Haiti: Eineinhalb Jahre nach dem Erdbeben passt MSF die medizinischen Projekte an – Bedarf bleibt gross
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35 Sekunden Erdbeben. Danach war die Lebensgrundlage von Millionen Haitianern zerstört. Nach dem Beben am 12. Januar 2010 hat Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) die grösste Nothilfe-Aktion in ihrer 40-jährigen Geschichte durchgeführt. Die akuten medizinischen Bedürfnisse der Bevölkerung waren immens: Mehr als 300’000 Menschen wurden verletzt, über 1,5 Millionen wurden obdachlos. Im Oktober des gleichen Jahres brach eine Cholera-Epidemie mit 250’000 Fällen in den ersten fünf Monaten aus. MSF behandelte rund 50 Prozent der Erkrankten.
In den letzten Wochen dieses Jahres ist die Cholera-Epidemie zurückgekehrt. Zusätzlich beginnt die Hurrikan-Saison. Eineinhalb Jahre nach der Katastrophe passt MSF die Projekte nun an die veränderte Situation in Haiti an. Der Bedarf an medizinischer Hilfe ist nach wie vor gross. In vielen Regionen, in denen MSF arbeitet, war die medizinische Versorgung auch vor der Katastrophe mangelhaft.
Zeltkrankenhäuser schliessen
„Das Trinité-Notfallspital ist während des Erdbebens eingestürzt. Dabei starben sieben Patienten und zwei unserer Kollegen“, sagt Dr. Pierre Wagner, Notfall-Einsatzleiter von MSF. „So schnell wie möglich haben wir angefangen, in aufblasbaren Zelten auf dem Sportgelände einer Schule zu arbeiten. Dort wurden mehr als 16’000 Konsultationen und 9’000 Operationen durchgeführt. Nun wird es Zeit, diese provisorische Einrichtung wieder abzubauen. Die Schule möchte ihren Sportplatz wieder zurück.“
Dr. Wagner und sein Team verlegen die Notfall-Station aus der aufblasbaren Klinik in ein neues Spital von MSF – die Einrichtung mit 170 Betten wird den Zugang zu kostenloser medizinischer Hilfe für die Bevölkerung verbessern. Insbesondere für diejenigen Menschen, die in Stadtteilen wie Cité Soleil leben - einem der grössten Slums in Port-au-Prince. MSF unterstützt dort seit 2004 das öffentliche Choscal-Krankenhaus, aber: „Wir werden unsere Aktivitäten in Choscal einstellen, so dass das Gesundheitsministerium die Einrichtung wieder übernehmen kann“, sagt Gaëtan Drossart, Landeskoordinator von MSF. „Wir bauen aber auch ein Krankenhaus mit 114 Betten im Osten der Stadt“. Im Stadtteil Tabarre haben im November 100 Handwerker mit den Bauarbeiten begonnen - im Herbst soll es eröffnet werden.
Den neuen Bedürfnissen begegnen
MSF bietet in Port-au-Prince seit 2006 Notfall-Geburtshilfe und Schwangerenbetreuung. Selbst vor dem Erdbeben hatte Haiti die höchste Müttersterblichkeitsrate in der gesamten westlichen Hemisphäre.
„Unsere Geburtsklinik ist am 12. Januar erheblich beschädigt worden“, sagt der medizinische Leiter Dr. Hans Boucher von MSF. „Unsere Teams haben das Geburts-Krankenhaus des Gesundheitsministeriums über ein Jahr lang unterstützt. Währenddessen haben wir eine neue Notfall-Geburtsklinik mit 100 Betten errichtet, die im März eröffnet wurde“.
Unmittelbar nach dem Erdbeben haben die Teams von MSF, die bereits vor Ort waren, erste Hilfe geleistet und weitere Verstärkung kam schnell. Die Mitarbeiter haben mit der Arbeit in den stark besiedelten Gebieten der südlichen Vororte von Port-au-Prince begonnen und eine Dental-Klinik in eine Notfall-Station mit 80 Betten umgebaut, mit den Schwerpunkten Chirurgie sowie Pädiatrie. Diese Klinik wird Ende Juli geschlossen, wenn die neuen und grösseren Krankenhäuser von MSF eröffnet werden.
Im Epizentrum
„In Léogane, dem Epizentrum des Erdbebens, gab es enormen Bedarf an medizinischer Hilfe“, sagt Gérard Bedock, Koordinator bei MSF. „Achtzig Prozent der Gebäude waren zerstört, und nicht ein einziges Gesundheitszentrum war intakt“.
MSF hat in Léogane wenige Tage nach dem Erdbeben ein Spital aus einfachen Zelten gebaut. Später konnte es auf 150 Betten ausgebaut werden. Die Verletzungen, welche die Mitarbeiter heute dort behandeln, sind nicht mehr unmittelbar durch das Erdbeben verursacht. Die Einrichtung wurde mittlerweile zu einem öffentlichen Referenz-Krankenhaus und MSF plant, es dem Gesundheitsministerium zu übertragen.
Alle neuen Einrichtungen von MSF wurden in Zusammenarbeit mit den haitianischen Gesundheitsbehörden geplant und realisiert. Ihre Bauweise berücksichtigt die Möglichkeit erneuter Erdbeben oder Hurrikane.
MSF hat 2010 für die Projekte in Haiti 100 Millionen Euro ausgegeben und plant für 2011 ein Budget von 50 Millionen Euro ein. Rund 3’000 haitianische und 250 internationale Mitarbeiter sind für die Organisation im Einsatz in dem Land.