Haiti: Eröffnung eines nachhaltigen Container-Spitals
3 Min.
Am Freitag, 8. Oktober wurde in Leogane das Spital eingeweiht, das MSF in fünf Monaten gebaut hat. Die haitianischen Behörden nahmen an der Eröffnungsfeier teil.
Beim Erdbeben, das vor neun Monaten Haiti verwüstet hat, lag die Stadt Leogane dem Epizentrum am nächsten. Nun verfügt sie über ein brandneues Spital. Die letzten Patienten wurden im September in die vorgefertigten Container verlegt. Nur die Einweihungsfeier fehlte noch. Inzwischen hat auch diese stattgefunden. Vertreter des haitianischen Premierministers sowie des Gesundheits- und Planungsministeriums nahmen an den Feierlichkeiten teil und besuchten das Spital. Abiy Tamrat, Präsident von MSF Schweiz, war ebenfalls anwesend.
Seit dem schrecklichen Erdbeben am 12. Januar 2010 leistete MSF unter Planen und Zelten medizinische Versorgung. Bis zum Bau der neuen Einrichtung mussten die Patienten und das Pflegepersonal zweimal umziehen. Die Container haben den Vorteil, dass sie rasch zusammengebaut werden können. Die Infrastruktur lässt sich zudem den Bedürfnissen anpassen.
„Wir mussten das Ganze möglichst rasch über die Bühne bringen, um nicht in die Wirbelsturmsaison zu geraten. Normalerweise dauert es mindestens ein Jahr, um ein solches Projekt fertigzustellen“, erklärt Guillaume Queyras, Logistikverantwortlicher bei MSF. In diesem Fall habe die Baustelle nur fünf Monate gedauert.
Die Container weisen eine Fläche von 1700 m2 auf und verfügen über 120 Betten, zwei Operationstrakte, eine radiologische Abteilung sowie sieben Behandlungsräume. Das Gebäude zeichnet sich durch eine unabhängige Wasser- und Stromversorgung aus. Der Bau kam auf 2 Millionen Dollar zu stehen. Die Betriebskosten – inklusive Löhne der 400 Mitarbeitenden – betragen jährlich rund 7 bis 8 Millionen Dollar.
Entbindungen und Verkehrsunfälle
Trotz der Zerstörung durch das Erdbeben zog in der Region von Leogane schon bald wieder der Alltag ein. Seit März stehen die von MSF verzeichneten Hospitalisierungen in keinem direkten Zusammenhang mehr mit dem Erdbeben. Als die Strassen geräumt waren, kehrte der Verkehr zurück. Auch Unfälle waren wieder an der Tagesordnung. „Wir haben täglich drei bis vier Unfälle zu verzeichnen. Die Leute sind oft mit dem Motorrad unterwegs, was zu schweren Verletzungen führt. Wenn ein Bus in einen Unfall involviert ist, haben wir Dutzende von Verletzten zu beklagen“, erklärt Stéphane Reynier de Montlaux, Programmleiter von MSF in Leogane.
Im Zentrum der Aktivitäten von MSF stehen allerdings Entbindungen und allfällige Komplikationen. „Diese machen 80 Prozent unserer Notaufnahmen aus,“ sagt Reynier de Montlaux. Darüber hinaus betreut das Personal am Spital von Leogane Opfer sexueller Gewalt und verfügt über eine Abteilung für Familienplanung.
„Die Bevölkerung betrachtet das Spital als Segen“, berichtet der Programmleiter. Vor dem Erdbeben und unserem Eintreffen mangelte es in der Region schon seit zwei Jahren an einer Gesundheitsinfrastruktur. Leogane verfügte nur über eine Privatklinik, die trotz des riesigen Bedarfs wegen fehlenden Patienten Konkurs ging. Wenn man bedenkt, dass 70 Prozent der haitianischen Bevölkerung mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommt und bei einem Kaiserschnitt allein die ärztliche Versorgung rund 125 Dollar kostet, ist dies nicht weiter erstaunlich.
Übernahme durch die haitianischen Behörden?
Die Lebensdauer des Spitals wird auf mindestens fünf Jahre geschätzt. Bei einem guten Unterhalt der Einrichtung sind sogar zehn Jahre möglich. MSF hofft, dass die haitianischen Behörden die Container übernehmen oder am gleichen Standort ein neues Spital bauen. „Wir haben bereits informelle Gespräche mit der Regierung geführt, bei denen sie ihr Interesse bekundet hat. Die Verhandlungen stehen aber noch ganz am Anfang und wir werden darauf bestehen, dass die Versorgung weiterhin kostenlos erfolgt,“ versichert Reynier de Montlaux abschliessend.