Aleppo, Syrien: „Die Menschen haben Angst, ins Spital zu kommen”
Syrien2 Min.
Interview mit einem syrischen Arzt, der ein von MSF unterstütztes Spital im Osten Aleppos leitet
„Wir haben früher viele Leistungen in diesem Spital angeboten – Chirurgie, Pädiatrie, Intensiv- und innere Medizin. Die Luftangriffe im letzten Monat im Osten Aleppos haben uns aber dazu gezwungen, uns auf die steigende Zahl der Kriegsverletzten zu konzentrieren, die fast 80 Prozent unserer Arbeit in den vergangenen Wochen ausmachen.
Vor der Belagerung hatten wir in den Krankenhäusern 8.000 bis 10.000 Patienten und Patientinnen im Monat. Seit Anfang Juli sind es etwa die Hälfte und zudem sind die meisten jetzt Kriegsverletzte; mit einer großen Anzahl von Notfällen bei Kindern und im Bereich innerer Medizin.
Unser grösstes Problem in den Spitälern ist, dass die Intensivstationen völlig überlastet sind. Manche Patienten und Patientinnen müssen im Operationssaal bleiben, da wir keinen Platz mehr haben. Die Ventilatoren und Sauerstoffanschlüsse sind wegen der Überlastung oft kaputt. Zwei Patienten sind unlängst gestorben, weil wir nicht genug Sauerstoff hatten.
Das Spital wurde drei Mal bei Luftangriffen zerstört. Der schlimmste Vorfall war Mitte Juli. Danach musste das Spital für etwa zehn Tage zusperren. Die meisten Abteilungen waren betroffen, und wir taten, was wir konnten, um wieder zu öffnen. Dann, am 3. August und am 6. August, wurde das Spital neuerlich bei Angriffen rund um die Anlage beschädigt. Das Spital hat im Moment geöffnet, kann sich aber nur um die schlimmsten Notfälle kümmern.
Die Menschen haben Angst, ins Spital zu kommen. Sie sehen Spitäler als potenzielle Angriffsziele. Sie kommen nur, wenn es sich um absolute Notfälle handelt.
Das medizinische Personal im Osten Aleppos leidet. Aufgrund der grossen Anzahl der Patienten und Patientinnen hat jeder Arzt Arbeit für zwei. Sie behandeln täglich sehr viele Verwundete. Zusätzlich ist auch das medizinische Personal sowie der Rest der Menschen vom Mangel an Nahrung, Treibstoff und lebensnotwendigen Gütern betroffen.
Die wenigen Spitäler, die es in der Stadt noch gibt, sind für das Überleben der Menschen entscheidend. Wir hoffen sehr, dass ein sicherer Zugang zur Stadt dem medizinischem Personal eine baldige Rückkehr erlaubt und die Lieferung von Nahrung und medizinischem Material ermöglicht.“
Dr. Hussein leitet ein von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) unterstütztes Spital im Osten Aleppos. Er arbeitet dort auch als Kinderarzt. Dr. Hussein hatte Aleppo verlassen, um ausserhalb der Stadt Eid Al Fitr, das Ende des Ramadan, zu feiern. Er kann seitdem nicht zurück, da die einzige verbliebene Verbindungsstrasse nach Aleppo seit Juli geschlossen ist. Er hofft, so bald wie möglich in sein Spital zurückkehren zu können, um weiterhin dringend notwendige Hilfe zu leisten.