Erste Hilfsmassnahmen nach dem Erdbeben in Haiti
© Souchet Hippolyte/MSF
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Am Samstag, den 14. August um 8:30 Uhr Ortszeit erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,2 auf der Richterskala den Süden Haitis, insbesondere die Provinzen Grand'Anse, Nippes und Sud. Die Erschütterungen waren in weiten Teilen des Landes zu spüren.
Nach Angaben der haitianischen Behörden wird die Zahl der Todesopfer vorläufig auf mehr als 1300 und die der Verletzten auf mehr als 5700 geschätzt. Im Moment ist es schwierig, ein vollständiges Bild von der Katastrophe zu bekommen.
Unsere Teams vor Ort haben damit begonnen, verschiedene Ortschaften abzufahren und die Lage dort zu evaluieren. In den Städten Port-Salut, Les Cayes und Jérémie leisten wir bereits medizinische Nothilfe. Ausserdem bereiten sich unsere Teams darauf vor, die Aktivitäten in den kommenden Tagen zu verstärken, indem sie medizinisches Material, lebenswichtige Güter und Personal, einschliesslich medizinischer Teams zur Versorgung der Verletzten, entsenden.
Schwere Schäden
Die Schäden an der Infrastruktur in besonders stark vom Erdbeben betroffenen Regionen sind enorm. Zehntausende Gebäude sind zerstört.
Zahlreiche öffentliche Gebäude wie Spitäler, Schulen, Hotels und Kirchen wurden beschädigt oder stürzten ein. Einige Spitäler mussten ihre Patientinnen und Patienten evakuieren. Viele Einrichtungen sind überfordert, und es mangelt an medizinischer Ausrüstung und Medikamenten.
Ein weiterer Grund zur Sorge ist der Tropensturm Grace, der starke Regenfälle mit sich bringt und Überschwemmungen und Erdrutsche zur Folge haben könnte.
Erste Hilfsmassnahmen nach dem Erdbeben
In den ersten Stunden nach dem Erdbeben begann unser Team in Port-à-Piment im Spital von Les Cayes Verletzte zu behandeln. Weitere Mitarbeitende wurden umgehend in das Spital von Port-Salut entsandt, um das Team dort zu unterstützen.
In der Provinz Grand'Anse schickten wir ein chirurgisches Team sowie Sterilisationsgeräte zum Abtöten von Krankheitserregern in das Spital St. Antoine in der Stadt Jérémie. In der Provinz Nippes versorgten wir das Spital Sainte-Thérèse in Miragoâne mit medizinischem Equipment.
Unsere derzeitigen Prioritäten bestehen vor allem darin, uns ein genaues Bild von der medizinischen Situation zu machen und die Verletzten direkt zu behandeln. Und wenn sie stabil sind, versuchen wir sie an funktionierende medizinische Einrichtungen zu überweisen.
Derzeit werden in Baradères, Petit Trou, Les Anglais, Corail und Pestel mehrere Evaluierungen durchgeführt. Je nach den Gegebenheiten vor Ort kann Ärzte ohne Grenzen weitere medizinische Teams entsenden, mit der Verteilung von lebenswichtigen Gütern beginnen oder Massnahmen zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung einleiten.
Die grössten Herausforderungen
Viele wichtige Strassen und Verkehrswege sind zerstört. Das macht den Transport von Personal, Patientinnen und Patienten sowie medizinischer Ausrüstung zu einer der grössten Herausforderungen im Moment.
Ärzte ohne Grenzen wird deswegen einen Hubschrauber mieten, um schneller in entlegene Gebiete zu gelangen, Ausrüstung zu transportieren und Verletzte zu versorgen. Auch der Transport auf dem Seeweg ist eine Möglichkeit.
«Mehrere Gesundheitseinrichtungen mussten ihre Patientinnen und Patienten wegen struktureller Schäden oder aus Angst vor Nachbeben aus ihren Gebäuden evakuieren», berichtet auch das Spital St. Antoine in der Stadt Jérémie, in dem wir arbeiten. «Viele Patientinnen und Patienten sind im Freien oder in Zelten untergebracht, und es werden schwere Regenfälle erwartet», berichtet Michel-Olivier Lacharité, Notfallkoordinator bei Ärzte ohne Grenzen.
Unsere Hilfe vor Ort
In Port-au-Prince hat das Erdbeben glücklicherweise keine Infrastruktur oder Gebäude beschädigt. Wir behandeln dort Verletzte in unserem Notfall-Spital in Tabarre, die aus den südlichen Regionen überwiesen werden.
Am 15. August begannen wir ausserdem in einer neuen Notfallklinik im Stadtteil Turgeau in Port-au-Prince Verletzte zu versorgen. Die Klinik hätte ursprünglich erst im Laufe der Woche eröffnet werden sollen.
Um einer möglichen Blutknappheit entgegenzuwirken, starteten unsere Teams am 14. August in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden eine Blutspende-Aktion in Turgeau.
In den kommenden Tagen sollen weitere medizinische Teams von Ärzte ohne Grenzen, darunter auch chirurgische Teams, in den drei am stärksten betroffenen Provinzen die lokalen Gesundheitseinrichtungen unterstützen.
Medizinische Hilfsgüter, Wasser- und Sanitärversorgung sowie lebensnotwendige Güter wie Zelte werden ebenfalls nach Haiti geflogen.
Ärzte ohne Grenzen ist seit über 30 Jahren in Haiti präsent. Unsere regulären Aktivitäten werden fortgesetzt, unter anderem im Tabarre-Spital in Port-au-Prince, wo unsere Teams schwere Verbrennungen sowie Menschen mit lebensbedrohlichen Verletzungen behandeln. In Port-a-Piment betreiben wir eine Klinik für sexuelle und reproduktive Gesundheit. Ausserdem behandeln wir Betroffene von sexueller Gewalt in Port-au-Prince und Gonaïves.
© Souchet Hippolyte/MSF