D.R. Kongo: MSF klagt den fehlenden Schutz der Bevölkerung von Haut-Uélé vor der Gewalt der LRA an

Marché de Faradje après l’attaque de la LRA. 2009.

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Dungu/Kinshasa/Nairobi/Zürich, 4. Februar 2009 – Dutzende niedergebrannte Dörfer, Hunderte mit blossen Händen oder durch Durchschneiden der Kehle ermordete Zivilisten, zahlreiche gekidnappte Männer, Frauen und Kinder: Die zügellose Gewalt der ugandischen Rebellengruppe Lord’s Resistance Army (LRA) gegen die Bevölkerung der kongolesischen Provinz Haut-Uélé hält an. Vor dem Hintergrund der gezielten Gewalt gegen die Zivilbevölkerung klagt Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) die Untätigkeit der Interventionstruppe der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo an.

Im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo wurden seit der Weihnachtszeit mehr als 50 Städte und Dörfer von tödlichen Attacken der LRA heimgesucht: Tora am 21. Januar (100 Tote), Taduru am 24. Januar, Awo am 28. Januar, Mangba am 30. Januar und Ngilima am 1. Februar. Den Bewohnern bleibt nichts anderes übrig, als in die Wälder zu flüchten, um den Massakern zu entgehen. Es ist niemand da, um sie zu schützen. Sie warten dort vergeblich auf humanitäre Hilfe, die wegen der unsicheren Lage nicht zu ihnen gelangt.
Die wenigen direkten Zeugen bestätigen den Schrecken dieses Mordens: Ein Bewohner von Batandé in der Nähe von Doruma musste am Weihnachtstag zusehen, wie seine Familie massakriert wurde: „Sie haben sie schnell auf eine Wiese gebracht und dann systematisch ermordet. Absolut niemand wurde verschont: Kinder, Säuglinge, schwangere Frauen, alte Menschen. Alle wurden sie umgebracht. Über 60 Menschen.“
„Wir mussten vor Ort täglich feststellen, dass diese unbeschreibliche Gewalt der LRA gegen die Zivilbevölkerung weitergeht“ erklärt Marc Poncin, verantwortlich für den Einsatz von MSF in der Demokratischen Republik Kongo. „Weitere Massaker werden folgen. Die Resolution 1856 des Sicherheitsrates vom vergangenen 22. Dezember erklärt den Schutz der Zivilbevölkerung zur Priorität der Friedenstruppe der Vereinten Nationen“ betont Poncin. „Die MONUC muss daher ihre Verantwortung übernehmen und kann nicht weiterhin so untätig sein, während die Bewohner von Haut Uélé systematisch attackiert werden.“
Die Teams von MSF sind von den extremen Gewalttaten der LRA schockiert und verstehen die Untätigkeit der Blauhelme nicht. Schon bei dem Angriff auf Dungu am vergangnen 1. November haben sie sich in ihrer Basis verschanzt. Danach haben sie nie eingegriffen, um die Bevölkerung der angegriffenen Städte zu schützen, auch als die Angriffe zunahmen. Die Anzahl der Blauhelme hat sich seit ihrer Stationierung im Juli 2008 auch kaum geändert, obwohl sich die Lage seither dramatisch verschlechtert hat.
Ausserdem ist die Evakuierung von zivilen Verletzten nicht Teil ihrer Aktivitäten, wenn sie sich per Helikopter in Orte begeben, die Angriffe erlitten haben und die für humanitäre Organisationen unzugänglich sind. So wurde zum Beispiel am vergangenen 14. Januar in Duru ein einjähriges Kind, das angeschossen worden war, von der MONUC nicht ins Krankenhaus von Dungu transportiert.
Die in dem Bezirk herrschende Unsicherheit macht jegliche humanitäre Hilfe ausserhalb der Stadt Dungu praktisch unmöglich. Die Risken eines überraschenden Angriffes sind zu gross. Die medizinischen Teams von MSF sind trotzdem mehrmals nach Faradje, Doruma und Bangadi geflogen, um den Überlebenden zu helfen. Jedes Mal konnten sie aber nur wenige Stunden bleiben, gerade so lange, um jene Verletzten zu behandeln, die noch eine Chance hatten.
Während die Anzahl der bei diesen Angriffen ermordeten Menschen etwa 900 beträgt, konnten die MSF-Teams nur 17 Verletzte behandeln, und das nur mit blossen Händen. „In Faradje, wohin wir zwei Tage nach dem Angriff kamen“ erklärt Mathieu Bichet, der Arzt des MSF-Teams, fanden wir nur vier Verletzte. Sie waren so schwer verletzt, dass sie dort ganz sicher zum Sterben zurückgelassen worden waren.“ In dieser Stadt wurden bei jenem Angriff über 140 Menschen getötet.
In Haut Uélé ist MSF in Dungu stationiert. MSF leistet Nothilfe für die Verletzten oder überweist sie ins Krankenhaus von Dungu. Außerdem unterstützt MSF die Gesundheitsstrukturen in Doruma, Bangadi, Faradje, Ngilima und Li-May. Mobile Kliniken bieten Behandlungen für Vertriebene in der Umgebung von Dungu an. Das MSF-Team besteht aus sechs internationalen und 25 kongolesischen Mitarbeitern.