Verstärkte Angriffe der israelischen Streitkräfte bringen Spitäler im Süden Gazas an die Grenze
© Mohammed Abed
Palästinensische Autonomiegebiete3 Min.
Seitdem die fragile Waffenruhe im Gazastreifen am 1. Dezember ausgelaufen ist, wurden Hunderte von Menschen in israelischen Luft- und Bodenangriffen verletzt oder getötet. In den zwei von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) unterstützten Spitälern Al-Aksa im Zentrum und Nasser im Süden des Gazastreifens, an denen palästinensische und internationale Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen leben und arbeiten, lässt sich der Andrang kaum noch bewältigen.
«Tag und Nacht hören wir Schüsse», so Katrien Claeys, Teamleiterin von Ärzte ohne Grenzen im Zentrum Gazas, wo medizinische Teams das lokale Gesundheitspersonal bei der Versorgung von Menschen mit Explosions- und Brandwunden unterstützen. «In den letzten 48 Stunden wurden über 100 Tote und mehr als 400 Verletzte in die Notaufnahme des Al-Aksa-Spitals gebracht. Bei manchen wurde sofort eine Notoperation durchgeführt.»
Bei einem solchen Massenanfall von Verletzten werden im Spital nur jene prioritär behandelt, die unmittelbar in Lebensgefahr schweben. Alle anderen müssen zurückgestellt werden.
Im Spital fehlt schlicht und ergreifend der Platz – die Lage ist katastrophal. Wir sind wirklich besorgt, was uns noch bevorsteht. Praktisch im Stundentakt werden mehrere Schwerstverletzte ins Spital eingeliefert
«Es kommen Patient:innen zu uns, die Anzeichen von Infektionen oder Gewebsnekrosen aufweisen, weil ihre Wundverbände seit Tagen oder manchmal Wochen nicht gewechselt wurden», erklärt Katrien Claeys.
Israelische Streitkräfte ordnen erneute Evakuierung an
Während sich die Luft- und Bodenangriffe Israels auf den Süden zubewegen, wurden die Menschen in den Gebieten im Zentrum des Gazastreifens und in Chan Junis dazu aufgefordert, weiter in den Süden in Richtung Rafah an die ägyptische Grenze zu fliehen. Wir mussten unsere medizinische Unterstützung der Kliniken Martyrs und Beni Suhaila einstellen, weil sich diese in den Gebieten befinden, für die der Evakuierungsbefehl gilt.
«Jeden Tag erhalten wir von den israelischen Behörden Evakuierungsbefehle für immer neue Gebiete, in denen die Zivilbevölkerung dazu aufgefordert wird, weiter und weiter in den Süden zu fliehen», berichtet ein Mitglied von Ärzte ohne Grenzen in Chan Junis, das selbst zu den Binnenvertriebenen gehört. «Nicht einmal während der Feuerpause ist es gestattet, in die eigenen Häuser in den Norden zurückzukehren. Nur drei oder vier Gebiete sind noch zugänglich – und alle überfüllt.»
Die meisten der 1,8 Millionen Binnenvertriebenen im Gazastreifen sind in den Süden geflohen, wo sie derzeit unter katastrophalen Bedingungen leben. Ein grosser Teil der Zivilbevölkerung wurde seit dem 7. Oktober schon mehrfach vertrieben. Es gibt für sie keinen sicheren Zufluchtsort mehr.
Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie der Gesundheitsversorgung ist für die Menschen im Süden des Gazastreifens äusserst schwierig geworden. Die von den israelischen Streitkräften verhängten Bewegungseinschränkungen und der anhaltende schwere Beschuss hindern die Menschen daran, rechtzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, und behindern auch die Fähigkeit unserer Teams, Hilfe zu leisten.
Seit vergangenem Samstag ist die Zahl der Vertriebenen rund um das Nasser-Spital erneut gestiegen: Der gesamte Parkplatz ist mit Zelten vollgestellt und es werden immer mehr. Viele schlafen auf dem Boden neben der Gesundheitseinrichtung.
«In dieser seit Wochen andauernden militärischen Offensive – mit insgesamt nur einer kurzen Pause – erreichen Tempo und Ausmass der Bombardements eine Brutalität ohnegleichen», sagt Hook. «Für nahezu zwei Millionen Menschen gibt es keinen Ausweg aus dieser Lage. Die einzige Lösung sind ein sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand und uneingeschränkte humanitäre Hilfe für den gesamten Gazastreifen.»
Update 5 Dezember 2023:
Das Al-Alsa-Spital, in dem palästinensische und internationale Mitarbeiter unseres Teams arbeiten und leben, nimmt seit dem 1. Dezember jeden Tag durchschnittlich 150 bis 200 Patient:innen mit Kriegsverletzungen auf.
"Derzeit sind 700 Patient:innen im Spital aufgenommen, und es kommen ständig neue hinzu. Uns fehlt es an Material und Medikamenten, um sie zu behandeln", sagt Marie-Aure Perreaut Revial, unsere Notfallkoordinatorin in Gaza.
"Die Knappheit an Medikamenten und Treibstoff wird das Spital daran hindern, chirurgische Eingriffe und die Intensivstation aufrecht zu erhalten. Ohne Strom werden die Beatmungsgeräte nicht mehr funktionieren."
Die Belagerung muss aufgehoben werden. Medizinische Hilfsgüter und humanitäre Hilfe müssen dringend in den gesamten Gazastreifen geliefert werden.
© Mohammed Abed