G8: MSF fordert Reform und nachhaltige Finanzierung der Nahrungsmittelhilfe

Photo de l’agence VII tirée de l’exposition Starved for Attenttion, Bihar, Inde, avril 2010

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Toronto/Genf, 23. 6. 2010 - Laut Médecins Sans Frontières/ Ärzte ohne Grenzen (MSF) werden die Staats- und Regierungschefs beim G8- und G 20-Gipfel diese Woche keinen Erfolg bei der Verbesserung der Mutter-Kind-Gesundheit in Entwicklungsländern erzielen, wenn sie ihre Strategie im Kampf gegen Unterernährung nicht grundlegend ändern und neue nachhaltige Finanzierungsmechanismen schaffen, mit denen diese behandel- und vermeidbare Erkrankung bekämpft werden kann.

Mangelernährung betrifft weltweit 195 Millionen Kinder und ist verantwortlich für mindestens ein Drittel der acht Millionen Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren. Sie führt zu Wachstumsverlangsamung, kognitiven Störungen und einer stärkeren Anfälligkeit Krankheiten gegenüber. Die Ursache des Problems liegt im bereits schlechten Gesundheitszustand der Mütter, die ein untergewichtiges Kind zur Welt bringen und so den Teufelskreis verlängern. Viele Mütter leben in Regionen, wo es nicht genügend Nahrung gibt und haben keinen Zugang zu Nahrungsmitteln wie Milch und Eiern, die jene hochwertigen Proteine und andere wesentlichen Nährstoffe enthalten, die Kinder brauchen. Derzeit besteht der Grossteil der internationalen Nahrungsmittelhilfe aus inadäquaten Mais-Soja-Gemischen, die nicht die Nährstoffe enthalten, die kleine Kinder am meisten benötigen.

„Nahrungsmittel, die wir unseren eigenen Kindern nie geben würden, werden als Nahrungsmittelhilfe für die verletzlichsten und unterernährtesten Kinder nach Sub-Sahara-Afrika und Asien geschickt“ erklärt Christophe Fournier, internationaler Präsident von MSF. „Diese Politik des zweierlei Mass muss aufhören. Die G8-Länder als die wichtigsten Partner in der internationalen Nahrungsmittelhilfe haben die Möglichkeit, eine wesentliche Rolle im Kampf gegen die Unterernährung und Mangelernährung zu spielen. Wenn die Staats- und Regierungschefs in Muskoka und Toronto die Mütter- und Kindersterblichkeit wirklich senken wollen, müssen sie sich unbedingt zu wesentlichen Reformen der globalen Nahrungsmittelhife bekennen. Wir wissen, was funktioniert und was Kinder brauchen – die Kinder müssen es nur erhalten!“

Neben einer Qualitätsverbesserung der Hilfe für kleine Kinder sind für eine effiziente Antwort auf die weltweite Ernährungskrise auch substantielle finanzielle Mittel von Nöten: Die Weltbank schätzt die Kosten für den Kampf gegen Mangel- und Unterernährung in den am meisten betroffenen Ländern auf 12 Milliarden Dollar jährlich. In Zeiten globaler Sparmassnahmen sind die aktuellen Zahlungen der Geberländer unzureichend, instabil und unvorhersehbar. Dies erfordert nachhaltige Finanzierungsquellen durch innovative Finanzierungsmechanismen wie die derzeit von der Europäischen Union beworbene Finanztransaktionssteuer. Ein Teil der auf diese Art und Weise eingetriebenen Mittel muss für die Weltgesundheit ausgegeben werden: Für den Kampf gegen Mangel- und Unterernährung, für HIV/Aids-Therapien und Tuberkulose-Forschung.

„Von Nichtregierungsorganisationen darf nicht erwartet werden, dass sie eine so grosse Last wie den Kampf gegen Mangel- und Unterernährung alleine tragen“ erklärt Fournier. „Die Geberländer müssen die Lücke füllen und den am meisten betroffenen Ländern helfen, lebensrettende Ernährungsprogramme weiterzuführen, die in Ländern wie Mexiko, Thailand und Brasilien bereits erfolgreich umgesetzt wurden. Wir benötigen nachhaltige Finanzierungsquellen wie die vorgeschlagene Transaktionssteuer, die zum Teil auch in die Weltgesundheit fliessen – und nicht nur einmalige Versprechungen, die bei Gipfeltreffen der G-8 gern gemacht werden.“

Das G8-Treffen diese Woche fällt mit dem Beginn der so genannten „Hunger-Gap“-Saison in der Sahelzone Afrikas zusammen, einer besonders schwierigen Phase, in der die Erntevorräte erschöpft sind und die nächste Ernte noch nicht begonnen hat. Die meisten Länder in der Region sind bereits mit erhöhten Unterernährungsraten bei Kindern konfrontiert. MSF leistet verstärkt ernährungstherapeutische Nothilfe in Burkina Faso, im Tschad, in Niger, Mali und im Sudan.

2009 hat MSF in seinen Programmen 208’000 Kinder behandelt, die unter schwerer akuter Mangelernährung litten. Obwohl diese Zahl knapp ein Prozent der geschätzt 20 Millionen betroffenen Kinder ausmacht, so stellt sie doch über 15 Prozent der 1'200’000 Kinder dar, die gegen Unterernährung behandelt wurden.

MSF hat vor kurzem die weltweite Multi-Media-Kampagne „Starved for Attention“ gestartet, um auf die Ernährungskrise bei Kindern und effiziente Ernährungstherapien aufmerksam zu machen: www.starvedforattention.org. Von 19. bis 25. Juni läuft die Ausstellung „Starved for Attention“ auch in Toronto.