF-Team in Dungu hat am vergangenen Montag drei Überlebende eines grauenvollen Angriffs eingeflogen, der sich fünf Tage zuvor in einem kleinen Dorf in der Nähe von Bangadi ereignet hatte, das 100 Kilometer nord-westlich von Dungu liegt. Die Anzahl der Dorfbewohner, die beim Angriff ums Leben kamen, ist noch nicht bekannt.
Die Projektkoordinatorin von MSF, Claire Debard, hat die Evakuierung organisiert und konnte mit den drei Überlebenden sprechen:
Montag, 17. August 2009
„Heute Nachmittag hat das MSF-Team drei neue Verletzte in Empfang genommen, die schreckliche Gewalttaten von Mitgliedern einer bewaffneten Gruppe in der Umgebung von Bangadi überlebt haben.
Der Transfer per Flugzeug sollte bereits einen Tag früher stattfinden, doch der Pilot konnte aufgrund der klimatischen Bedingungen nicht starten.
Erst heute um 15 Uhr konnte unser Arzt hinfliegen. Er kam um 17 Uhr mit zwei Männern und einer Frau zurück, alle waren etwa 60 Jahre alt. Da sie an den Knien sichtbare Verletzungen hatten und sehr schwach waren, haben wir sie ins allgemeine Krankenhaus in Dungu gebracht, wo sie ein medizinisches Team erwartete.
Die Patienten wiesen schwere Verletzungen auf, darunter zwei offene Brüche und einen geschlossenen Bruch an den Beinen, sie benötigten externe Fixierungen und mussten stillgelegt werden. Nachdem sie behandelt wurden, konnte ich mich mit den beiden Männern unterhalten:
„Wir, also meine Frau, unsere fünfjährige Adoptivtochter und mein ältester Bruder, stammen aus einem Dorf, vier Kilometer von Bangadi. Anfang August hat unser Dorfältester uns aufgefordert, das Dorf zu verlassen und nach Bangadi zu fliehen, da sich eine bewaffnete Gruppe nahe unserem Dorf befand. Nach ein paar Tagen in Bangadi hatten wir dann aber nichts mehr zu essen, die Lage war unmöglich. Daher hat unsere kleine Familie beschlossen, ins Dorf zurückzukehren, um unsere Lebensmittelvorräte zu holen, mit denen wir in Bangadi hätten überleben können. Als wir jedoch im Dorf ankamen, wurden wir von einer Gruppe von fünf bewaffneten Männern überrascht, die drei Geiseln bei sich hatten, darunter eine Frau, die für uns übersetzte. Sie fesselten uns die Arme auf den Rücken und verschleppten uns in den Busch. Am nächsten Tag nahmen sie zuerst unser kleines Mädchen ins Dorf mit, da sie ein Huhn und Erdnüsse holen wollten…. Sie sind ohne sie zurückgekommen, sie hatten nur noch ihre Fesseln in den Händen. Sie….. gestorben.
Dann haben sie uns gesagt, dass sie uns nicht umbringen würden, sondern dass wir mit ihnen ins Dorf zurück sollten. Dort würden sie dann unsere Lebensmittelvorräte nehmen und uns schlagen. Das haben sie auch getan: Sie haben uns an den Beinen und Knien geschlagen, und danach sind sie in den Busch geflohen und haben uns dort auf dem Boden liegend zurückgelassen. So haben wir dann die Nacht verbracht, am Boden….
Am Montagmorgen hab ich beschlossen, dass wir etwas tun müssen, und ich hab mich kriechend auf den Weg in Richtung des nächsten Dorfes gemacht – Yamba, zwei Kilometer von unserem entfernt. Es ist mir gelungen. Die Menschen aus dem Dorf haben in Bangadi Hilfe geholt. Meine Frau und ich wurden – unter großen Schmerzen – auf einem Fahrrad transportiert. Mein Bruder wurde in einem Netz transportiert, da er sich auf dem Fahrrad nicht halten konnte.“