Wie dämmt man eine Cholera-Epidemie ein? Unser Einsatz auf den Komoren
© Nisma Leboul/MSF
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Am 2. Februar 2024 wurde von der Regierung der Komoren, einer Inselgruppe vor der Ostküste Afrikas, eine beispiellose Cholera-Epidemie ausgerufen. Seit 1975 gab es dort immer wieder Epidemiewellen. Beim aktuellen Cholera-Ausbruch erkrankten jedoch besonders viele Einwohner:innen. Auf dem Höhepunkt der Epidemie wurden mehr als 200 Fälle pro Tag registriert. Bis zum 31. Juli verzeichnete das Land 10 342 Fälle und 149 Todesfälle, viele davon in abgelegenen Gemeinden, wie in der Ortschaft Mremani. Auf Anfrage der Regierung starteten unsere Teams einen Notfalleinsatz auf der Insel Anjouan, die am stärksten von der Krankheit betroffen war, und später auf der Insel Moheli.
Wie dämmt man in der Praxis eine scheinbar ausser Kontrolle geratene Epidemie ein?
Neben einer effizienten Behandlung der Erkrankten ist Prävention eine zentrale Massnahme.
So starteten unsere Teams in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium eine Massenimpfkampagne für die gesamte Bevölkerung der Komoren. Ziel war es, eine Herdenimmunität zu entwickeln und die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.
Widerstand und Misstrauen der Gemeinden
«Die Menschen vor Ort spielen bei jeder Art von Epidemie eine wichtige Rolle. Ihre Unterstützung ist im Kampf gegen die Ausbreitung der Krankheit unverzichtbar. Daher ist es wichtig und unumgänglich, sie in die Kampagne einzubeziehen, insbesondere was die Aufklärung betrifft», erklärt Frédéric Lai Manantsoa, Notfallkoordinator auf den Komoren.
Wir standen vor einer grossen Herausforderung: Die Bevölkerung leugnete die Krankheit.
Die meisten Menschen aber glaubten nicht an die Existenz der Krankheit. Es war also nicht einfach, die Bevölkerung von einer Impfung zu überzeugen, noch dazu von einem kaum bekannten Schluckimpfstoff namens Euchivol-plus. Unsere Teams waren mit vielen Gerüchten und Widerständen in den Gemeinden konfrontiert. Einige fürchteten beispielsweise die Nebenwirkungen und waren überzeugt, dass der Impfstoff den Ausbruch der Krankheit begünstigen würde. Das Engagement und die Mobilisierung der Gemeinde war daher ausschlaggebend, um die Menschen von der Impfung zu überzeugen.
«Ein Beispiel für die Zusammenarbeit mit Gemeinde- und Religionsführern sind die Imams, die jeden Freitag während ihrer Predigten die Bevölkerung für das Thema sensibilisierten. Das hat uns sehr geholfen, unsere Ziele zu erreichen», fährt Lai Manantsoa fort. Schliesslich konnten unsere Teams 79% der Bevölkerung von Anjouan (276 153 Personen) und 73% in Moheli impfen.
Strategien, die Früchte tragen
Die Aufklärungsarbeit stützte sich hauptsächlich auf bestehende Strukturen, insbesondere auf das Komitee für Risikokommunikation und Engagement der Gemeinschaft, in dem Gemeindevertreter, die regionale Gesundheitsdirektion von Anjouan und die verschiedenen humanitären Akteure (UNICEF, IFRC, Roter Halbmond der Komoren, WHO) vertreten sind.
Die über die wichtigsten lokalen Medien (TV, Radio und soziale Netzwerke) durchgeführte Massenaufklärung wurde durch verschiedene gemeindebasierte Ansätze unterstützt, z. B. Sensibilisierung in Schulen, Moscheen, an den wichtigsten öffentlichen Orten, Hausbesuche und Treffen mit Gemeindeführern. Unsere Teams bezogen alle einflussreichen sozialen Gruppen mit ein und analysierten fortlaufend die Meinungen und Vorschläge der Bevölkerung. So konnten sie während der gesamten Impfkampagne die Botschaften an die Gemeinschaft entsprechend anpassen.
Genügend Impfstoff: Eher die Ausnahme als die Regel ...
Die Komoren erhielten als einziges ostafrikanisches Land mit Cholera von der Internationalen Koordinierungsgruppe (ICG) für die Bereitstellung von Impfstoffen genug Schluckimpfstoff Euchivol-plus für ihre gesamte Bevölkerung. Eine Chance, die anderen Ländern, in denen die Cholera endemisch ist, – wie Tansania oder Mosambik – verwehrt blieb. Dort konnten somit auch keine optimalen medizinischen Massnahmen ergriffen werden.
Die qualitativ hochwertige Versorgung in Verbindung mit der Massenimpfkampagne zahlte sich aus: Bis zum 31. Juli wurde kein einziger Cholerafall mehr gemeldet.
Auf Anjouan unterstützte Ärzte ohne Grenzen die Einrichtung von zwei Cholera-Behandlungszentren, die in die Spitäler von Hombo und Domoni integriert sind, von zwei Cholera-Behandlungseinheiten in Pomoni und Mremani sowie von sieben oralen Rehydrierungsstellen, die über die ganze Insel verteilt sind. In Moheli arbeiteten unsere Teams zudem an der Verbesserung des Patient:innenpfads und an der Ausweitung der Aktivitäten im Bereich sanitäre Anlagen und Hygiene.
© Nisma Leboul/MSF