Niger: Französische Sektion von MSF zum Verlassen Nigers gezwungen
© Alain Fredaigue
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Paris/Niamey, 30 Oktober 2008 – Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) ruft die nigrische Regierung, UNICEF und das Welternährungsprogramm auf, schnellstmöglich in Maradi einzugreifen, damit die mangelernährten Kinder entsprechend versorgt werden können.
Am 18. Juli 2008 untersagte die nigrische Regierung abrupt und ohne Erklärungen die medizinischen Aktivitäten und Tätigkeiten in der Ernährungshilfen von MSF Frankreich in der Region Maradi, was zu schwerwiegenden Auswirkungen bei der Kleinkindersterblichkeit führte.
Im Verlauf der letzten drei Monate hat MSF alles daran gesetzt, die Gründe für diese Suspendierung zu erfahren, die Ziele der eigenen medizinischen Arbeit klarzustellen und zusammen mit den Behörden Nigers die Modalitäten des Einsatzes neu zu definieren. Nach der Weigerung der Regierung, die Wiederaufnahme der Arbeit zu genehmigen, hat MSF am 21. Oktober den Präsidenten der Republik Niger Mamadou Tandja gebeten, sich der Sache anzunehmen. Die Antwort war bisher jedoch nur Schweigen. Die französische Sektion von MSF hat deshalb beschlossen, die Haltung der Regierung, wonach sie «MSF verschwinden sehen möchte», in die Tat umzusetzen.
Der Abbruch der Tätigkeiten von MSF Frankreich kam zum schwierigsten Zeitpunkt im Jahr für die Kinder, mitten in der Übergangszeit von einer Ernte zur nächsten und auf dem Höhepunkt der Malaria. Zur Zeit der Suspendierung befanden sich mehr als 3’000 Kinder in Behandlung und jede Woche wurden 500 weitere aufgenommen. Die letzte von der Regierung und UNICEF durchgeführte Ernährungsstudie schätzte die Zahl der schwer mangelernährten Kinder in der Region Maradi auf zwischen 35'000 und 67'000. Diese offiziellen Zahlen widersprechen den von der nigrischen Regierung vorgebrachten Argumenten, mit denen sie die Suspendierung der MSF-Aktivitäten in Maradi begründet.
„Maradi ist eine der am stärksten von der Mangelernährung betroffenen Regionen Nigers. Seit dem erzwungenen Abbruch der MSF-Tätigkeiten im Süden Maradis konnten trotz einer Zunahme der Einweisungen in andere Gesundheitszentren und der Übernahme durch ausserhalb stationierte MSF-Teams Tausende von Kindern nicht behandelt werden“, erklärt Dr. Christophe Fournier, Präsident des Internationalen Rats von MSF. „Während enorme Fortschritte im Kampf gegen Mangelernährung eine Vorbeugung und Behandlung im grossen Massstab möglich machen, ist es schockierend zu sehen, wie eine Regierung, nachdem sie innovative Behandlungsprogramme umgesetzt hat, nun beschliesst, die Not Tausender Kinder zu ignorieren.“
Die Abreise der französischen MSF-Sektion erfolgt zu einem Zeitpunkt, in dem eine Anstrengung mehr denn je möglich und nötig ist, um im Kampf gegen die Mangelernährung weiterzukommen. Mangelernährung darf nicht mehr als Schicksal aufgefasst werden, sondern sie ist ein reales und behandelbares Gesundheitsproblem.
Die von der Mangelernährung betroffenen Länder (wie etwa der Niger), aber auch die internationalen Organisationen haben erst spät die Möglichkeiten der neuen therapeutischen Fertignahrungsprodukte erkannt. Die Vereinten Nationen etwa empfehlen keinen besonderen Ansatz für grosse Mangelernährungsherde mit hoher Sterblichkeit wie in Maradi und schränken den Einsatz wirksamer Fertignahrungsprodukte auf die am schwersten mangelernährten Kinder ein. Zudem sind die international bereitgestellten Gelder für einen Kampf gegen Mangelernährung völlig ungenügend.
MSF bittet die nigrische Regierung, Unicef und das Welternährungsprogramm, schnellstmöglich in Maradi einzugreifen, damit die mangelernährten Kinder entsprechend versorgt werden können, und die Geldgeber, eine internationale Politik und angemessene Mittel zur Behandlung grosser Mangelernährungsherde bereitzustellen.
MSF arbeitet seit 2001 im Niger und betreibt in den Regionen von Zinder, Maradi und Tahoua verschiedene Programme zur Ernährungshilfe. Von Beginn 2008 bis Mitte September wurden insgesamt 61'051 Kinder mit schwerer Mangelernährung in die Ernährungshilfezentren von MSF aufgenommen. Gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden bekämpft MSF auch Epidemien durch die direkte Behandlung der Erkrankten und vorbeugend mit Impfkampagnen. 2008 war MSF gegen Masern, Hirnhautentzündung und Cholera im Einsatz. In den MSF-Teams im Niger arbeiten 1'537 Personen, davon 1'468 Einheimische.
© Alain Fredaigue