Sierra Leone: Neuer Ansatz bringt enorme Verbesserungen bei Diagnose und Behandlung von Kindern mit TB
© MSF/Ammar Obeidat
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Ärzte ohne Grenzen ist seit 1986 in Sierra Leone tätig und leitet aktuell medizinische Aktivitäten in den Distrikten Bombali, Tonkolili und Kenema. Im Makeni-Spital unterstützen unsere Teams das Gesundheitsministerium bei der Behandlung von Menschen mit medikamentenresistenter TB.
«Ich verliess mein Dorf und kam mit meinem Sohn hierher, weil es ihm einfach nicht besser gehen wollte», erzählt Aruna, der Vater des dreijährigen Augustine. «Er verlor an Gewicht und hustete ständig. Er schwitzte die ganze Nacht – ich musste aufstehen und ihm den Schweiss abwischen. Er ist mein jüngstes Kind, es macht mir Angst, ihn so zu sehen.»
Im Makeni-Spital wird bei Augustine Tuberkulose (TB) diagnostiziert. Die Einrichtung im Distrikt Bombali wird von Ärzte ohne Grenzen unterstützt. Neben der TB-Behandlung erhält er auch spezielle therapeutische Milch, da der Junge zudem schwer mangelernährt ist
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Wenn Kinder mangelernährt sind, ist ihr Immunsystem geschwächt, sodass sie leichter an Tuberkulose erkranken. Mangelernährung ist ein landesweites Problem; deshalb ist es noch wichtiger, bei Kindern auf TB-Symptome zu achten.
Doch die Krankheit bei kleinen Kindern zu diagnostizieren, ist nicht einfach: Sie haben oftmals Mühe, eine Sputumprobe (Schleim, der aus den Atemwegen ausgeschieden wird) abzugeben, die üblicherweise für die Diagnose einer Lungentuberkulose benötigt wird. Zudem kann TB bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen auch ausserhalb der Lungen lokalisiert werden – hierbei handelt es sich um eine extrapulmonale Tuberkulose. Proben und eine genaue Diagnose zu erhalten, ist bei extrapulmonaler TB noch schwieriger.
Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 2020 im Rahmen des Nationalen Programms zur Bekämpfung von Lepra und Tuberkulose (NLTCP) mit dem Gesundheitsministerium von Sierra Leone zusammen. Einer der Schwerpunkte ist die Verbesserung der Diagnose und Behandlung von TB bei Kindern. Unsere Teams arbeiten im Makeni-Spital und in 12 Stellen für überwachte Therapie (DOT, Directly Observed Therapy).
2022 begann Ärzte ohne Grenzen, innovative Methoden zur TB-Diagnose einzusetzen, die auch den neu herausgegebenen Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation entsprachen. Diese Richtlinien enthalten «Algorithmen für Behandlungsentscheidungen», basierend auf Stuhlproben für molekulare Tests oder Urinproben für HIV-positive Kinder. Unser Team hat auch ein Transportsystem eingerichtet, um die Proben von den 12 DOT-Stellen in das Labor des Makeni-Spitals zu bringen, wo diese molekularen Tests unterzogen werden.
Wir behandelten ein dreijähriges Kind gegen TB, doch nach Beendigung der Therapie kam die Mutter zurück, weil das Mädchen wieder TB-Symptome hatte. Wir machten einen Test mit einer Stuhlprobe, der negativ war. Weil sie alle Anzeichen für TB hatte und auch HIV-positiv ist, machten wir zusätzlich noch einen Urin-Test, und hier war das TB-Ergebnis positiv.
Wie Augustine sind erschreckend viele Kinder unter fünf Jahren mit TB auch schwer mangelernährt. Deshalb bietet unser Team in Bombali im Rahmen des TB-Programms bei Kindern auch die Behandlung von Mangelernährung an.
Wenn die Patient:innen für eine Konsultation in eine DOT-Stelle kommen, wird der Behandlungsfortschritt überprüft und sie erhalten Medikamentennachschub. Mangelernährten Kindern wird auch gebrauchsfertige therapeutische Nahrung – mit Vitaminen und Mineralien angereicherte Erdnusspaste –, für zuhause mitgegeben. Dadurch kann die Zahl der Klinikbesuche reduziert werden. Das ist sehr hilfreich, wenn die nächste Gesundheitseinrichtung zwei Stunden entfernt ist.
«Dadurch, dass wir die neuen Tools nutzen, die Behandlung näher zu den Patient:innen bringen und in den DOT-Stellen auch ernährungstherapeutische Unterstützung anbieten, konnten wir deutlich mehr Menschen in unser Programm aufnehmen und erfolgreich behandeln», freut sich unser medizinischer Teamleiter Jobin Joseph.
«Ich vermisse meine Schule und meine Freunde sehr», erzählt die 14-jährige Fatmata, die gegen TB behandelt wird. «Sobald es mir besser geht, gehe ich wieder zur Schule.» Fatmata wurde von ihrer Grossmutter ins Makeni-Spital gebracht, als sie TB-Symptome hatte; dort wurde die Krankheit schnell diagnostiziert. Wegen der langen Behandlungsdauer von etwa sechs Monaten fehlen Kinder wie Fatmata oft über lange Zeit in der Schule. Viele werden von ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen, weil die Krankheit noch immer mit einem Stigma behaftet ist.
2023 wurden insgesamt 2148 Menschen mit arzneimittelsensitiver TB (die mit Erstlinien-Medikamenten behandelt werden kann) zum TB-Programm in Bombali zugelassen. Nach der Einführung der neuen Diagnosetools konnten 2023 im Programm für arzneimittelsensitive Tuberkulose 405 Kinder unter 15 Jahren aufgenommen werden, während es 2020 nur 31 waren.
«Angesichts der vielen Kinder, die in Sierra Leone an Tuberkulose erkranken, ist klar, dass das NLTCP mehr Unterstützung seitens der Regierung und Geldgeber:innen benötigt. Nur so kann das erfolgreiche Diagnose- und -Behandlungsmodell landesweit eingesetzt werden», betont unser medizinischer Koordinator Dr. Kennedy Uadiale. «Zudem sollten die DOT-Stellen standardmässig auch ernährungstherapeutische Programme enthalten, um bessere Behandlungserfolge zu erzielen.»
Die Kampagne «Time for $5» fordert das US-Diagnostikunternehmen Cepheid und seine Muttergesellschaft Danaher auf, den Preis für seine lebensrettenden GeneXpert-Tests auf 5 US-Dollar pro Test zu senken und auf einen Gewinn beim Verkauf zu verzichten. Der GeneXpert-Test ist ein wichtiges Instrument zur Diagnose lebensbedrohlicher Krankheiten wie Tuberkulose, HIV oder Ebola. Er kann Millionen von Leben retten – aber er ist für die meisten Länder, in denen er benötigt wird, zu teuer. Jede Stimme zählt!
© MSF/Ammar Obeidat