Niger: Gegen Meningitis impfen, aber auch die Erkrankten behandeln

Niger

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Auch wenn die Meningitis-Epidemie, die die Region Zinder im Niger seit Ende letzten Jahres heimsucht, Zeichen der Abschwächung erkennen lässt, bleibt die Zahl der Betroffenen weiterhin hoch. Ohne Behandlung verläuft Meningitis (Hirnhautentzündung) jedoch in mehr als der Hälfte der Fälle tödlich. Im Distrikt von Magaria, wo MSF mit der Impfung von annähernd 500'000 Personen begonnen hat, achten die mobilen MSF-Teams aber ebenso darauf, dass die erkrankten Personen rechtzeitig ihre Medikamente erhalten. Claude Mahoudeau erzählt uns von ihrer Arbeit, einer weniger spektakulären Tätigkeit als der Impfung selbst, die aber für die Vorbeugung nicht weniger wichtig ist.

Dorf Yékoua, in der Nähe von Magaria, 6. April 2009 – Die beiden Räume in der Nähe des Gesundheitszentrums des Dorfes sind gerade von MSF-Logistikern gereinigt worden, damit Patienten kommen können, als die Krankenschwester, Madame Souéba, zu uns tritt. „Eben ist eine erkrankte Frau hier angekommen und ich habe ihr Medikamente gegeben“, informiert sie uns. „Schon der zweite Meningitis-Fall seit heute Morgen. Zum Glück haben wir das neue Medikament bekommen, Ceftriaxon. Es ist hochwirksam. Da kann ich beruhigt sein für meine Patienten.“
Die Verteilung der neuen Medikamente und die entsprechende Schulung des Personals sind in der Tat extrem wichtig. „Damit können wir Leben retten“, erklärte Nico Heijenberg, der für den Einsatz in Magaria verantwortliche MSF-Arzt, beim Briefing der neu angekommenen Teammitglieder. „Die Leute denken nur an die Impfung. Gewiss, nur so kann die Ausbreitung der Epidemie gebremst werden. Aber ohne die medizinische Notfallbehandlung der an Meningitis Erkrankten stünden wir mit den Opferzahlen vor einer Katastrophe.“
Ein Mann mit einem offenbar ohnmächtigen Mädchen auf dem Arm steigt vorsichtig die Stufen des Gesundheitszentrums hoch. Er legt die bewusstlose Kranke auf eine Matte unter das Vordach. Die Hitze ist unerträglich, mehr als 40° Schatten, und alles ist staubig. Der Staub reizt die Schleimhäute und macht damit den Weg frei für die Meningokokken, die Erreger der Krankheit. „Ich bin ihr Lehrer“, sagt der Mann, während er die Stirn des Mädchens befeuchtet. Es reagiert nicht. „Gestern hatte sie noch nichts, und heute Morgen war sie ohne Bewusstsein. Wir kommen aus dem Dorf Toubé, 14 Kilometer von hier. Das war ein weiter Weg.“

Die Leute hier kennen den Chankarow, die Meningitis

Das Dorf Toubé, erfahren wir dann, wurde vom MSF-Team nicht mit Meningitis-Medikamenten versorgt. Es hat kein ein Gesundheitszentrum, und ohne Gesundheitszentrum kann die Medizin nicht injiziert werden. In den ländlichen Gebieten müssen die Bewohner bis zu einer Klinik oft mehr als fünf Kilometer weit zurücklegen, wodurch viele nicht fachgerecht versorgt werden können. Obwohl der Vater des Mädchens auf Arbeit in Nigeria ist, haben sich in Toubé zum Glück Dorfbewohner gefunden, die das kranke Mädchen hergebracht haben. Die Leute hier kennen sich gut aus mit dem Chankarow, wie die Meningitis auf Hausa heisst, dem Sinn nach: wer den Kopf nicht bewegen kann. Ein untrügliches Zeichen.
Im Distrikthauptort Yékoua, eine gute Stunde Fahrt auf der Piste von Magaria nach Westen, ist vor einigen Tagen eines der beiden MSF-Teams vorbeigekommen, die sich um die ärztliche Versorgung kümmern. Das Team prüfte, ob es Kranke gibt, informierte sich, wie es den bereits Behandelten ging, und liess Medikamente zurück. Da heute viele Fälle auftauchen, möchte Madame Souéba möglichst schnell mit dem MSF-Team und seinem „fahrenden“ Arzt sprechen. Die Leute von der Logistik versprechen, noch am selben Abend die Anfrage nach Magaria weiterzuleiten. Vielleicht hat ja eines der beiden Teams, die sich die Verantwortung für die 14 Gesundheitszentren im Distrikt teilen, geplant, im Westen von Magaria vorbeizukommen. Madame Souéba glaubt aber, dass es noch nicht nötig ist, ihren kleinen Patienten ins Spital von Magaria zu überweisen. Die Sonne steht schon tief und wir verlassen Yékoua.

Auf der Suche nach Erkrankten in den Dörfern

Am nächsten Tag begeben sich drei Teams zur Impfung nach Yékoua, wo 5'000 Personen erwartet werden. Im Morgengrauen fährt auch das ärztliche Behandlungsteam von Dr. Simon los. Es macht einen kleinen Umweg über das Gesundheitszentrum der Stadt Magaria. Ein kleines Kind vom Stamm der Fulbe ist in der Nacht bewusstlos ins Zentrum gebracht worden. Die Lumbalpunktion wurde schon vom Pikettpfleger gemacht und er hat auch die Medikamente verabreicht. Es ist noch sehr früh, als wir in Richtung Yékoua aufbrechen. Im Gesundheitszentrum sind nur noch das Mädchen aus Toubé und ein weiteres Kind, das noch immer Nackenschmerzen hat. „Die Schmerzen bleiben manchmal mehrere Tage, bevor sie weggehen“, erläutert Dr. Simon, der die beiden jungen Patienten beobachtet und mit ihrer Entwicklung zufrieden scheint. „Jetzt fahren wir in Toubé vorbei, wo dieses Mädchen herkommt. Vielleicht haben sich noch mehr Leute angesteckt.“
Nach einer guten halben Stunde des Herumfahrens kommen wir im kleinen Weiler an, auf den schon die Mittagssonne niederbrennt. Der Vorsteher ist da und empfängt das MSF-Team. Der Arzt und die Krankenschwester besuchen die Familie und befragen die Mutter, die mit den sieben Geschwistern hiergeblieben ist. Keine Anzeichen weiterer Erkrankungen. Das Team beeilt sich und fährt schnell weiter, denn der Arbeitstag hat kaum begonnen. Für heute ist der Besuch in vier Gesundheitszentren geplant, und dazu kommt noch je nachdem die Suche nach weiteren Fällen in abgelegenen Dörfern.
In Yékoua hat sich im Schatten der Akazien eine Schlange für die Impfung gebildet, und Madame Souéba im Zentrum ist zufrieden. Sie hat ja die neuen Medikamente erhalten und weiss, dass sie auf Dr. Simon, den MSF-Arzt, zählen kann.