Überschwemmungen im Land der Dürre – Heftige Regenfälle treffen den vom Hunger gebeutelten Tschad
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Weiterhin werden zahlreiche Patienten in das Ernährungsprogramm von MSF aufgenommen.
„Die diesjährige Regenzeit im Tschad ist zugleich Fluch und Segen für das Trockengebiet des Landes, da die Menschen unter einer extrem mageren Ernte und Ernährungsunsicherheit leiden“, sagt Dr. Kodjo Edoh, Projektleiter für MSF im Tschad. „Es ist einerseits gut für die Viehbauern der Region, die von tierischen Produkten wie Milch und Fleisch leben. Sie sind jetzt dazu in der Lage, ihrem Viehbestand ausreichend Weidefläche zu bieten, was ihre eigene Nahrungssituation bald deutlich verbessern wird.
Andererseits besteht in einigen unserer Einsatz-Gebiete, hauptsächlich in AmTiman und Bokoro, die Mehrheit der Bevölkerung aus Landwirten ohne Vieh. Sie müssen ihre Äcker jetzt zu einem Zeitpunkt besäen, zu dem bereits Teile der Saat von den Regenfällen und Überschwemmungen weggespült werden. Dies könnte die ersten Ernten, mit denen im späten Oktober, November gerechnet wird, stark verzögern und die Ernährungskrise möglicherweise verschlimmern.“
Tatsächlich wurden einige Gebiete im Tschad dieses Jahr von den schlimmsten Überschwemmungen seit mehr als zehn Jahren getroffen. Allein im Sebab Gebiet, in der Nähe von AmTiman, wo MSF ein 100- Betten-Krankenhaus betreut, sind etwa 6’000 Menschen betroffen. „Der gegenwärtige Zustand der Bevölkerung in Sebab erlaubt es ihnen noch nicht einmal, ein Feuer zu machen. Eine erst kürzlich erbaute ein Meter hohe Mauer aus Sandsäcken, die einen Teil des Dorfes und des Gesundheitszentrums schützen sollte, wurde bereits wieder vom Wasser abgetragen", sagt Jean-Francois Harvey, Projektkoordinator für MSF in AmTiman. „Ein Vertreter, mit dem ich mich vergangene Woche in AmTiman traf, erzählte mir, dass die Bewohner aus Angst vor grösseren Überschwemmungen kaum schliefen. Zurzeit werden sie von beiden Seiten vom Wasser eingeschlossen, was ihnen auch den Weg zu MSF stark erschwert. Sie müssen dorthin schwimmen oder Fahrräder benutzen.“
In Kerfi, wo MSF ebenfalls eine Gesundheitseinrichtung betreut, sind etwa 5’000 Menschen von den Überschwemmungen betroffen. MSF stellt zusätzlich leere Säcke zur Verfügung, um weitere Dämme zu errichten, und sucht nach weiteren Wegen, um die konkreten Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung noch besser einzuschätzen.
Zunahme der Malariafälle
„Im Juli sind viele unserer Patienten in Kerfi nicht zurückgekommen, weil sie ausserhalb der Stadt leben und durch die Überschwemmungen isoliert worden sind und nicht im Stande waren, unser Gesundheitszentrum zu erreichen. Die Leute im Tschad hat es damit doppelt hart etroffen: Der ausbleibende Regen verursachte die Ernährungskrise, welche jetzt durch zu viel Regen verschlimmert wird", sagt Dr. Edoh.
Ein weiterer unangenehmer Faktor, der sich mit dem Regen verschärft, ist die Zunahme der Malaria-Fälle. Mit einem eingeschränkten Zugang zur Behandlung wird Malaria zur zusätzlichen Bedrohung für Kinder, die ohnehin schwach und mangelernährt sind. „Wir werden mit einer unter Umständen tödlichen Mischung aus Mangelernährung, Malaria und den Überschwemmungen konfrontiert“, erläutert Dr. Edoh.
Sterblichkeitsrate deutlich abgenommen
In Bokoro und AmTiman wurden zwischen Mai und Juli 1’914 Kinder ins Ernährungsprogramm von MSF aufgenommen. „Als wir unseren Einsatz in Bokoro im Mai starteten, sahen wir viele Kinder sterben. Die meisten von ihnen kamen einfach zu spät zu uns, auch weil viele Eltern zunächst nur auf traditionelle Heiler vertrauten. Mit mehr Personal und Krankenhelfern aus den Gemeinden konnten wir dennoch die Aufmerksamkeit steigern und Akzeptanz in den Gemeinden schaffen und sie für unsere Arbeit zu sensibilisieren. Zudem konnte so die Qualität der Betreuungen in den Ernährungseinrichtungen erhöht werden. Als erste Folge sank die Sterblichkeitsrate in unseren Ernährungsprogrammen signifikant von 21 Prozent im Juni auf 5 Prozent im Juli.“
Und die Bemühungen von MSF halten weiterhin an. Neue Ernährungseinrichtungen werden eröffnet und neue Einsatzgebiete im ganzen Land erschlossen. Derzeit betreut MSF Ernährungsprogramme sowohl in den Tschad-Regionen Hadjer Lamis, Batha, Guéra, Chari Baguirmi, Ouaddai und Salamat als auch in der Hauptstadt N’Djamena. Von Anfang des Jahres bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden 15’776 unterernährte Kinder in das Ernährungsprogramm von MSF aufgenommen, die grosse Mehrheit davon in den vergangenen drei Monaten.