Mangelernährung: weniger Behandlungsaufwand dank mehr Prävention

Dans tout le Sahel, MSF est confrontée chaque année à un afflux d’enfants gravement malnutris.

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MSF führt im Westen des Tschad eine Studie durch, um die optimale Organisation der Nahrungsverteilungen zu ermitteln. Ziel ist es, dem jährlich wiederkehrenden Anstieg der Mangelernährung vorzubeugen.

Es ist eine wahre Herkules-Aufgabe: Seit Februar durchkämmt ein Team von etwa fünfzig Personen sämtliche Dörfer in der Halbwüstenlandschaft um Massakory, Hauptstadt der Region Hadjer Lamis, um so die jüngsten Kinder in jeder Familie aufzuspüren. Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) schätzt ihre Zahl auf etwa 5’000. Diese Kinder sollen in den nächsten Monaten mit Nahrungsergänzungsmitteln versorgt werden. Wenn ihre Eltern damit einverstanden sind, werden sie auch gemessen und gewogen. Die Einwohner beantworten einen detaillierten Fragebogen über ihre materielle Lage, ihre Ernährung und ihre Gesundheit. Die Kinder werden anschliessend einmal im Monat untersucht. Die Studie, deren Ergebnisse für Mitte 2013 erwartet werden, wird von France Broillet geleitet. Sie erläutert uns die Ziele des Projekts.

Worin besteht diese Feldstudie genau?

Wir möchten die Auswirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln auf den Gesundheitszustand von Kindern im Alter von 6 Monaten bis 2 Jahren untersuchen. Kinder dieser Altersgruppe sind am anfälligsten und werden von der schweren akuten Mangelernährung am stärksten getroffen. In den Spitälern von MSF findet man genau diese Kinder am häufigsten.
In der gesamten Sahelzone muss MSF jedes Jahr erneut mit einem grossen Zustrom von schwer mangelernährten Kindern fertig werden. Dieses plötzliche starke Ansteigen von Mangelernährung erfolgt während des jährlichen Nahrungsmittelengpasses, wenn die Lagerbestände der letzten Ernten erschöpft sind und die Erwachsenen schon für die nächste Ernte auf den Feldern arbeiten. Der Organismus der Kinder ist bereits geschwächt. Wie jedes Jahr fällt der Anstieg von an Mangelernährung leidenden Kindern aber auch mit der Regenzeit und dem gleichzeitigen Wiederanstieg von Malaria sowie Atemwegs- und Durchfallerkrankungen zusammen.

Welchen Vorteil bieten Nahrungsergänzungsmittel angesichts dieser Umstände?

Diese Produkte sind reich an Mineralsalzen, Vitaminen und Oligo-Elementen. Sie wurden speziell für Kinder entwickelt, die bereits teilweise abgestillt sind. Diese Zutaten sind ganz wesentlich für gesundes Wachstum.
Leider enthält die Ernährung der Bevölkerung in der Sahelzone nicht ausreichend Mikro-nährstoffe. Dieses Ungleichgewicht verschlechtert sich während der kritischen Periode zwischen den Ernten weiter. In dieser Zeit wird das, was auf den Teller kommt, sowohl quantitativ als auch qualitativ schlechter. Die meisten Haushalte müssen ihren Verbrauch von Milchprodukten und Gemüse reduzieren.

MSF konnte die Wirksamkeit präventiver Nahrungsverteilung bereits im Niger demonstrieren. Warum soll der gleiche Effekt noch einmal im Tschad gezeigt werden?

Im Niger konnte die Sterblichkeitsrate bei Kindern, die Nahrungsergänzungsmittel erhalten haben, tatsächlich um 50 Prozent verringert werden. Hier im Tschad liegt der Fokus der Studie aber auf der Verteilungsdauer. Im Gebiet von Tourba wird die Nahrungsergänzung ausschliesslich während des Engpasses zwischen Juni und September verteilt, also so, wie MSF normalerweise vorgeht. In den Gebieten von Kamerom und Karal wird die Verteilung dagegen das ganze Jahr über stattfinden, und zwar ab März 2012. Wir möchten herausfinden, ob es sich lohnt, präventiv zu handeln. Und auch, ob es sinnvoll ist, derartige Verteilungsaktionen das ganze Jahr hindurch fortzusetzen, um das Auftreten von akuter schwerer Mangelernährung während der saisonalen Hungerperiode zu reduzieren.

Die Erfassung der Kinder in diesen drei Zonen durch Ihre Teams ist fast beendet. Glauben Sie, dass die Region von Hadjer Lamis wie 2010 vor einer schweren Ernährungskrise steht?

Natürlich sind wir alle besorgt, wie es in den nächsten Monaten weitergeht. Die letzten Ernten waren schlecht, und manche Haushalte besitzen bereits jetzt keine Reserven mehr. Trotzdem haben die Menschen, die wir befragt haben, zurzeit noch ausreichend zu essen. Wir haben nur eine kleine Minderheit von Kindern ermittelt, die an Mangelernährung leiden und nun in den ambulanten Zentren und dem MSF-Spital in Massakory behandelt werden.
Die Bevölkerung passt sich an, um mit dem Nahrungsmittelengpass fertig zu werden. Viele Männer sind zum Beispiel in die Nähe des Tschadsees gezogen, um dort Felder zu beackern. Diese Wanderungsbewegungen sind eigentlich nicht ungewöhnlich, aber die Anpassungsmechanismen scheinen nun immer häufiger jedes Jahr, und nicht nur in aussergewöhnlich schlechten Jahren zu erfolgen.

Was wird diese Studie bei MSF und auch im grösseren Rahmen bewirken?

Wir werden eine genauere Vorstellung davon haben, wie die Verteilung von Ergänzungsmitteln optimal organisiert werden kann. Das ist für MSF sehr wichtig, denn diese präventiven Massnahmen ermöglichen es uns, die Zahl neuer Fälle von akuter schwerer Mangelernährung zu senken. Gleichzeitig hoffen wir, so den Bau von neuen Ernährungszentren einschränken zu können. Denn diese Einrichtungen, die Hunderte von Kindern aufnehmen können, sind sehr aufwändig, beanspruchen viel Platz und fachlich qualifiziertes Personal. Unser Hauptziel ist es herauszufinden, ob diese kurz- oder langfristigen Verteilungsaktionen die Zahl der Fälle von schwerer akuter Mangelernährung, die während des Nahrungsmittelengpasses in unsere Spitäler kommen, senken können.
Die Ergebnisse der Studie werden dem tschadischen Gesundheitsministerium vorgelegt und anschliessend gemeinsam mit ihm diskutiert. Sollte sich herausstellen, dass es tatsächlich wirksamer ist, das ganze Jahr über Ergänzungsmittel zu verteilen, anstatt erst während der Hungerperiode Schadensbegrenzung zu betreiben, werden hohe Kosten entstehen. Dann werden wir den Tschad und seine Kreditgeber erst einmal davon überzeugen müssen, solche Verteilungsaktionen grossflächig einzuführen.