Mittelmeer: EU-Staaten müssen der «Ocean Viking» einen sicheren Hafen zuweisen
© Hannah Wallace Bowman/MSF
Libyen2 Min.
Die Teams der Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée sind auf der Suche nach einem sicheren Hafen für die 356 geretteten Männer, Frauen und Kinder an Bord des Rettungsschiffs «Ocean Viking». Sie haben bei den maltesischen und italienischen Seenotrettungsleitstellen die Zuweisung eines sicheren Ortes zur Ausschiffung der Geretteten an Bord angefragt.
«Die Körper einiger Geretteter zeigen erschütternde Anzeichen physischer Gewalt aus der Zeit in Libyen. Die Menschen sind auch psychisch gezeichnet», sagt Jay Berger, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen an Bord der «Ocean Viking». «In Libyen herrscht ein bewaffneter Konflikt, und viele Flüchtlinge und Migranten sind in Internierungslagern nahe der Front gefangen. Wir fragen nun einen sicheren Ort an, um die schutzbedürftigen Menschen auf unserem Schiff ohne Verzögerung an Land gehen zu lassen. Sie haben genug gelitten.»
Nur einmal konnten wir Funkkontakt mit einem der drei EU-Flugzeuge herstellen, die nach Schlauchbooten in Seenot Ausschau hielten. Die staatlichen Stellen räumen augenscheinlich ihrer Pflicht, Menschenleben zu retten, keine Priorität ein.
Die «Ocean Viking» auf der Suche nach einem sicheren Hafen
Obwohl die Crew die libyschen Behörden vor und während der Rettungen zwischen Freitag und Montag kontaktiert hat, reagierten diese nicht auf die Seenotmeldungen. Die libysche Leitstelle (Libyan Joint Rescue Coordination Centre, JRCC) reagierte lediglich zweimal, indem sie erklärte, die Geretteten sollten nach Libyen zurückgebracht werden. Das Zurückbringen von Menschen in ein Konfliktgebiet, in dem sie akuter Gefahr ausgesetzt sind, ist jedoch völkerrechtswidrig. SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen werden unter keinen Umständen Menschen nach Libyen zurückbringen. Die «Ocean Viking» ist daher nun auf dem Weg nach Norden, ohne dass ihr bisher ein sicherer Hafen zugewiesen wurde.
«Wir konnten die Menschen nur retten, weil unsere Crew unentwegt das Gebiet abgesucht hat. Die für die Seenotrettung zuständigen Behörden haben keine Informationen mit uns geteilt», sagt Nick Romaniuk, Rettungskoordinator von SOS Méditerranée an Bord der «Ocean Viking». «Nur einmal konnten wir Funkkontakt mit einem der drei EU-Flugzeuge herstellen, die nach Schlauchbooten in Seenot Ausschau hielten. Die staatlichen Stellen räumen augenscheinlich ihrer Pflicht, Menschenleben zu retten, keine Priorität ein.»
Die Menschen, darunter auch Minderjährige, haben mir berichtet, wie sie misshandelt wurden. Sie wurden mit Elektroschocks gefoltert, mit Gewehren und Stöcken geschlagen und mit geschmolzenem Plastik verbrannt
Schockierende Leidensgeschichten der Flüchtlinge
Die allermeisten der geretteten Menschen an Bord berichten, dass sie während ihrer Flucht zum Opfer willkürlicher Inhaftierungen, von Erpressung, Folter oder von Zwangsarbeit unter sklavenähnlichen Bedingungen geworden sind. «Die Menschen, darunter auch Minderjährige, haben mir berichtet, wie sie misshandelt wurden», sagt Luca Pigozzi, Arzt an Bord der «Ocean Viking». «Sie wurden mit Elektroschocks gefoltert, mit Gewehren und Stöcken geschlagen und mit geschmolzenem Plastik verbrannt.» Von den 103 Minderjährigen auf der «Ocean Viking» werden nur elf von einem Elternteil oder einer anderen Bezugsperson begleitet.
Informationen über die geretteten Personen, den Ablauf der Rettungen und die Kommunikation der „Ocean Viking“ finden Sie im Online-Logbuch: https://onboard.sosmediterranee.org/
© Hannah Wallace Bowman/MSF