Sri Lanka: MSF behandelt hunderte Verletzte aus dem Kriegsgebiet in Sri Lanka
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22. April 2009, Colombo/Zürich - In den vergangenen 36 Stunden haben Chirurgen von MSF in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums rund um die Uhr insgesamt mehr als 400 Kriegsverletzte versorgt, die in das Krankenhaus in Vavuniya, im von der Regierung kontrollierten Gebiet im Norden Sri Lankas gelangt waren. Das sind fast doppelt so viele Patienten als sonst im Laufe einer ganzen Woche in dem Krankenhaus aufgenommen werden. Die meisten Verletzungen werden durch Granaten und Landminen verursacht.
Busse mit Patienten kommen aus dem Konfliktgebiet in das Krankenhaus und die von der Regierung betriebenen Lager in Vavuniya. „Es kommen noch immer Busse an und immer wieder werden auch Tote entladen, da manche Verletzte auf der Fahrt sterben”, sagt Karen Stewart, die für MSF in Vavuniya für die psychologische Betreuung der Patienten zuständig ist. Mehr als 30 Verletzte sind allein am Montag, den 20. April, auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben.
Während der vergangenen Tage sollen zwischen 25’000 und 40’000 Menschen das Konfliktgebiet, bekannt als Vanni-Region, verlasssen haben. Aber Zehntausende sind noch immer inmitten der Gefechte zwischen Regierungstruppen und den “Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) gefangen.
„Fast alle haben jemanden im Konfliktgebiet zurückgelassen berichtet Karen Stewart. „Manchmal ist hier sogar die Schüsse von Vavuniya her zu hören, also wissen die Menschen, was in der Vanni-Region passiert. Etwa 85 Prozent der Menschen, mit denen ich gesprochen habe, haben schreckliche Dinge erlebt. Einer war in einem Bunker, der von einer Bombe getroffen wurde. Die Hälfte der Menschen in dem Bunker starb. Eine Frau hat mir erzählt, dass sie losgegangen war, um Wasser zu holen und bei ihrer Rückkehr sehen musste, dass alle Menschen in ihrem Bunker tot waren.“
Trotz der Anstrengungen von MSF und dem Personal des Gesundheitsministeriums, ist das Krankenhaus in Vavuniya am Rande seiner Kapazität. Allein im März waren 80 Prozent der chirurgischen Eingriffe an Patienten durch Schüsse oder Granaten verursacht. „Es ist chaotisch“, sagt Karen Stewart, „die Betten wurden zusammen geschoben, so dass wir jetzt pro Krankensaal ein riesiges Bett haben. Statt einer Person pro Bett sind es jetzt zwei. Und dann liegt noch eine ganze Reihe am Boden, vor jedem Bett liegt noch ein anderer Patient. Wir sind also doppelt belegt. Dann gibt es noch viele Menschen, die draussen in den Gängen auf Matten liegen.“
Die Menschen aus dem Kriegsgebiet werden in Vavuniya in von der Regierung betriebenen Übergangslagern untergebracht, die auch schon die Limite ihrer Kapazität erreichen. Die Menschen werden zusammengepfercht. In manchen Fällen müssen ganze Familien auf einem Raum in der Grösse eines Sofas leben. Es gibt keine Bewegungsfreiheit zwischen den Lagern und nur die Wenigsten konnten bisher in Erfahrung bringen, ob ihre Angehörigen in anderen Lagern sind. „Das ist eine der häufigsten Ursachen für psychischen Stress”, sagt Karen Stewart. „Die Menschen kommen an, verwundet, verloren und abgemagert und dann werden sie in ein Lager gesteckt, das sie nicht verlassen und aus dem sie ihre Familie nicht suchen können. Sie haben keine Kommunikationsmöglichkeiten, sie haben gar nichts. Ein Ehepaar kann in zwei verschiedenen Lagern untergebracht sein und nichts über den Verbleib des jeweils anderen erfahren.”
MSF ruft alle Konfliktparteien dazu auf, unabhängigen humanitären Organisationen die Möglichkeit zu geben, medizinische Hilfe für die Verwundeten in der Vanni-Region zu leisten und mitzuhelfen, die Verwundeten ins Krankenhaus zu bringen. Zehntausende Zivilisten sind nach wie vor im Kriegsgebiet gefangen. Es ist die Verantwortung beider Parteien, dafür zu sorgen, dass die Zivilbevölkerung sicher ist und Zugang zu medizinischer Hilfe hat.
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