MSF behandelt im Staat Jonglei im südlichen Sudan die Opfer tödlicher Kämpfe
4 Min.
Im Staat Jonglei im südlichen Sudan kam es zwischen rivalisierenden ethnischen Gruppen kürzlich zu Gewaltausbrüchen. Die Teams von MSF behandeln die Verwundeten beider Seiten. Sie helfen denjenigen, die aus ihren Dörfern geflohen sind und behandeln Mangelernährte und Cholerapatienten.
Die Stammeskämpfe zwischen den verschiedenen Gruppen sind im Staat Jonglei in den letzten Monaten eskaliert. Die Folge sind Hunderte von Toten und Vertriebenen. Im März und April kam es zu zwei heftigen Kämpfen in den Gebieten von Pibor und Akobe, bei denen es 600 Tote gegeben haben soll, unter ihnen viele Frauen und Kinder.
Akobe
Am 21. April haben die Mediziner von MSF im Krankenhaus von Akobe bei der Behandlung von 36 neuen Verletzten geholfen, von denen die meisten Schusswunden hatten. Unter den Verwundeten waren sieben Kinder. Acht Patienten wurden nach Leer geflogen, wo sie in der chirurgischen Abteilung im Krankenhaus von MSF behandelt wurden.
„Nahezu alle Patienten haben ihre Familien während den Gewaltausbrüchen verloren. Wir haben furchtbare Geschichten gehört - Frauen und Kinder wurden in ihren Häusern angegriffen, ausserdem wurden Kinder entführt,“ sagte Jonathan Novoa, Medizinischer Koordinator von MSF in Akobe. „Viele Patienten hatten gleich mehrere Schusswunden – ein zehnjähriger Junge hatte je drei Kugeln in beiden Beinen. Eine Frau, die wir behandelt haben, hat ihre fünf Kinder und ihren Ehemann verloren. Sie konnte mit dem Jüngsten ihrer Kinder fliehen, er hatte eine Schusswunde im Arm. Beide haben überlebt und das Krankenhaus erreicht. Die Verwundeten und ihre Familien leiden unter den Traumata, die sie durch die Angriffe erlitten haben. Ihre Häuser sind mit all ihrem Habe niedergebrannt. Die Menschen sind nur mit dem geflohen, was sie ans sich hatten – sie sind um ihr Leben gerannt und schlafen unter freiem Himmel.“
Mehr als 15'000 Menschen sind bereits in Akobe angekommen. Es ist schwierig, sie mit Nahrung und den lebensnotwendigen Dingen zu versorgen, da die meist sumpfigen Strassen gerade erst befahrbar wurden, und das auch nur für wenige Wochen, da die Regenzeit beginnt. MSF hat das Krankenhaus in Akobe mit medizinischem Material, Mosquitonetzen und Decken versorgt. Da es nicht genug Nahrung für die Patienten und ihre Familien gab, hat MSF Nahrung auf dem lokalen Markt gekauft.
Pibor
Ein weiteres Team von MSF hat auf der anderen Seite von Jonglei die Verletzten der Kämpfe in Lekwongole, die Anfang März stattgefunden haben, nach Pibor evakuiert. MSF hat mehr als 40 Patienten mit Schusswunden behandelt, viele von ihnen wurden von heftigen Traumata geplagt. Ausserdem hat MSF 22 schwer Verletzte nach Juba und Boma ausgeflogen, wo Notoperationen durchgeführt wurden. Darunter waren neun Kinder, von denen zwei Drittel jünger als fünf Jahre alt waren.
Dr. Catherine Van Overloop, Medizinische Koordinatorin für MSF in Pibor, erklärte, „Sogar zehn Tage nach den Angriffen in Lekwongole kamen noch verletzte Menschen in die Klinik. Sie haben sich aus Angst vor weiteren Angriffen im Wald versteckt statt die medizinische Hilfe zu suchen, die sie dringend nötig hatten. Als sie dann kamen, waren die Wunden bereits infiziert. Die Frauen in Pibor hatten tagelang Angst, ihre Kinder alleine zu lassen, da sie bei weiteren Angriffen getötet oder entführt werden könnten. Sie haben sie überall hin mitgenommen, sogar mit zur Arbeit aus Angst, dass sie plötzlich hätten fliehen müssen.“
Mehr als 5'000 Menschen sind während der Angriffe von Lekwongole nach Pibor geflohen. Die Vertriebenen wurden von Familien in Pibor aufgenommen und mit dem Nötigsten versorgt. Seit März steigt die Zahl der Mangelernährten im Ernährungsprogramm von MSF in Pibor an. MSF hat in den letzten drei Jahren nicht so viele mangelernährte Menschen gesehen wie im Moment, obwohl Nahrung in dieser Jahreszeit traditionell knapp ist.
Die Vertriebenen sind am meisten vom Nahrungsmangel betroffen, da sie keinen Zugang zu den Feldern in ihren Dörfern haben. Mehr als die Hälfte (57%) der Neuzugänge im Ernährungsprogramm von MSF in Pibor sind Patienten, die ihre Dörfer durch die Angriffe im März verlassen haben.
Die Nahrungslieferungen anderer Organisationen nach Pibor waren durch die unsichere Lage stark behindert. Die steigende Mangelernährung bereitet große Sorgen, da die Vertriebenen und die Bewohner von Pibor keine Möglichkeit haben, sich Nahrung zu besorgen. MSF hat die Vereinten Nationen und das Welternährungsprogramm um Unterstützung gebeten, worauf hin 17 Lastwagen mit Nahrungsmitteln bereit gestellt wurden, um den Menschen zu helfen.
MSF hat in Pibor in den letzten zwei Wochen 43 Fälle mit akutem wässrigem Durchfall behandelt. Nur wenige der Vertriebenen haben Zugang zu sauberem Wasser. Die zwei Proben, die im Labor untersucht wurden haben bestätigt, dass es sich um Cholera handelt – eine hoch ansteckende Krankheit. MSF hat einen zusätzlichen Arzt und vier Krankenschwestern nach Pibor geholt, die sich um die Patienten im Cholerabehandlungszentrum kümmern.
MSF bietet im Sudan seit 1978 medizinische und humanitäre Hilfe an. Neben den Gewaltausbrüchen, ist Mangelernährung weit verbreitet, die Müttersterblichkeit ist die höchste weltweit, Tuberkulose und Kala Azar sind anhaltende Probleme, und weitreichende Ausbrüche von Meningitis, Masern, Cholera und Malaria sind üblich.