“Unsere Arbeit macht einen Unterschied”

Hawijah, Irak, 2010

3 Min.

Trotz der schwierigen Sicherheitslage konnte ein chirurgisches Team von MSF, bestehend aus irakischen Ärzten, Anfang Januar im Allgemeinen Krankenhaus von Hawijah in der Provinz Kirkuk zu arbeiten beginnen. Es ist das erste Mal seit Beginn des Krieges, dass MSF in diesem Teil des Landes direkt Patienten behandeln kann. Der Anästhesist des Teams, Dr. M, (Aus Sicherheitsgründen werden Mitarbeiter, die im Irak arbeiten, nicht namentlich erwähnt) berichtet von ihrem Einsatz.

Welche Art von Hilfe leistet MSF in Hawijah?
Wir sind ein kleines Team – ein Allgemeinchirurg und ich. Das Problem im Allgemeinen Krankenhaus von Hawijah war, dass es nicht genug Personal für die eingelieferten Notfälle gab. Die Ärzte beendeten ihren Dienst gegen ein oder zwei Uhr nachmittags. Alle Patienten, die Nothilfe benötigten, alle Verletzten, die nach dieser Zeit aufgenommen wurden, mussten nach Kirkuk überwiesen werden. Die Strecke ist rund 80 Kilometer lang, die Strassen sind sehr schlecht, etwa 17 Checkpoints  müssen passiert werden und es ist viel Militär unterwegs. Die Fahrt kann Stunden dauern. Für einen Patienten in kritischem Zustand ist das zu lang. Sogar Frauen die bereits in den Wehen lagen und bei denen es Komplikationen gab, mussten auf diese beschwerliche Fahrt geschickt werden, weil die Notaufnahme im Krankenhaus von Hawijah geschlossen war. Sie war auch von Freitag bis Sonntag geschlossen. Das bedeutete, dass es für eine Bevölkerung von rund  450’000 Menschen – von Hawijah Stadt und Umgebung – an drei Tagen in der Woche keine medizinische Nothilfe gab.
Was kann das kleine Team von MSF unter diesen Umständen bewirken?
Seit wir im Januar zu arbeiten begonnen haben, funktioniert der Operationssaal rund um die Uhr statt nur am Vormittag. Damit konnten wir die Zahl der chirurgischen Eingriffe fast verdoppeln. Allein unser Team hat seit dem Start des Programms etwa 300 chirurgische Eingriffe durchgeführt, mehr als die Hälfte davon waren Notfälle. Die meisten davon sind akute Blinddarmentzündungen, Kaiserschnitte, Brüche und akute Verletzungen. Mit den Operationen, die wir durchführen, machen wir wirklich einen Unterschied.
Mit welchen Schwierigkeiten ist MSF bei der Arbeit in Hawijah konfrontiert?
Ein Grossteil der medizinischen Instrumente, die wir verwenden, ist alt. Die Pflege des Materials hat während der vergangenen Jahre nicht dem erforderlichen Standard entsprochen. Um ein Beispiel zu nennen: Der Generator arbeitet nicht verlässlich und wir sind manchmal gezwungen, für die Narkose manuelle Ventilation zu verwenden. Es fehlt auch an einigen spezifischen Medikamenten und Materialien. Wir haben auch noch immer keinen Geburtshelfer während der Nachtschichten und es fehlt an spezialisiertem Personal, wie etwa Neurochirurgen.
Aufgrund der schlechten Sicherheitslage ist unbeschreiblich schwierig für MSF  direkte Hilfe für die irakische Bevölkerung zu leisten. Wie reagieren die Bewohner von Hawijah auf das Programm von MSF?
Sehr gut, die Menschen sind wirklich glücklich darüber, dass die Notaufnahme jetzt rund um die Uhr zur Verfügung steht. Sie können jeden in der Stadt fragen, alle wissen vom Engagement von MSF im Krankenhaus und die Bevölkerung schätzt dieses sehr. Hawijah hat seit 2003 entsetzliche Gewalt erlebt, besonders 2006 und 2007. Zu sehen, dass sich die Zustände im Krankenhaus verbessern und dass MSF Hilfe leistet, macht den Menschen grosse Hoffnung. Es gibt ihnen das Gefühl, dass die Dinge wieder voran gehen.

Obwohl es durch den Konflikt im Irak für humanitäre Organisationen sehr schwer ist, im Land präsent zu sein, versucht MSF alles, um medizinische Hilfe für die irakische Bevölkerung zu leisten. Seit 2006 hat die Organisation Hilfsprogramme in verschiedenen Teilen des Irak eingerichtet, darunter Anbar, Basra und die nördlichen Provinzen Kirkuk und Ninewa, durch die vor allem Krankenhäuser mit Lieferungen von medizinischen Material und durch Training von Personal unterstützt werden. MSF betreibt auch ein Programm der rekonstruktiven Chirurgie für irakische Kriegsverletzte in Jordanien.