Mittelmeer: Rettungsschiff Aquarius muss Einsatz beenden

6. Dezember 2018, Marseille

2 Min.

Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) sieht sich gezwungen, die gemeinsam mit SOS Méditerranée betriebene Such- und Rettungsaktivitäten der Aquarius einzustellen. Das Ende der Rettungseinsätze hat zur Folge, dass mehr Flüchtlinge, Migranten und Asylbewerber ertrinken werden, ohne Hilfe und Zeugen.

 

«In den letzten Monaten haben Schweizerinnen und Schweizer der Seenotrettung im Mittelmeer und auch dem Rettungsschiff  Aquarius auf verschiedene Arten ihre Solidarität bezeugt.  Diese Unterstützung ist für uns fundamental – insbesondere in Zeiten, wo wir für unsere Hilfe für Menschen in Not kriminalisiert werden», sagt Reveka Papadopoulou, Präsidentin von MSF Schweiz.

Der Bundesrat hat diese Woche schriftlich festgehalten, dass es eine tragfähige europäische Lösung für die Seenotrettung braucht. Wir begrüssen, dass sich die Schweiz aktiv und rasch für eine solche Lösung einsetzt, da bis dahin weiterhin Menschen im Mittelmeer ertrinken werden.

Reveka Papadopoulou, Präsidentin von MSF Schweiz.

Die Aquarius ist in den letzten zwei Monaten im Hafen von Marseille geblieben und konnte ihre Such- und Rettungsaktivitäten aufgrund einer anhaltenden Schmutzkampagne unter der Führung der italienischen Regierung und mit Unterstützung anderer europäischer Staaten nicht verrichten. Die Angriffe durch Politikerinnen und Politiker haben die Arbeit von Hilfsorganisationen nicht nur verleumdet, sondern auch effektiv behindert. Obwohl die „Aquarius“ in voller Übereinstimmung und Transparenz mit den Behörden zusammenarbeitete, wurde dem Schiff aus politischen Gründen im Laufe des Jahres zweimal die Registrierung entzogen und steht nun vor absurden Vorwürfen krimineller Aktivitäten. Die Folge davon ist, dass MSF und SOS Méditerranée keine andere Möglichkeit sehen, als die „Aquarius“ ausser Betrieb zu nehmen.

Das erzwungene Einsatzende der „Aquarius“ kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Über 2‘130 Menschen sind 2018 im Mittelmeer ertrunken. Der Grossteil von ihnen ist von Libyen aus in See gestochen. Europäische Mitgliedsstaaten verstärken das Leiden der Menschen, indem sie der libyschen Küstenwache ermöglichten mehr als 14‘000 Menschen auf See abzufangen und gewaltsam nach Libyen zurückzubringen.

Das alles ist geschehen, obwohl Europa sich 2015 gegenüber dem UNO-Sicherheitsrat verpflichtet hat, im Mittelmeer gerettete Menschen nicht nach Libyen zurückzubringen. „Heute unterstützen dieselben europäischen Länder gewaltsame Rückführungen und präsentieren diese ihren Bürgern als Erfolge im Umgang mit Migration“, sagt Karline Kleijer, Notfallkoordinatorin von MSF. „Wir müssen ganz klar die Konsequenzen dieser angeblichen Erfolge aufzeigen: Das Fehlen lebensrettender Hilfe auf hoher See bedeutet, dass Kinder, Frauen und Männer zu willkürlicher Gefangenschaft gezwungen werden, ohne Hoffnung auf Schutz und Freilassung. Und es wurde ein Umfeld geschaffen, das alle Schiffe davon abhält, ihren Verpflichtungen zur Rettung der in Not geratenen Personen nachzukommen.“

Seit Beginn ihrer Such- und Rettungseinsätze im Februar 2016 hat die Aquarius fast 30‘000 Menschen aus internationalen Gewässern zwischen Libyen, Italien und Malta gerettet. Die letzte aktive Such- und Rettungsphase der Aquarius endete am 4. Oktober 2018, als das Schiff im Hafen von Marseille eingelaufen ist, nachdem das Team 58 Menschen gerettet hatte.