Schlangenbisse: Wenig Hoffnung auf Behandlung für die Opfer
Südsudan3 Min.
Nyekuony, 35, war beim Fischen im südsudanesischen Sudd-Sumpfgebiet – eines der grössten Sumpfgebiete der Welt, als sie von einer Schlange in den Fuss gebissen wurde.
Sie suchte Hilfe bei einem traditionellen Heiler und kaufte Medikamente in der örtlichen Apotheke; die Wunde wollte jedoch nicht verheilen. Binnen kurzer Zeit begannen Fleisch und Knochen zu verwesen, Fuss und Unterschenkel wurden vom Gift zerfressen. Da sie nicht mehr laufen konnte, musste Nyekuony auf allen Vieren herumkriechen. Zu dieser Zeit loderte in der Region ein Konflikt und jeder Versuch, ein Spital aufzusuchen, war schlicht zu gefährlich.
Genau zwei Jahre nach dem Biss, schaffte es Nyekuony in die Klinik von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Mayom, von wo aus sie dann ins MSF-Spital in Agok überwiesen wurde. Ein Chirurg amputierte ihr Bein, um weiteren Schaden zu verhindern. Heute geht Nyekuony mit der Hilfe von Krücken wieder aufrecht. Nyekuony hat Glück, dass sie überlebt hat. Wäre sie jedoch früher behandelt worden, hätte ihr Bein womöglich gerettet werden können.
Nyekuony ist nur eine von geschätzten fünf Millionen Personen, die jährlich von Schlangen gebissen werden. 125‘000 von ihnen sterben und 400‘000 tragen bleibende Behinderungen und Entstellungen davon. Viele der Opfer sind Kinder und die meisten leben in ländlichen Gebieten, wo es schwierig sein kann, einen Arzt aufzusuchen. Und sogar diejenigen, die es in ein Gesundheitszentrum schaffen, das über ein effektives Gegengift verfügt, können teilweise nicht behandelt werden. Denn sie können sich die Behandlung nicht leisten, die bis zu 250 Dollar pro Patient kostet – so viel wie zwei Jahresgehälter für einige Betroffene.
MSF behandelt immer mehr Schlangenbiss-Opfer
Die Teams von MSF versorgen eine steigende Anzahl an Patienten mit Schlangenbissen kostenlos. Über 300 pro Jahr sind es im Spital von Agok – der einzigen Gesundheitseinrichtung in der Region mit einem Vorrat an sicherem und wirksamem Gegengift.
Dieses Gegengift war auch das Mittel, um das Leben der sechsjährigen Nyajinma zu retten, die eines Nachts mit einer von Blasen bedeckten Haut, gefährlich erhöhter Herzfrequenz und mit rasch wachsenden Schwellungen an Hand, Arm und Brust ins Spital von Agok eingeliefert wurde. Nachdem sie im Schlaf von einer Schlange gebissen worden war, hat Nyajinma’s Mutter sie eineinhalb Stunden zum nächstgelegenen Gesundheitszentrum getragen, um festzustellen, dass es dort kein Gegengift gab. Nyajinma wurde dann ins MSF-Spital in Agok überwiesen. «Wir gaben ihr sofort zwei Dosen des Gegengifts», erzählt Bonface Omuli, MSF-Klinikleiter. «Alles musste schnell gehen, da wir Angst hatten, sie würde sterben. Aber zum Glück erholte sie sich.»
MSF behandelte Nyajinma mit dem Gegengift FAV-Afrique, das vom französischen Arzneimittelhersteller Sanofi-Pasteur produziert wurde. Es ist zurzeit das polyvalenteste Gegengift - das bedeutet, dass es gegen die Bisse der zehn häufigsten giftigen Schlangen in Sub-Sahara Afrika wirkt.
Bald kein Gegengift mehr verfügbar
Sanofi-Pasteur hat jedoch aufgehört, FAV-Afrique herzustellen. Die noch existierenden Dosen werden Ende Juni 2016 ablaufen. Es gibt zwar weitere Gegengifte, diese wirken jedoch nicht gegen alle Schlangengifte und ihre Sicherheit und Wirksamkeit wurde nur in kleinen Studien oder einem beschränkten geografischen Gebiet getestet.
«Als Zwischenlösung werden wir zwei andere Gegengifte einsetzen müssen», sagt Christine Jamet, MSF-Programmverantwortliche für den Südsudan. « Schlangenbiss-Opfer zu behandeln, wird viel schwieriger werden, da die Ersatzgegengifte nicht gleichviele Schlangengifte abdecken wie FAV-Afrique. Dies ist ein Problem, da die Opfer selten genau wissen, von welchem Schlangentyp sie gebissen wurden. Wir werden sie nun gemäss den Symptomen behandeln. Wir wissen noch nicht, welche Auswirkungen dies auf unsere Patienten haben wird, aber es bleibt uns keine andere Wahl.»
Für Opfer von Schlangenbissen im Südsudan bleibt der Zugang zur Behandlung ein Kampf. Das ist symptomatisch für eine umfassendere Krise: Weltweit bekommt die Mehrheit der Opfer von Schlangenbissen keine Behandlung, die sie vor dem Tod oder permanenter Entstellung schützen könnte. Ehe Gegengifte nicht sicher, erhältlich und bezahlbar sind, werden hunderttausende Menschen unbeachtet Opfer einer vernachlässigten Krise bleiben.