Mit dem Megafon gegen Cholera

«Deux minutes, pas plus – C'est le temps qu'il vous faut pour vous faire vacciner contre le choléra et échapper ainsi à cette maladie qui peut vous tuer»

Sambia5 Min.

In Sambia findet derzeit eine rekordverdächtige Kampagne zur Cholera-Prävention statt.

Nach Tagen mit bedecktem Himmel und Regenwetter bricht in Sambias Hauptstadt Lusaka endlich wieder die Sonne durch die Wolken. Auch die gedrückte Stimmung in den weitverzweigten Townships und informellen Siedlungen, wo sich schleichend eine Cholera-Epidemie ausgebreitet hat, verzieht sich allmählich.
Die monatelange Dürre vor der Regenzeit hatte die Trinkwasserbrunnen völlig ausgetrocknet, und so mussten die Menschen auf ungeschützte Wasserquellen zurückgreifen. Mit dem Einsetzen der Regenzeit gelangte Schlamm aus überschwemmten Latrinen auf Strassen und in Brunnen. So bildeten sich nicht nur stehende Schmutzwasserlachen auf den überfüllten Strassen von Lusakas Townships, sondern auch das Trinkwasser für die 1,2 Millionen Einwohner der Stadt wurde kontaminiert.
Solche Bedingungen bieten der Cholera, einer durch verseuchtes Wasser übertragenen Infektionskrankheit, leichtes Spiel. Seit Februar wurden 804 Cholera-Infektionen gemeldet, 15 Menschen sind daran gestorben.
Auch in der Vergangenheit kam es in Lusaka immer wieder zu Cholera-Ausbrüchen. In den fünf Jahren seit der letzten Epidemie ging jedoch der dabei erworbene Immunschutz der Bewohner zumeist wieder verloren und das Infektionsrisiko stieg stark an.
Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat deshalb in Zusammenarbeit mit dem sambischen Gesundheitsministerium die grösste Cholera-Impfkampagne der Geschichte durchgeführt, bei der 578'000 Menschen erreicht werden sollten.

Motivation der Massen

Die Kampagne ist ein gewaltiges Unterfangen für das Team bestehend aus acht MSF-Mitarbeitern, 60 Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums und 1'135 Freiwilligen aus den vier betroffenen Townships Kanyama, Bauleni, George und Chawama. Da die Impfung der Menschen an den 41 Impfstellen zügig vonstattengehen soll, ist schon die Logistik eine Herausforderung; vor allem aber müssen die Menschen ausreichend informiert und motiviert werden, damit sie überhaupt zum Impfen erscheinen.
Vor den jeweiligen Impfterminen ziehen Teams von Gesundheitshelfern mit Megafonen und Infoblättern durch Kanyama und ermutigen die Menschen, sich impfen zu lassen. In der Vergangenheit war das Township mit seiner Viertelmillion Einwohner oft das Epizentrum von Cholera-Ausbrüchen gewesen. Hier nun eine Impfkampagne durchzuführen, ist mit besonderen Schwierigkeiten verbunden.

«Nur zwei Minuten, um vor Cholera geschützt zu sein»

«Zwei Minuten – mehr braucht es nicht, um sich gegen Cholera impfen zu lassen und damit vor Erkrankung und Tod geschützt zu sein», erklärt Gesundheitshelferin Beenzu Chiwele. Sie spricht vor einem Friseurgeschäft zu einer Gruppe von vier Männern, der Besitzer lehnt in der Tür und hört ebenfalls zu. «Wir sind nur noch bis morgen in Kanyama, also kommt am besten heute noch vorbei!»
Während sie spricht, drückt Beenzu den Männern Infoblätter in die Hand. «Hilf uns im Kampf gegen Cholera!» steht auf den gelben Flugblättern geschrieben; auch die Impfdaten und Tipps zur Vermeidung einer Ansteckung kann man dort nachlesen. Da die Männer anfangs etwas skeptisch reagieren, zeigt Beenzu ihnen ein Infoblatt auf Nyanja (einer in Lusaka weit verbreiteten Sprache), auf dem zwei führende Persönlichkeiten der Stadt stolz ihren Impfausweis zeigen. Charmant lässt Beenzu noch ein wenig ihre Überredungskünste spielen, bevor die Männer sich schliesslich auf den Weg zur Impfstelle machen.

Cholera als persönliche Schande

Die Menschen in Kanyama haben grosse Angst vor dem Stigma, mit dem die Cholera behaftet ist. «Viele Menschen denken sofort an Cholera, wenn sie Kanyama hören. Dieses Vorurteil hält sich schon sehr lange», erzählt Beenzu. «Viele wollen nichts mehr mit einem zu tun haben, wenn sie erfahren, dass man aus Kanyama kommt, da hört man dann so Sachen wie, ‹Ihr aus Kanyama habt doch alle die Cholera und steckt die anderen damit an!›»
Beenzu erinnert sich lebhaft an den letzten Cholera-Ausbruch. «Ich war damals noch Schülerin», sagt sie. «Bei dem Ausbruch sind viele Menschen gestorben. In meinem Viertel ist zum Beispiel ein Mann auf der Strasse zusammengebrochen. Er war inkontinent und erbrach sich, und einige von uns, die ihm nahegekommen waren, mussten mit Chlorlösung eingesprüht werden, damit sich niemand ansteckt.»
«Obwohl die Menschen wissen, dass man an Cholera sterben kann, holen sie sich aufgrund dieser Stigmatisierung oft erst Hilfe, wenn die Krankheit schon sehr weit fortgeschritten ist», erzählt Beenzu weiter. «Die Menschen kommen erst zu uns, wenn die Krankheit schon die kritische Phase erreicht hat und sie bereits stark dehydriert sind. Viele Patienten sterben auf dem Weg in die Cholera-Behandlungszentren oder suchen in anderen Gegenden der Stadt Hilfe, weil sie nicht von den Nachbarn gesehen werden wollen. Manche Erkrankte sterben sogar im eigenen Zuhause wegen dieses Stigmas.»

Beim Gesundbleiben helfen

Beenzu hat für ihre Arbeit als Gesundheitshelferin das ideale Naturell. «Mein Name bedeutet ‹Besucher›», verrät sie. «Ich wurde so genannt, weil meine Mutter in der Schwangerschaft mit mir immer so viel Besuch bekam. Vielleicht kann ich deshalb so gut mit Menschen – ich verstehe mich jedenfalls mit jedem, egal ob jung oder alt, arm oder reich.»
Wenn sie nicht als Gesundheitshelferin arbeitet, studiert Beenzu Umwelt- und Gesundheitswissenschaft. «Ursprünglich wollte ich mal Ärztin werden und habe mir Gedanken darüber gemacht, was man tun könnte, damit die Menschen gar nicht erst krank werden. Dadurch lernte ich immer mehr über Umwelthygiene und Gesundheitsförderung. Mir wurde klar, dass ich den Menschen viel lieber beim Gesundbleiben helfen will, damit ich sie gar nicht erst als Patienten im Spital behandeln muss.»
Mit jedem Tag steigt die Zahl der geimpften Menschen; bis am 20. April sind bereits 342‘213 Impfdosen verabreicht worden. MSF und das Gesundheitsministerium arbeiten aktuell an einer Ausweitung ihrer gesundheitsfördernden Massnahmen, um noch mehr Menschen zu einer Impfung zu bewegen. Parallel dazu hat das Gesundheitsministerium in den am schlimmsten betroffenen Gebieten drei Cholera-Zentren eingerichtet, wo Erkrankte sich behandeln lassen können.