MSF fordert Erklärung nach tödlichen Luftangriffen auf Spital in Kundus
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MSF verurteilt die schrecklichen Luftangriffe auf das Krankenhaus der Organisation In Kundus aufs Schärfste. Zwölf Mitarbeiter und mindestens sieben Patienten, darunter drei Kinder, wurden dabei getötet – 37 Menschen, darunter 19 Mitarbeiter, wurden verletzt. Dieser Angriff stellt eine schwere Verletzung internationalen humanitären Rechts dar.
Derzeit deutet alles darauf hin, dass die Bombardierungen von den Truppen der Internationalen Koalition durchgeführt wurden. Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) fordert vollständige und transparente Aufklärung von der Internationalen Koalition über die Angriffe vom Samstagmorgen. MSF verlangt zudem eine unabhängige Untersuchung, damit ein Maximalmass an Aufklärung sichergestellt wird.
„Dieser Angriff ist eine abscheuliche Verletzung internationalen humanitären Rechts“, sagte Meinie Nicolai, Präsidentin der belgischen Sektion von MSF. „Wir fordern von den Truppen der Internationalen Koalition vollständige Transparenz. Es ist für uns inakzeptabel, dass dieser grosse Verlust an Menschenleben einfach als ‚Kollateralschaden‘ abgetan wird.“
Hauptgebäude wurde mehrmals präzise getroffen
Von 2:08 bis 3.15 morgens Lokalzeit wurde das Trauma-Zentrum von MSF in Kundus in Intervallen von etwa 15 Minuten von einer Reihe von Luftangriffen getroffen. Das zentrale Krankenhausgebäude, in dem sich die Intensivstation, Notfallräume und die Physiotherapiestation befanden, wurde bei jedem Luftangriff wiederholt sehr präzise getroffen. Gleichzeitig blieben umliegende Gebäude fast unberührt.
„Die Bomben schlugen ein und wir hörten das Flugzeug kreisen“, sagte Heman Nagarathnam, Leiter der Programme von MSF im Norden Afghanistans. „Es gab eine Pause, und dann schlugen wieder mehrere Bomben ein. Das geschah wieder und wieder. Als ich es raus aus dem Büro geschafft hatte, stand das Hauptgebäude der Klinik in Flammen. Einige Leute schafften es schnell, in den Bunkern Sicherheit zu suchen. Aber Patienten die nicht in der Lage waren, ihre Betten zu verlassen, verbrannten dort bei lebendigem Leibe.“
Die Geo-Koordinaten waren an alle Konfliktparteien kommuniziert
Es gehört bei MSF zur Routine, in Konfliktregionen, die exakte Lage von Einrichtungen an alle Konfliktparteien zu kommunizieren. Entsprechend hatte die Organisation die Geo-Koordinaten des Trauma-Krankenhauses am 29. September sowohl an die Internationale Koalition als auch an das afghanische Militär und zivile Behörden weitergegeben hatte, um zu vermeiden dass die Klinik getroffen wird. Dennoch fanden die Bombardierungen statt.
Nach den Angriffen versuchten die Teams von MSF verzweifelt, die Leben ihrer verwundeten Kollegen und Patienten zu retten. Sie improvisierten in einem unbeschädigten Raum einen Behelfs-Operationssaal. Einige der am schwersten verletzten Patienten wurden in das Krankenhaus nach Puli Khumri gebracht, das zwei Stunden Autofahrt entfernt liegt.
Kein Zugang zu chirurgischer Hilfe mehr in Kundus
„Abgesehen davon, dass Kollegen und Patienten ums Leben gekommen sind, ist durch den Angriff nun der Zugang zu einer dringend benötigen chirurgischen Hilfe für die Menschen in Kundus abgeschnitten. Und dies zu einer Zeit, in der diese medizinische Hilfe äusserst dringend gebraucht wird“, so Nicolai. „Wir wiederholen unseren Aufruf an alle beteiligen Kriegsparteien, Zivilisten, Gesundheitseinrichtungen und medizinische Mitarbeiter zu respektieren, so wie es das internationale humanitäre Recht vorsieht.“, sagte Nicolai.
Seit Ausbruch der Kämpfe am vergangenen Montag hat MSF 394 Verletzte behandelt. Als der Luftangriff am Samstagmorgen das Krankenhaus traf, waren dort 105 Patienten und deren pflegende Angehörige sowie mehr als 80 internationale und einheimische Mitarbeiter von MSF. Die Organisation drückt den Familien und Freunden ihrer bei dem Angriff auf so tragische Weise verstorbenen Mitarbeiter und Patienten ihr aufrichtiges Beileid aus.
Das Krankenhaus von MSF war die einzige Einrichtung dieser Art im Nordosten von Afghanistan. Es bot während vier Jahren kostenlose lebensrettende chirurgische Hilfe an, durch die auch bei vielen Patienten Amputationen verhindert werden konnten. 2014 erhielten dort mehr als 22.000 Patienten und Patientinnen Hilfe – mehr als 5.900 Operationen wurden durchgeführt. Die Teams behandeln dort jeden Patienten, ungeachtet seiner ethnischen Herkunft und religiösen oder politischen Überzeugung.
MSF ist seit 1980 in Afghanistan tätig. Die Organisation eröffnete das Kundus Träume-Zentrum 2011, um qualitativ hohe kostenlose medizinische Hilfe und chirurgische Versorgung für Menschen mit Verletzungen durchVerkehrsunfälle und Kriegsverwundungen durch Bombenexplosionen und Schussverletzungen zu ermöglichen. MSF unterstützt auch das Gesundheitsministerium im Ahmad-Shah-Baba-Krankenhaus im Osten Kabuls, in der Frauenklinik Dasht-e-Barchi im Westen Kabuls und im Boost-Krankenhaus in Lashkar Gah in der Provinz Helmand. In Khost im Osten des Landes betreibt MSF eine eigene Mutter-Kind-Klinik. MSF verwendet für seine Arbeit in Afghanistan ausschliesslich private Mittel und nimmt keinerlei Gelder von Regierungen an.