Ukraine: MSF weist falsche Anschuldigungen des Humanitären Komitees von Donezk zurück
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MSF ist schockiert über die falschen Anschuldigungen, die die Behörden der selbsternannten Volksrepublik Donezk in Bezug auf die medizinisch-humanitären Aktivitäten der Organisation in den Medien machten, und weist diese mit Nachdruck zurück.
Zu den Anschuldigungen gehören fehlerhafte Aussagen zum Missmanagement von pharmazeutischen Produkten wie beispielsweise Psychopharmaka, die Kritik am psychologischen Programm der Organisation sowie die Spionage-Vorwürfe.
In den vergangenen Monaten bemühte sich Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF), den vom Konflikt betroffenen Menschen auf beiden Seiten der Front lebensrettende medizinische Hilfe zu bieten. Alle Aktivitäten der Organisation – einschliesslich des Transportes, der Lagerung und der Verteilung von Medikamenten sowie die unseres psychologischen Programms – erfolgten jederzeit in Zusammenarbeit und Absprache mit den Behörden der Volksrepublik Donezk.
Als MSF am 19. Oktober die offizielle Mitteilung über die Aberkennung unserer Zulassung in der Volksrepublik Donezk erhielt, wurde uns zu keinem Zeitpunkt eine offizielle Begründung gegeben, die zu dieser Massnahme führten. Wir sind über die Entscheidung äusserst besorgt, denn Tausenden Menschen wird dadurch lebensrettende medizinische Hilfe vorenthalten.
Damit die Bevölkerung diese Hilfe weiterhin erhält, ist MSF bereit, mit den Behörden zusammenzuarbeiten und fordert weiterhin, dass dieser Schritt nochmals überdacht wird.
Psychologische Hilfe entscheidend für Betroffene des Konflikts
Die Bereitstellung psychologischer Betreuung ist ein wesentlicher Bestandteil der Aktivitäten von MSF in vielen Konfliktgebieten. Die Organisation unterhielt in der Volksrepublik Donezk bis Juli 2015ein psychologisches Hilfsprogramm, als wir von den Behörden gebeten wurden, diese Aktivitäten zu stoppen. MSF kritisiert diese Entscheidung des Humanitären Komitees der Volksrepublik Donezk aufs Schärfste. Psychologische Hilfe ist ein entscheidender Bestandteil der ärztlichen Hilfstätigkeiten für Menschen, die mit den Folgen eines Konflikts umgehen müssen.
Vor dem Verbot beriet MSF betroffene Menschen, wie sie mit emotionalen Reaktionen nach traumatischen Ereignissen umgehen und Angst und Alpträume bewältigen können. Darüber hinaus organisierten Psychologen der Organisation Trainings für lokales medizinisches und psychologisches Personal, um ihre therapeutischen Fähigkeiten zu stärken und um Burnouts zu vermeiden. MSF hat in der Volksrepublik Donezk an mehr als 35 Standorten über 3‘400 psychologische Sitzungen durchgeführt, einschliesslich individueller Beratungen, Gruppensitzungen und Schulungen.
Psychopharmaka: ein wesentlicher Bestandteil von Medikamentenspenden
Im Einklang mit medizinischen Behandlungsprotokollen sind Psychopharmaka ein wesentlicher Bestandteil von Medikamentenspenden von MSF an Gesundheitseinrichtungen, in denen Ärzte Kriegsverletzte, Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Epilepsie oder Menschen mit psychischen Erkrankungen behandeln. Die Psychopharmaka wurden dem öffentlichen Gesundheitssystem gespendet; die Patienten konnten sie von ihrem behandelnden Arzt bekommen. Jede medizinische Lieferung enthält alle notwendigen Medikamente, um Patienten angemessen zu behandeln, und MSF verteilt diese basierend auf Nachfragen der Gesundheitseinrichtungen. Alle Spenden von Medikamenten und medizinischen Hilfsgütern werden mit den Gesundheitsbehörden vor Ort koordiniert und entsprechend dokumentiert.
MSF-Aktivitäten in der Volksrepublik Donezk
Seit Beginn des Konflikts im Mai 2014 hat MSF Medikamente und Material an 170 medizinische Einrichtungen gespendet, damit sie Kriegsverletzte und Patienten mit chronischen Erkrankungen behandeln können. Die Organisation hat ausserdem seit März 2015 gemeinsam mit den lokalen Gesundheitsbehörden mehr als 85‘000 medizinische Konsultationen mit 40 mobilen Kliniken durchgeführt. So konnten die Teams Menschen an Orten erreichen, wo Ärzte und Pflegepersonal geflohen waren oder in denen die Apotheken über keinerlei Medikamente mehr verfügten. Wir waren nahezu die einzige Organisation, die Tuberkulosekranke in Gefängnissen behandelte, Insulin für Diabetes-Patienten bereitstellte und Produkte für die Hämodialyse gegen Nierenversagen bereitstellte. Mit der Beendigung dieser Aktivitäten von einem Tag auf den anderen werden Tausende Patienten mit chronischen, potenziell tödlichen Krankheiten künftig kaum oder gar keine Hilfe mehr erhalten.
MSF stellte bislang 77 Prozent des benötigten Insulins in der Volksrepublik Donezk für erwachsene Diabetes-Patienten zur Verfügung. Die Teams lieferten ebenfalls 90 Prozent der Produkte, die für eine Hämodialyse-Behandlung – eine lebenswichtige Behandlung für Patienten, die an Nierenversagen leiden. Ein Unterbruch bei der Versorgung mit diesen lebenswichtigen Behandlungen kann für die Betroffenen schwere gesundheitliche Folgen haben. Für diese Patienten gibt es nach dem Rückzug von MSF kaum andere Optionen.
Rund 150 Patienten, die im Strafvollzug leben, und die MSF seit 2011 mit Medikamenten gegen multiresistente Tuberkulose versorgte, haben nun keinen Zugriff mehr auf die Behandlung. Es besteht ein grosses Risiko, dass die Gesundheit dieser Patienten sich bald verschlechtert. Es ist bekannt, dass jede Unterbrechung der Behandlung von Patienten mit multiresistenten Formen der Tuberkulose zu einer drastischen Reduzierung der Heilungschancen führt, auch wenn sie die Behandlung später neu starten.