Libanon: Erschwerter Zugang zu medizinischer Versorgung für syrische Geflüchtete

Camp in Arsal, Libanon.

Libanon3 Min.

Für syrische Geflüchtete im Libanon wird es immer schwieriger, Zugang zu lebenswichtigen medizinischen Leistungen zu erhalten. Grund sind Berichte über Zwangsabschiebungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Patient:innen von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) und ihren Partnerorganisationen berichten, dass sich die Situation durch diskriminierende Rhetorik gegenüber Geflüchteten verschärft hat.

Unsere Teams berichten, dass dieses Klima der Angst dringende medizinische Überweisungen an Spitäler erschwert. «Wir hatten einen Patienten, der trotz dringender medizinischer Notwendigkeit eine Überweisung in ein Spital ablehnte, weil er Angst vor der Abschiebung hatte und wusste, dass er nicht registriert ist,» sagt Marcelo Fernandez, Einsatzleiter im Libanon.   

Einschränkungen, Erniedrigungen und Ausschaffungen

Viele Menschen auf der Flucht trauen sich nicht mehr, ihre Häuser zu verlassen – auch nicht, um notwendige medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Besonders schlimm ist die Situation in der vernachlässigten Gegend von Arsal, einer abgelegenen Stadt im Nord-Libanon nahe der syrischen Grenze, wo wir seit mehr als zehn Jahren arbeiten.

«Alle sind gestresst und bleiben zu Hause, gelähmt vor Angst», sagt Farhat, 75, ein syrischer Vertriebener, der seit neun Jahren in unserem Spital in Arsal wegen Diabetes behandelt wird. «Niemand traut sich rauszugehen, nicht einmal, um das Nötigste zu besorgen.» Auch er selbst fürchtet, von den Behörden verhaftet und aus dem Libanon abgeschoben zu werden. «Ich habe Angst, dass sie mich festnehmen, demütigen und dann gewaltsam aus dem Land vertreiben», sagt er. 

In den vergangenen zwei Wochen haben unsere Teams festgestellt, dass immer mehr Menschen ihre Termine in den Spitälern nicht mehr einhalten. Viele Patient:innen haben Angst, abgeschoben zu werden, wenn sie die Checkpoints passieren, um die Gesundheitseinrichtungen zu erreichen.  

Beschlagnahmungen von Fahrzeugen bedeuten eingeschränkte Mobilität für unsere Patient:innen

Die jüngste Politik und die Einschränkungen für Menschen auf der Flucht im Libanon haben auch dazu geführt, dass Autos und Motorräder von vielen Syrer:innen konfisziert wurden. Oft waren diese Fahrzeuge ihr einziges erschwingliches Transportmittel, nachdem die Wirtschaftskrise die Kosten für Taxis und öffentliche Verkehrsmittel in die Höhe getrieben hatte.  

Mahmoud, 56, wird im Spital in Arsal, das sich fünf Kilometer von seinem Zuhause entfernt befindet, wegen Diabetes behandelt. Er ist einer von vielen Patient:innen, die nur noch mit Mühe zu den Kontrolluntersuchungen und zur Abholung ihrer Medikamente ins Spital kommen können. «Früher bin ich mit dem Motorrad in die Klinik gefahren», sagt er, «aber die neuen Vorschriften verbieten uns die Benutzung von Motorrädern, so dass ich den Weg jetzt zu Fuss zurücklegen muss.»   

«Die Beschlagnahmung von Fahrzeugen hat dazu geführt, dass viele bedürftige Menschen kein zuverlässiges Transportmittel mehr haben», sagt Einsatzleiter Marcelo Fernandez.

Diese Massnahme hat die Probleme von Menschen, die ohnehin nur über begrenzte Ressourcen und Bewegungsfreiheit verfügen, noch verschärft und ihren Zugang zu lebenswichtiger medizinischer Versorgung weiter erschwert. Diese Situation ist unhaltbar. Keine Massnahme sollte auf Kosten der Gesundheit der Menschen gehen. Alle marginalisierten Personengruppen sollten unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Status gleichermaßen Zugang zu einer rechtzeitigen medizinischen Versorgung haben.

Marcelo Fernandez, Einsatzleiter im Libanon

 * Die Namen der Patient:innen wurden geändert, um ihre Identität zu schützen.   

Über unsere Projekte im Libanon

Ärzte ohne Grenzen war erstmals 1976 im Libanon aktiv und ist seit 2008 ohne Unterbrechung im Land tätig. Wir arbeiten derzeit an sieben Standorten im Libanon und bieten kostenlose medizinische Versorgung für bedürftige Bevölkerungsgruppen, darunter libanesische Bürger:innen, Menschen auf der Flucht und Wanderarbeiter:innen.

Zu unseren Leistungen gehören:

  • psychologische Betreuung
  • sexuelle und reproduktive Gesundheitsfürsorge
  • pädiatrische Betreuung
  • Impfungen
  • Behandlung von nicht übertragbaren Krankheiten wie Diabetes.

Mit mehr als 700 Mitarbeiter:innen im Libanon führen wir jedes Jahr rund 150 000 medizinische Konsultationen durch.