„Wir rufen Novartis dazu auf, die Klage in Indien fallen zu lassen”
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In einem offenen Brief, der zur Wiederaufnahme des Prozesses veröffentlicht werden soll, bittet MSF die Verantwortlichen von Novartis, dem Kampf gegen das indische Patentrecht ein Ende zu setzen. Die Gesundheit von Millionen Patienten auf der ganzen Welt steht auf dem Spiel.
„Sehr geehrter Herr Jimenez, sehr geehrter Herr Vasella*
Heute, am 11. September, klagen in Delhi erneut Rechtsanwälte im Namen von Novartis vor dem Obersten Gerichtshof Indiens, um eine der zentralen Funktionen im Patentgesetz des Landes zum Schutz des öffentlichen Gesundheitswesens zu lockern. Dies könnte in ärmeren Ländern Millionen von Menschen den Zugang zu Medikamenten verwehren.
Das indische Patentgesetz, das den internationalen Handelsregeln entspricht, will medizinische Innovation belohnen, indem Patente für neue pharmazeutische Wirkstoffe vergeben werden – als Beweis hierfür das im Dezember 2009 an Novartis erteilte Patent für Tasigna (Nilotinib). Gleichzeitig soll Indiens Patentgesetz aber auch verhindern, dass Pharmaunternehmen Patente missbräuchlich einsetzen und damit Monopole und erhöhte Preise bewirken. Wir bitten Sie eindringlich, die ursprüngliche Intention dieses Gesetzes zu respektieren.
„Ohne therapeutischen Mehrwert“
Vor diesem Hintergrund befand Indien, dass das Krebsmedikament Glivec von Novartis nicht patentwürdig sei, da es sich um eine einfache Formulierung – ohne therapeutischen Mehrwert – des bestehenden Moleküls Imatinib handelt, das bereits der Öffentlichkeit zugänglich ist. Dieser Befund wurde in mehreren Urteilssprüchen bestätigt, trotz wiederholter juristischer Anfechtungen seitens Novartis. Aus diesem Grund können Hersteller von Generika ihre Version von Glivec für CHF 170.- pro Monat verkaufen, während das Medikament von Novartis CHF 2'100.- kostet. Trotzdem erhebt Novartis erneut Einspruch gegen diese Entscheidung und bringt den Fall nun vor das Oberste Gericht Indiens. Im Falle eines Siegs von Novartis werden Pharmaunternehmen künftig in der Lage sein, Patente für „neue Formulierungen“ bestehender Medikamente einzureichen, selbst wenn die Modifizierungen keinen erwiesenen therapeutischen Mehrwert haben. Verliert Novartis, werden dennoch nach wie vor Patente für echte Innovationen erteilt.
„Wenn Sie gewinnen, schaffen Sie einen Präzedenzfall“
Bei diesem Fall steht weit mehr auf dem Spiel als Glivec. Falls Novartis gewinnt, wird dadurch ein Präzedenzfall geschaffen. Das Vorgehen von Novartis wird die Erteilung von weiteren unberechtigten Patenten nach sich ziehen und somit Indiens Hersteller von generischen Medikamenten daran hindern, die Preise auf ein erschwinglicheres Niveau zu bringen. Dies verunmöglicht es den Generika-Produzenten, weiterhin entscheidend zu einem besseren Zugang zu erschwinglichen und qualitativ hochwertigen Medikamenten beizutragen. Um nur ein Beispiel zu nennen: 80 Prozent aller Medikamente, die heute in Entwicklungsländern zur Behandlung von HIV/Aids verwendet werden, sind Generika. Generische Medikamente sind aber auch entscheidend im Kampf gegen Epidemien und chronische Krankheiten. Das Vorgehen von Novartis verwehrt denjenigen, die sich die Medikamente des Unternehmens nicht leisten können, Zugang zu Behandlung und gefährdet damit sowohl die Gesundheit dieser Patienten wie auch die ihrer Mitmenschen. Deshalb fordern wir Sie dringend auf, Ihr juristisches Vorgehen nochmals zu überdenken.
Wir, die Unterzeichnenden, erwarten, dass sich Novartis auf echte Innovationen konzentriert und nicht auf die Verlängerung von Monopolen. Wir erwarten, dass Novartis keine Massnahmen ergreift, die den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten untergraben. Deshalb rufen wir Novartis dazu auf, die Klage in Indien fallen zu lassen.“
* Joseph Jimenez ist CEO, Daniel Vasella Verwaltungsratspräsident von Novartis
Abiy TAMRAT - Präsident MSF Schweiz
Manica BALASEGARAM - Direktor der MSF-Access Campaign
Patrick DURISCH - Bereichsleiter Gesundheit der Erklärung von Bern
Prof Dr Thomas CERNY - Chefarzt Onkologie am Kantonsspital St. Gallen, Präsident der Krebsliga Schweiz
Ruth DREIFUSS - Ehemalige Bundesrätin
Prof. Dr. Franco CAVALLI - Direktor des Onkologischen Instituts der italienischen Schweiz, Präsident der Internationalen Krebsunion (UICC)
Dick MARTY - Ehemaliger Ständerat
Alexandra CALMY - Wissenschaftliche Oberärztin am Universitätsspital Genf